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Kultur

Klobürste fürs Klavier

Der Pianist Nils Frahm sorgt am Sonntag für Schweigen im Schauspiel

  Klobürste fürs Klavier | Der Pianist Nils Frahm sorgt am Sonntag für Schweigen im Schauspiel

»Der nimmt gute Ideen und verhunzt sie für verdorbene Musikgeschmäcker.« So der Spitzenkommentar aus einer Diskussion über die klassischen Qualitäten in Nils Frahms Musik. Der gebürtige Hamburger erfüllt seit Jahren große und kleine, immer volle Säle mit frenetischem Applaus.

Sein neues Album »Spaces« ist ein prächtiger Flickenteppich aus über dreißig Konzertmitschnitten. Für die Wohnzimmer der Menschen, die auch beim E-Mail-Schreiben glasige Augen bekommen wollen. Der Knackpunkt, warum sie ihm trotzdem weiter die Säle einrennen werden, ist die Sehnsucht nach der Konzentration. Die ist in der jungen digitalen Welt so abgemeldet wie die Klassik. Aber im Konzert darf man mal einfach nur dasitzen, sogar die Augen schließen, eine kleine Unendlichkeit lang. Ein Klavier und manchmal ein paar analoge Effektgeräte reichen Nils Frahm aus für das totale Schweigen in den Rängen. Er erlernte das Klavierhandwerk in der Tradition Tschaikowskis und wechselte später in den Jazz. Viele seiner Stücke entstanden aus Improvisationen, wurden dann für die Konzerte angelernt und seitdem ständig weiterentwickelt. Seine Musik selbst ist das Widerwort für den Klassikfuzzi vom Anfang des Artikels: Sie verschiebt die Grenzen der Musik, die mit klassischen Musikinstrumenten möglich ist. So hämmert Frahm mit Klobürsten auf seinem Klavier herum oder deckt es mit Fellen ab, um die Akustik zu verändern. Er dolmetscht zwischen der Eleganz seines klassischen Instruments und dem Minimalismus des Pop. Und Eingängigkeit ohne Langeweile ist bekanntermaßen die schwerste Art, gute Musik zu machen. Wen juckts, wie man das nennt! Hauptsache: schön.


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