Es ist so weit. Der Ball rollt und im Kino senkt sich der Vorhang. Aber einige interessante Neustarts trotzen dem Fußballfest. Allen voran die gelungene Adaption des Bestsellers »Das Schicksal ist ein mieser Verräter«. In den USA ist er in dieser Woche auf Platz 1 eingestiegen. Es bleibt abzuwarten, ob sich hierzulande ein Publikum fernab von Public Viewing findet. Die überschaubare Anzahl an Starts bietet aber auch beste Gelegenheit, eines der zahlreichen Highlights nachzuholen, die Leipzigs Leinwände schmücken – ob Open Air oder im fußballfreien Kinosaal. Wir wünschen spannende Kinostunden.
Film der Woche: Basierend auf der vielfach ausgezeichneten Literaturvorlage (u.a. mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis) des US-Autors John Green erzählt Regisseur Josh Boone angenehm frei von Kitsch die außergewöhnliche Liebesgeschichte zweier Menschen, die durch ihr gemeinsames Schicksal tief miteinander verbunden sind. Die Teenager Hazel und Augustus lernen sich auf der Leukämie-Station kennen und verlieben sich ineinander, obwohl ihre Zeit knapp bemessen und ihr Schicksal ungewiss ist. In den Hauptrollen überzeugen Shailene Woodley (Golden Globe-Nominierung als beste Nebendarstellerin für »The Descendants«) und ihr Partner Ansel Elgort, mit dem sie zuletzt in »Die Bestimmung – Divergent« vor der Kamera stand, durch ihre authentische Darstellung der jungen Liebenden.
Das Schicksal ist ein mieser Verräter: ab 12.6., CineStar, Regina
Trotz der Nachricht vom Tod ihrer Großmutter lässt sich Anna nur widerwillig von ihrem Lebensgefährten überreden, allein in ihre Heimat zurückzukehren und ihrem Großvater bei der Beerdigung beizustehen. Zu Hause ist sie plötzlich wieder mit ihrer Vergangenheit konfrontiert: Ihre alte Liebe ist inzwischen alleinerziehender Witwer, die heile Welt der großelterlichen Beziehung erfährt einige traurige Risse und ein jahrelang unausgesprochenes Familienunglück holt Anna wieder ein. Die Menschen im Dorf sind Einzelgänger, die meisten haben mit ihrer großen Liebe Schiffbruch erlitten. Anna beginnt, sich über ihr Leben und Lieben neue Gedanken zu machen. Schauspielerkino mit beeindruckenden Kamerafahrten durch die raue norwegische Wildnis. Eine ausführliche Kritik gibt es im aktuellen kreuzer.
Chasing the wind: ab 12.6., Schaubühne Lindenfels
Die Filmemacher Luca Ragazzi und Gustav Hofer leben seit 1999 glücklich in Rom und hatten während Berlusconis Amtszeit dennoch häufiger überlegt, das Land zu verlassen. Angeregt durch die Sinnfrage »Italy: Love it, or leave it« haben sie 2011 die gleichnamige Dokumentation gedreht. Gustav und Luca sind in Italien geblieben. Beide haben einen untrüglichen Geschmack für Kunst, Einrichtung und die Zubereitung der perfekten Spaghetti alla carbonara. Doch wenn es zu Fragen der italienischen Innenpolitik kommt, fehlt ihnen ein klarer Kompass. In ihrem aktuellen Film begeben sich die Filmemacher auf die Suche nach der italienischen Linken, um herauszufinden, was es bedeutet, links zu sein in einem konservativen, von Berlusconis rechtem Gedankengut infiltrierten Land. Eine humorvolle Bestandsaufnahme des zeitgenössischen Italiens, die mit einem ironischen Voice Over und zahlreichen Animationen aufgelockert wird. Eine ausführliche Kritik gibt es im aktuellen kreuzer.
What is left?: ab 12.6., Cineding
Architektur ist nicht nur äußerer Schein. Sie bestimmt die Seele eines Gebäudes. Mehr noch, wenn es sich dabei um eine Stätte der Hochkultur handelt. Sechs preisgekrönte Regisseure setzen sich mit sechs weltbekannten Bauwerken auseinander. Bei dem von Wim Wenders initiierten Projekt wird die Geschichte eines Ortes ebenso erfahrbar wie die Menschen dahinter, darin oder gar die Gedanken des Konstrukts. Die Räumlichkeiten mit der modernen 3D-Technik einzufangen, ergibt da absolut Sinn. Wim Wenders selbst schwebt mit seiner Kamera durch die Gänge der Berliner Philharmonie, lässt den Geist ihres Schöpfers auferstehen und aus dem Off von diesem besonderen Konzerthaus, bei dem das Orchester unter der Leitung von Sir Simon Rattle im Herzen des Publikums sitzt, berichten. Der vor Kurzem verstorbene österreichische Dokumentarfilmer Michael Glawogger lässt die russische Nationalbibliothek aus den jahrhundertealten Büchern rezitieren, was beim Betrachter mitunter die Wirkung einer Gutenachtgeschichte entfaltet. Robert Redford setzt dem Salk Institute for Biological Studies ein filmisches Denkmal, welches 1960 erbaut wurde und unter anderem half, die Polio-Epidemie einzudämmen. Wesentlich moderneren Bauwerken widmen sich Margreth Olin in und auf dem Osloer Opernhaus, Kaim Ainouz mit seiner recht konventionellen Bestandsaufnahme des Centre Pompidou und der Däne Michael Madsen. Er rückt das Halden-Gefängnis in den Fokus und gibt auch den Menschen ein Gesicht, die das Gebäude reflektieren. Eine mitunter faszinierende Ode an die Kunst der Architektur in ruhig dahinfließenden Bildern.
Kathedralen der Kultur: ab 13. 6., Kinobar Prager Frühling (in 2D)
In einem kleinen Dorf in den österreichischen Alpen steht ein ehemaliger Gasthof, der vor vielen Jahren, als es noch Sommerfrische gab, ein stattlicher Betrieb war. Zwei Schwestern sind hier groß geworden. Sonja lebt nun in Berlin, ist Schauspielerin geworden, sehr erfolgreich, ein Fernsehstar mit Anfang dreißig. In ihren noch jungen Jahren hat sie viel erreicht – doch etwas scheint ihrem Leben zu fehlen. Sie hält zu den Menschen Distanz, wie um sich zu schützen. Sie durchlebt Phasen von Traurigkeit und wirkt außerhalb ihrer Arbeit und Professionalität immer ein wenig verloren. Heimatlos. Ihre Schwester Verena, etwas älter, hat das Dorf nicht verlassen. Nach dem Unfalltod der Mutter lebt sie mit Mann und Kind in ihrem Elternhaus, das nun viel zu groß ist für die wenigen Bewohner. Doch Verena ist nicht so genügsam, wie es scheint. In ihrer heimlichen Liebesaffäre mit dem Arzt der Gegend zeigt sich ungelebte Leidenschaft, Sehnsucht nach einem anderen Leben. Und auch der Vater der beiden Schwestern lebt in dem großen Haus. Ein alt und mürrisch gewordener Patriarch. Seine Frau gestorben, das Gasthaus seitdem stillgelegt. Es ist Herbst, ein schöner Oktober, die Blätter am Baum hinter dem Haus sind schon bunt verfärbt, als ihn ein schwerer Herzinfarkt in Todesnähe und die beiden Schwestern einander näherbringt, was alte Konflikte heraufbeschwört. Nach seinem Oscar-nominierten Thriller »Revanche« liefert Götz Spielmann erneut ein spannendes Familiendrama, das zentrale Fragen nach Identität, Lebensträumen und Alltagsrealitäten aufwirft.
Oktober November: ab 12.6., Passage
Die Filmtermine der Woche
KlangKino
Die sechste Ausgabe des KlangKinos entführt uns tief in die Filmgeschichte. Gezeigt wird der Stummfilm »Der Golem« von Paul Wegener und Carl Boese aus dem Jahr 1920 mit musikalischer Begleitung. Der Eintritt ist wie immer frei.
14.6., 19 Uhr, Cineding
Die andere Seite des Regenbogens
Der Film (D 2010, R: Thomas Bartels) beschäftigt sich kritisch mit der Gefahr der Kommerzialisierung der CSD-Paraden und zeigt am Beispiel des Transgenialen CSD in Berlin eine Alternative auf. Außerdem gewähren vier Individuen intime Einblicke in ihr Leben.
12.6., 19 Uhr, Kinobar Prager Frühling
Filmvorführungen im Rahmen von f/stop – 6. Festival für Fotografie Leipzig
Vom Ich zum Wir – Über das Leben in der Brigade. Originalfilme aus den DDR-Betriebsfilmstudios mit Gespräch: Stefan Gööck, Emanuel Mathias: 12.6., 18 Uhr
New York remains in my head (1992-2012): Filmpräsentation mit Cristina Moreno García): 14.6., 18 Uhr
jeweils Luro-Kino in der Spinnerei, Eintritt frei
Psychoanalyse trifft Film: Die Wohnung
Gerda Goldfinger lebte über 70 Jahre mit ihrem Ehemann in einer Wohnung in Tel Aviv, ohne jemals etwas wegzuschmeißen. Kurz nach dem Tod der vielfachen Großmutter kommt ihre Familie zusammen, um den Besitz aufzulösen. Die Wohnung birgt einen riesigen Fundus an alten Bildern und Briefen, welche von einer Vergangenheit erzählen, die die Anwesenden nicht kannten und niemals vermutet hätten. Gemeinsam mit seiner Mutter macht sich Gerdas Enkel, der Filmemacher Arnon Goldfinger, an die Arbeit und durchsucht den Nachlass seiner Großeltern. Dabei fallen ihm Dokumente in die Hände, die darauf hindeuten, dass seine Großeltern mit dem SS-Kommandanten Baron Leopold von Mildenstein und dessen Frau in den 1930er Jahren Palästina bereist haben und auch nach Kriegsende noch engen Kontakt hielten.
13.6., 19 Uhr, Passage Kinos mit anschließender psychoanalytischer Betrachtung durch Dagmar Völker
Enjoy the Music – Die Pianistin Edith Kraus
Porträt der weltbekannten Pianistin und einer Jahrhundertzeugin. Ein Blick von großer Klarheit in die Weiten der eigenen Erinnerungen. Edith Kraus wurde im Mai 2013 in Jerusalem 100 Jahre alt.
15.6., 17 Uhr, Kinobar Prager Frühling
Wege zum Ruhm
Kriegsjahr 1916: Französische Soldaten sollen eine deutsche Stellung stürmen. Tausende sterben, die Überlebenden weichen zurück. General Mireau stellt willkürlich drei Soldaten wegen »Feigheit vor dem Feind« vor das Kriegsgericht. Einzig Colonel Dax steht zu seinen Männern. Kluge, provokante Analyse über subtile Abhängigkeiten innerhalb der Militärhierarchie.
16.6., 19 Uhr, Zeitgeschichtliches Forum (USA 1957, R: Stanley Kubrick)
The Price of Sex
Das Leben junger Frauen aus Osteuropa, die in die Ausbeutung und den Missbrauch der Sexsklaverei hineingezogen wurden. Intim, erschütternd und aufschlussreich erzählt die Dokumentation (USA/UAE/TK 2011, R: Mimi Chakarova, OmeU) die Geschichten junger Frauen, die durch Scham, Furcht und Gewalt zum Schweigen gebracht hätten werden sollen.
17.6., 19 Uhr, Cinémathèque in der naTo, mit Filmgespräch