Vom Zehrborn-Biwak zum Spitzstein-Biwak sind es fast schon gemütliche 15 Wanderkilometer, man bewegt sich zwischen 349 und 526 Meter Höhe. Die Tour startet bergauf, führt zunächst auf historischem Wegpflaster an Birken und alten Grenzsteinen vorbei, quert den Bach Dürre Biela und wird anschließend wildromantisch: Die Dürre Biela hat sich ihren Weg durch hoch aufragende Felsen mit Bäumen und Totholz gegraben und wird hier und da zum Wasserfall. Weiter geht es an Klettergipfeln, Wildäpfeln, Heidelbeeren und einer Bushaltestelle vorbei, durch den Wald, auf einem Höhenweg, zu Ausblicken mit überdachter Sitzmöglichkeit und zu einer ausgeschilderten Quelle, die unbedingt dafür genutzt werden sollte, die Wasservorräte aufzufüllen. Zur Rotsteinhütte führt ein steiler Anstieg. Hier kann rasten, wer fürs Erste genug hat und die letzten fünf Kilometer bis zum Biwakplatz noch aufschieben möchte. Die Rotsteinhütte liegt am Hang – nämlich am Hang des Rotsteins –, was bei entsprechender Witterung einen Blick auf den Sonnenuntergang verspricht. Die Trekkinghütte ist eine alte Jagdhütte und bietet Schlafplätze für zwölf Personen, die meisten davon im großen Raum mit Ofen. Draußen bietet sie Sitzgelegenheiten, Feuerholz, Brauchwasser und eine Komposttoilette. Menschliche Siedlungen sind zwei Fußstunden entfernt.
Diese Siedlungsferne gehört zum Konzept des Forststeigs. Eröffnet wurde er 2018 als Trekkingroute von der tschechischen Forstverwaltung Lesy České republiky und dem Sachsenforst. Die Route ermöglicht es in der Saison zwischen April und Oktober, grenzüberschreitend durch die Wälder an der gemeinsamen Grenze zwischen Sachsen und Böhmen zu wandern. Übernachtet werden kann in solchen einfach ausgestatteten Trekkinghütten wie der schon erwähnten oder auf den Biwakplätzen, auf tschechischer Seite auch auf einem öffentlichen Campingplatz. Zusätzlich gibt es an der Strecke verschiedene Partner der Route, die auf Menschen eingestellt sind, die den Forststeig erwandern. Dort können Übernachtende etwa problemlos ihre Kleidung trocknen oder sich mit Trinkwasser versorgen. Die Wegführung verläuft über gut hundert Kilometer linkselbisch auf einfachen Pfaden, es gibt sieben Etappen, die sich für geübte und gut ausgestattete Wanderinnen und Wanderer eignen, die zudem ihre Touren gerne autark durchführen und für mehrere Tage anlegen.
Erwähnenswert ist natürlich die Landschaft: ausgedehnte Waldstücke, krasse Felsformationen, murmelnde Bäche und mächtige Berge. Der Forststeig – oder Lesní stezka – ist wegen dieser Landschaft nicht ganz anspruchslos. Auf der Strecke liegen insgesamt 13 Tafelberge, unterwegs kann man Menschen beim Klettern zuschauen und es gibt nicht wenige steile Auf- und Abstiege. Vielleicht heißt die Route deshalb Forststeig und nicht etwa Forstweg. Der Děčínský Sněžník – der Hohe Schneeberg – ist mit 723 Metern die höchste Erhebung der Sächsisch-Böhmischen Schweiz, er liegt auf der zweiten Etappe zwischen Grenzbaude und Ostrov. Von der Grenzbaude sind kleinere Gipfel mit den illustren Namen Hühnerberg und Hinterer Würzhübel nicht weit. Für die 15 Kilometer von Schöna, das südöstlich von Bad Schandau liegt, hierher braucht es etwa vier Stunden. Das ist die erste der vorgeschlagenen Etappen. Im Wald ist der Forststeig mit gelben Strichen markiert, in Tschechien und an öffentlichen Straßen sind grüne Wegweiser angebracht. Detailliertes Kartenmaterial ist im Shop des Sachsenforsts erhältlich. Eine gute Orientierung bietet auch der neu erschienene Wanderführer von Julian Gick. Gick ist im Trekking und im Hochgebirge erfahren, wanderte schon im Kaukasus, in den Karpaten und auf unwegsamen Routen am Rande des Himalayas.
Die Sächsisch-Böhmische Schweiz erstreckt sich zwischen Pirna und Děčín. Hier war in der Kreidezeit ein Meer, das die alten Sandsteine hinterlassen hat. Die sind einerseits die Namensgeber fürs Elbsandsteingebirge, andererseits der Grund dafür, dass die Landschaft dank Erosion stark zerklüftet ist. Das macht sie abwechslungsreich, was für vielfältiges Mikroklima und übrigens auch eine hohe Pflanzenvielfalt sorgt. Julian Gick schreibt dazu: »Im Elbsandsteingebirge wird den Wandernden mehr als irgendwo anders aufgezeigt, wie wenig sich der Blick auf die Höhenmeter der Berge lohnt.« Zu Böhmen und Sachsen kam das Mittelgebirge erst im 15. Jahrhundert, im 19. Jahrhundert erhielt es angeblich von zwei Schweizer Künstlern die Beinamen Sächsische und Böhmische Schweiz. Das war die Zeit, als die Region touristisch entdeckt und erschlossen wurde. Zwischen 1990 und 2000 entstanden rechtselbisch die zwei Nationalparks Sächsische und Böhmische Schweiz.
Wer Umwege geht, sieht mehr von der Gegend – getreu diesem Motto ist der Forststeig angelegt. Die erste Etappe startet in Schöna, die letzte endet in Bad Schandau, auf direktem Weg läuft man zwischen beiden Orten lediglich neun Kilometer. Die Etappen sind auch andersherum absolvierbar. Die Fläche, die die Etappen umspannen, beläuft sich auf etwa 400 Quadratkilometer. Da die vorgeschlagenen Etappen nicht zu ambitioniert geplant sind, sind Abstecher oder längere Pausen an reizvollen Punkten kein Problem. Gick gibt in seinem Wanderführer Hinweise zu solchen Abstechern, und er kennt Streckenabkürzungen oder Variationen der Strecken, die ohne Waldübernachtung auskommen, aber zu Unterkünften mit richtigen Betten und Steckdose führen. Er weiß, welcher tschechische Lebensmittelladen in Streckennähe keine Euro annimmt, wo es Trinkwasser gibt – unterwegs ein heikles Thema –, und versorgt mit detaillierten Wegbeschreibungen für den Fall, dass die Ausschilderung missverständlich oder schlecht zu erkennen ist. Tipps zur Reisevorbereitung kennt er ebenso wie zum Weitwandern mit Hunden und Kindern – davon wird nicht unbedingt abgeraten, es sind freilich in der Planung und auch unterwegs ein paar Punkte zu beachten.
> Forststeig Sachsen
> Julian Gick: Forststeig Elbsandstein. Von Schöna nach Bad Schandau. Welver: Conrad Stein 2024. 128 S., 8 Kartenskizzen (1:60.000), 7 Höhenprofile, 12,90 €