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Konzertkritik

Sind wir jetzt blind?

Dean Blunt vernebelte einem die Sinne

  Sind wir jetzt blind? | Dean Blunt vernebelte einem die Sinne

Donnerstagabend im Schauspielhaus spielte der Musiker und Soundkünstler Dean Blunt ein Konzert, bei dem man hätte verrückt werden können. Zum Glück ging es nur eine Stunde.

Nichts. Nur Nebel. Alles liegt im blauen Dunst. Man kann nur erahnen, wo die Bühne ist. Ob jemand draufsteht, keine Ahnung. Aus den Boxen tönt Wasserrauschen. Ein paar Menschen sitzen auf dem Boden der Baustelle des Schaupielhauses, andere stehen, ihre Köpfe schemenhaft, ihre Körper nur Silhouetten. Ein Saxofon setzt ein. Dean Blunt ist da. Es werde Licht. Zumindest ein bisschen. Man sieht nicht viel von ihm außer dem leuchtenden Markenzeichen seines Basecaps. Aber man hört ihn und seine Stimme, wie sie rappt. So ganz langsam rappt. Hinter ihm ein Typ mit verschränkten Armen. Er wird die ganze Zeit da stehen und sich nicht bewegen. So wie man selbst nicht weiß, was man zu dieser Musik machen soll. Sitzen, tanzen, mit dem Kopf nicken, weinen? Alles möglich. Dean Blunt singt derweil darüber, dass er versucht, dich zu vergessen. Du vergisst dich auch.

»The Redeemer« heißt das Album von dem Londoner, der auch mal Teil des Duos Hype Williams gewesen ist. Der Hype ist geblieben. Gut besucht zumindest das Konzert, das immer mehr zu einer gemeinsamen Sinneserfahrung wird, die jeder für sich ausmachen muss. Wieder Nebel. Wieder Wasserrauschen. Dazwischen eine Frauenstimme vom Band. Es wird immer dunkler. Irgendwo da vorne spielt ein Mädchen E-Gitarre, Drums sind zu hören, Klavier, Dub und folky Melodien, Frauengesang, komische nicht zuzuordnende Geräusche. Für so was hier wurde wohl das Wort Soundcollage erfunden. Man sieht langsam gar nichts mehr. Und dann bämm! Stroboskoplicht voll in die Fresse. Sind wir jetzt blind? Dunkel, hell, dunkel, hell, es ist zum Verrücktwerden. Jemand verlässt den Raum, weil er denkt, er fällt sonst gleich in Ohnmacht. Andere senken die Köpfe, schließen die Augen, bloß nicht noch mehr grelles Licht. Einige tanzen. Ist das hier Folter oder ein Rausch? Zwei Mädchen lachen laut darüber, weil ihre Bewegungen so aussehen, als seien sie extrem verschoben. Extrem verschoben auch die eigene Wahrnehmung, obwohl man jetzt voll und ganz da ist. Hier und bei Dean Blunt. Plötzlich Schluss. Kein Strobo mehr, keine Musik mehr, ist noch jemand auf der Bühne? Kurzer verschüchterter Applaus. Das wars. Was war das denn?


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