Die Fußball-WM zeichnet sich ab. Die Filmstarts werden weniger. Dennoch starten in dieser Woche einige sehenswerte Filme in den Leipziger Kinos und mit »Boyhood« sogar ein waschechter Berlinale-Gewinner. »Ai Weiwei – The Fake Case« blickt auf ein Leben als international erfolgreicher Künstler in einem repressiven Staat. Die französische Komödie »Maman und ich« bietet eine entwaffnend ehrliche Autobiografie und viel Gesprächsstoff über Geschlechterrollen. Außerdem gibt es Neues von Luc Besson und unterhaltsame Geschichten von Ausgegrenzten der Gesellschaft. Die kreuzer-Redaktion wünscht erhellende Kinomomente.
Film der Woche: Richard Linklater – König des Laberfilms. Bei keinem anderen amerikanischen Auteur ist die Dichte des gesprochenen Wortes so hoch. Da muss selbst Woody Allen zurücktreten. Zumal es bei Linklater nie um die ich-bezogenen Neurosen einzelner Personen geht. Gesprochenes Wort ist bei dem Autor und Regisseur immer Dialog, auch wenn die darin enthaltenen Ansichten seiner eigenen liberalen Weltsicht entspringen. Bei Linklater geht es um die Essenz, das Wesentliche – das Leben. Nicht mehr, aber auch nie weniger. So könnte man in das Wehklagen von Patricia Arquette am Ende seines 16. Kinofilms einstimmen. Sicher, irgendwie hatte man mehr erwartet. Aber so ist das Leben eben. Und so ist eben auch »Boyhood«, zwölf Jahre im Leben eines Heranwachsenden, konsequent geschildert aus seiner Perspektive. Ein bewegender, witziger und zutiefst berührender Film, der in diesem Jahr auf der Berlinale mit dem Großen Preis der Jury ausgezeichnet wurde. Eine ausführliche Kritik gibt es im aktuellen kreuzer.
Boyhood: ab 5.6., Passage
Der Dokumentarfilm »Ai Weiwei – Never Sorry« brachte uns vor zwei Jahren den außergewöhnlichen chinesischen Künstler näher, durch seine Bilder und Installationen, aber auch durch persönliche Einblicke. »The Fake Case« von Andreas Johnson schließt dort an, wo Alison Klaymans Film endete: mit der Entführung Ai Weiweis durch die chinesische Staatsmacht und die isolierte Inhaftierung über drei Monate hinweg. Mit seiner Freilassung kam ein Redeverbot. Bis zum Ende seiner Bewährung darf der Staatsfeind Nummer eins keinerlei Auskünfte über seine Inhaftierung machen. Man verbat ihm jegliche Interviews mit der ausländischen Presse. Nun redet er zum ersten Mal vor der Kamera über die Ereignisse. Er habe nichts zu verbergen, sagt er und entblößt sich und sein Leben. Eine ausführliche Kritik gibt es im aktuellen kreuzer.
Ai Weiwei – The Fake Case: ab 8. 6., Kinobar Prager Frühling
Thick as a brick – Ach, Luc. Was warst du nur für ein vielversprechendes Regietalent in den achtziger und neunziger Jahren. Viele würden dir gar die Runderneuerung des europäischen Kinos zuschreiben und sie hätten damit gar nicht mal Unrecht. Aber irgendwann hast du entdeckt, dass man auch mit weniger Aufwand Geld machen kann und – wie so viele andere (allen voran ein gewisser Herr Schweighöfer) – das hat dich zwar reich gemacht, aber deinen kreativen Tod bedeutet. Nun produzierst du mit deiner Firma Europa Film über Film für ein geringes Budget mit irgendeiner fixen Idee, die noch in deiner Schublade schlummerte. Dabei kommt durchweg nur Schund heraus, der die Kinoleinwände verstopft und besser im Heimkinomarkt dahingammeln sollte. Aber was hilfts – der Erfolg gibt dir ja Recht und so wird auch »Brick Mansions« nicht der letzte Vertreter der Marke Euro(pa)-Trash sein.
Mit Camille Delamarre hat Luc Besson schließlich einen guten Geschäftspartner gefunden, der vom Cutter bei den Fortsetzungen zu »Transporter« und »96 Hours« nun zum Regisseur eines US-Remakes des französischen Kassenschlagers »Ghettogangz « aufstieg. Funktionierte der im Brennpunkt der Pariser Vorstadt noch irgendwie halbwegs adäquat, ergibt die Story um ein kriminelles Mastermind zum Kuscheln, der eine nukleare Bombe auf Detroit richtet, aber keine Absichten hegt, das Ding zu zünden, mit zunehmender Laufzeit immer weniger Sinn. Immerhin darf Parkour-Erfinder David Belle sein Können erneut zur Schau stellen. Trauriger Umstand am Rande: »Brick Mansions« ist der letzte Film mit Paul Walker. Der »The Fast and the Furious«-Star kam in diesem Jahr – so wollte es die Ironie des Schicksals – bei einem Autounfall ums Leben. Man hätte ihm auch filmisch einen würdigeren Abgang gewünscht.
Brick Mansions: ab 5.6. CineStar, Regina, Cineplex
»Die Jungs und Guillaume, zu Tisch!« – Seit Guillaume zurückdenken kann, werden er und seine Brüder mit diesen Worten von der Mutter zum Essen gerufen. Guillaume ist anders als die beiden älteren Söhne der Familie. Sehr zum Missfallen des Vaters interessiert er sich nicht für Sport und andere Jungsdinge. Guillaume ist auf Maman fixiert, die er über alles verehrt und der er jeden Wunsch erfüllen möchte. Und nach zwei Söhnen hätte sie doch so gern ein Mädchen gehabt! Also passt Guillaume die Realität immer mehr ihren Wunschvorstellungen an und schlüpft in die Rolle der Tochter, die Maman nie hatte ... Doch nach einigen Umwegen stellt sich auch für den heranwachsenden Guillaume die Frage: Wer oder was bin ich eigentlich? Wen darf, wen kann ich lieben? Bin ich schwul, wie Maman glaubt, oder was? Bis nach einigen komischen Probeläufen auf dem Parcours der sexuellen Möglichkeiten ein himmlisches Zusammentreffen den jungen Mann endlich von allen seinen Zweifeln erlöst. Amüsante Reflexion über Geschlechterrollen mit dem wunderbaren Guillaume Gallienne als doppelter Hauptdarsteller, Regisseur und Autor in Personalunion. Dafür gab es in diesem Jahr zu Recht sechs Césars.
Maman und ich: ab 5.6. Passage
Wir verlosen 3 Romane und 3x2 Freikarten. Email an film@kreuzer-leipzig.de, Betreff »Maman und ich«.
Die Filmtermine der Woche
In 80 Tagen um die Film(Welt) Teil 2: Die Cinephilen
Claudia Cornelius nimmt uns mit auf eine Reise durch die Filmgeschichte, vorbei an Truffaut, Bogdanovich, Scorsese, Wenders und Kusturica. Anschließend Überraschungsfilm.
5.6., 20 Uhr, Memento
14 Arten, den Regen zu beschreiben
Ein Dokumentarfilm über sozialen Rückzug bei Kindern und Jugendlichen und über die Auswirkungen auf die Familie – in Anwesenheit des Regisseurs Marcel Ahrenholz.
6.6., 19 Uhr, Schaubühne Lindenfels
Luru Skatboardkino - Static IV
Das Luru Kino in der Spinnerei lädt Skateboard-Freunde am Freitag wieder zu Ollies, Flips & Filmen...
6.6., 21 Uhr, Luru-Kino in der Spinnerei
Geschichten hinter vergessenen Mauern Teil 3: Abschied
Lost Places in Leipzig – Der Filmemacher Enno Seifried zeigt imposante Bauwerke, die seit dem 20. Jahrhundert leer stehen. Abschluss der Trilogie.
9.6., 20 Uhr, Neues Schauspiel Leipzig (ab 12.6. Cineding)
Die harte Arbeit am Glück
Zum 6. Mal findet das f/stop – Festival für Fotografie Leipzig statt und das Luru zeigt begleitend zwei Kurzfilmprogramme am 10./11.6., Originalfilme aus den DDR-Betriebsfilmstudios mit einem Gespräch mit Stefan Gööck und Emanuel Mathias (12.6.), »New York remains in my head (1992-2012)« in Anwesenheit der Künstlerin Cristina Moreno García (14.6.) und Carmen Losmanns »Work Hard Play Hard« (14.6.).
Jeweils 20 Uhr, LURU-Kino in der Spinnerei
Best of Kurzsüchtig 2014
Kurzfilmprogramm mit dem Besten aus Animation, Dokumentation und Fiktion vom größten mitteldeutschen Festival des kurzen Films.
11.6., 21 Uhr, Kinobar Prager Frühling