Der Fußballzirkus neigt sich dem Ende zu und damit wächst die Startliste wieder auf Normalzustand. Acht Filme laufen in dieser Woche in den Leipziger Kinos an. Darunter die Musik-Doku »Mistaken for Strangers«, der Low-Budget-Thriller »The Signal«, das herzerwärmende Drama »Der wundersame Katzenfisch« und die wunderbar absurde Reise des T.S. Spivet in »Die Karte meiner Träume«. Genügend Gründe also, mal wieder ins Kino zu gehen. Über 200 davon gibt es noch bis Samstag in Karlovy Vary – das ist die Zahl der Vorstellungen, die in den kommenden Tagen über die Leinwände der schönen Stadt flimmern werden. Wir berichten von unseren Festival-Highlights und den Preisträgern auf kreuzer-leipzig.de und wünschen euch bis dahin viel Vergnügen im Kino – ob in Leipzig oder wo immer ihr gute Filme seht!
Film der Woche: T.S. wächst in Montana als Sohn eines Schafzüchters und einer Insektenforscherin auf. Während sein Bruder Layton ganz dem Cowboy-Ideal des Vaters entspricht, erbte der schmächtige T.S. die Neugier seiner Mutter. Die Schwester im Teenageralter nervt mit ihren Träumen von einer Karriere im Showbiz. Sein Forscherdrang bringt T.S. eines Tages eine Einladung ins Smithsonian Museum ein. Dort soll er den prestigeträchtigen Baird-Preis entgegennehmen. Doch die Stiftung weiß nicht, dass ein Kind am anderen Ende der Leitung steckt und lädt ihn nach Washington ein. T.S. macht sich auf die Reise und muss sich zwischen dem Weg der Lüge und dem der Wahrheit entscheiden und sich unterwegs einigen Ängsten und Zweifeln stellen. Mit der gewohnten visuellen Verspieltheit, in 3D und satten Farben erzählt Jean Pierre Jeunet sein charmantes Road Movie, das gesäumt ist von allerlei kuriosen Gestalten. Ausführliche Kritik im aktuellen kreuzer.
»Die Karte meiner Träume«: ab 10.7., Passage (2D), CineStar (3D), ab 31.7., Kinobar Prager Frühling (2D)
Der kreuzer verlost drei Exemplare der Romanvorlage aus dem S. Fischer-Verlag. E-Mail mit dem Betreff »Die Karte meiner Träume« an film@kreuzer-leipzig.de
Der junge Armando lebt mit seinen drei großen Schwestern und seiner Mutter Martha in einer engen Wohnung im mexikanischen Guadalajara. Die AIDS-Erkrankung der Mutter bestimmt den Alltag der Geschwister. Immer wieder muss Martha für langwierige Untersuchungen ins Krankenhaus gebracht werden. An einem schicksalhaften Tag landet dort auch Claudia, die mit einer Blinddarmentzündung ins Hospital eingeliefert wird. Die schüchterne junge Frau freundet sich mit ihrer Bettnachbarin Martha an, und beginnt daraufhin, sich um sie und deren Kinder zu kümmern. Claudia hält Wache im Krankenhaus, bringt die Jüngsten zur Schule und hat für die älteren Schwestern ein offenes Ohr bei Liebeskummer. Obwohl Claudia von Anfang an in das Leben der Geschwister einbezogen wird, wirkt sie zunächst aber noch wie ein Fremdkörper. Erst bei einem gemeinsamen Urlaub wird ihr langsam klar, dass sie da in etwas hineingeraten ist, was sie so noch nicht kannte: Familie. Ausführliche Kritik im aktuellen kreuzer.
»Der wundersame Katzenfisch«: ab 10.7., Schaubühne, ab 26.7., Cinémathèque
Mit einer absoluten Verweigerungshaltung ausgestattet, kehrt die junge Aziza nach Berlin zurück zu ihrer Mutter. Auf das Praktikum beim Vater, der in Portugal lebt, hatte sie keine Lust mehr. Die Mutter in Berlin hat längst Azizas Zimmer an den neuseeländischen Lebenskünstler Zach untervermietet und ist nicht so ganz erfreut, als das erwachsene Kind wieder in der elterlichen Küche steht. Sie wollte sich doch endlich mal selbst verwirklichen. Mit einem Film im Film begegnet Regisseur Stephan Geene in seinem Spielfilmexperiment »Umsonst« dem internationalen Freiheitsflair der deutschen Hauptstadt – und der Titel ist hier Programm und Botschaft zugleich. Geene ist mit »Umsonst« ein charmantes Berlinfilmchen gelungen, das eine treffende Zustandsbeschreibung über das heutige Kreuzberg und Neukölln abliefert und äußerst gekonnt im Epilog, wenn die Geschichte noch einmal eine spannende Wendung nimmt, seinen Titel zum Programm macht. Ausführliche Kritik im aktuellen kreuzer.
»Umsonst«: ab 10.7., Cineding
Matt Berninger ist Leadsänger der schwer erfolgreichen Indie-Rockband The National: berühmt, begehrt und verdammt angesagt. Sein Bruder Tom ist Amateur-Horrorfilmer, findet Indie-Rock eine ziemliche Angeberei und würde in jedem Fall Heavy Metal vorziehen. Doch begeistert sind beide von der Idee, Tom könne die High Violet-Tour von The National begleiten und einen abgefahrenen Dokumentarfilm über die Band drehen. Eine Gelegenheit für die Brüder, sich mit ihrer Kreativität und ihren Ambitionen gegenseitig zu inspirieren. Wenn da nicht Toms gepflegter Chaotismus wäre und das schleichende Gefühl, trotz Splatter-Ästhetik irgendwie im Schatten des Bruders zu stehen. In das kühle Understatement der Band führt Tom zwar eine wunderbare Rotzigkeit ein. Doch er verliert sein eigentliches Vorhaben bald aus dem Blick, feiert die Nächte durch, versinkt im Chaos – und geht der Band gehörig auf die Nerven. Schließlich wird Tom gefeuert und muss versuchen, aus dem Durcheinander der letzten Monate so etwas wie einen Film zu machen. Sicher, der Zuschauer weiß am Ende nicht, wie viel Selbstinszenierung darin steckt. Schließlich liegen die Dreharbeiten bereits drei Jahre zurück und es ist zu vermuten, dass hier eine für alle annehmbare Schnittfassung vorliegt. Aber das Ergebnis ist dennoch ein entlarvender, angenehm selbstironischer Blick hinter die Kulissen des Rock-Circus. Wer die Musik der Band aus New York schätzt, darf sich umso mehr auf einen Kinobesuch freuen.
»Mistaken for Strangers«: ab 10.7., Passage
Der kreuzer verlost ein Exemplar des aktuellen The National-Albums »Trouble Will Find Me« auf CD. E-Mail mit dem Betreff »The National« an film@kreuzer-leipzig.de
Die Collegestudenten und Computerfreaks Nic (Brenton Thwaites) und Jonah (Beau Knapp) sind gemeinsam mit Nics Freundin Haley (Olivia Cooke) auf einem Trip durch den Südwesten der USA, als sie ein Signal ihres geheimnisvollen Hacker-Rivalen Nomad aufspüren. Ihre Suche führt sie in eine abgelegene, einsame Gegend Nevadas. In einem verfallenen Haus mitten im Nirgendwo glauben sie, Nomad gefunden zu haben, doch plötzlich wird Haley entführt und Jonah und Nic verlieren das Bewusstsein. Als Nic erwacht, befindet er sich offenbar in einem von der Außenwelt isolierten Forschungslabor. Er weiß nicht, was mit seinen Freunden passiert ist und muss sich den unangenehmen Fragen eines mysteriösen Mannes (Laurence Fishburne) stellen. Was zuerst wie eine Verwechslung aussieht, wird für die drei Freunde schnell zu einem ausgewachsenen Albtraum. SciFi-Independent-Hit frisch aus Sundance. Sicher, die Story um eine Gruppe von Freunden auf den Spuren eines legendären Hackers gibt auch eine gute »Akte X«-Folge ab. Aber wie schon bei seinem philosophischen Debüt »Love« punktet William Eubank mit seinem visuellen Stil. Für ein Budget von gerade mal 4 Mio. Dollar schlicht beeindruckend. Wirkt als wenn Kubrick und Lynch ein Kind hätten – erfüllt vielleicht nicht ganz die großen Erwartungen, die DNA ist aber unverkennbar.
»The Signal«: ab 10.7., CineStar
Der kreuzer verlost 3 Freikarten. E-Mail mit dem Betreff »The Signal« an film@kreuzer-leipzig.de
Gehen zwei Filmmacher auf Crowdfunding: Die Idee dieser Dokumentation ist bestechend. Regisseur James Toback und Alec Baldwin reisen nach Cannes, um Teilnehmern der dortigen Entourage das Angebot zu unterbreiten, ihren neuesten Film finanziell zu unterstützen. Den Plot umreißen sie als romantisches, im Nahen Osten angesiedeltes Politdrama. Beim Klinkenputzen gelingen ihnen Nah- und Momentaufnahmen in ein Business, wo es eben auch nur um Business geht. Der Film verschafft originelle Einblicke in die Malaise des Kulturbetriebs, weil seine Macher sich erdreisten, auf einem Filmfestival das einzig Logische zu tun: dort wandelnde Berühmtheiten nach Filmförderung zu fragen. Für Cineasten bietet er zudem Hintergrundeindrücke ins Filmgeschäft jenseits der obligatorisch gewordenen Making-ofs. Ausführliche Kritik im aktuellen kreuzer.
»Verführt und verlassen«: ab 12.7., Kinobar Prager Frühling