Der Fußball war schuld. Beziehungsweise die Nachfrage nach Übertragungsmöglichkeiten. Die waren zwar ohnehin eingeplant worden, aber dass so viele das Endspiel sehen wollten, zwang die Festivalmacher zu Programmänderungen auf den letzten Drücker. Eigentlich sollte es auf der Hauptbühne Live-Musik geben, doch Cro hat nach kreuzer-Informationen darauf gedrängt, erst das WM-Endspiel abzuwarten.
Daraufhin lief fast überall Fußball, nachdem Eko Fresh einen sehr soliden Auftritt absolviert und die Liebhaber des Westcoast-Sounds der frühen Zehnerjahre mit YG einen Protagonisten desselben erlebt hatten, der aus aktuellem Anlass ein Podolski-Shirt trug.
Keine Nahaufnahmen vom Panda
Cro bekam so in letzter Minute die Rolle des Hauptacts vor dem finalen Feuerwerk, denn er spielte in der Nacht zum Montag, nachdem Wiz Khalifa fertig war. Der trat in Hochwasserhosen auf, wie sie auch Michael Jackson gern trug, und hatte nicht viel zu tun, denn die Feierlaune nach dem Sieg der deutschen Fußballer war noch fangfrisch. Maskenmann Cro hielt sich die Bildjournalisten vom Leibe. Den Fotografen wurde untersagt, Bilder aus dem Graben zu machen. Nur solche Fotos waren erlaubt, die die Fans hundertfach an ihren Telefonen abspeichern. Am Ende hatte Cro deutlich weniger Zuhörer als Vorgänger Khalifa.
Deutsche Dominanz nicht nur fußballerisch
Viel weniger Zuschauer hatte am Samstag auch das kleine Fußballfinale: Etwa 50 hart gesottene Ballsportanhänger gaben sich den Sieg der Niederlande über Brasilien. Derweil trat A$AP-Mob-Mitglied Ferg gegen Kollegah an. Der in Übersee angesagte Amerikaner machte richtig Party, aber die Massen zog es zu Kollegah auf der Hauptbühne. Er stand für die Dominanz deutscher Rapper, die seit Monaten auch in den Albumcharts zu beobachten ist. Mit Kollegah bekam das Splash seine politische Komponente: Der Kollege thematisierte die Spirale der Gewalt in Nahost und kündigte an, seine komplette Gage – so wörtlich – in den Nahen Osten zu spenden. Wer genau sich über eine Überweisung im fünfstelligen Bereich von Cros Bank freuen darf, ist nicht bekannt. Nun hat Kollegah gelernt zu provozieren, er spielt mit Reizworten und Images. Zuletzt protestierte die DGB-Jugend gegen seine Lyrics, bei den jungen Nichtmitgliedern der Gewerkschaft macht ihn das nur noch mehr sexy.
Greatest Hits Revue aus Down South
OutKast gastierten bereits auf dem Splash und daher war die von Big Boi und Dre moderierte Hitparade nur für Festivalneulinge eine Überraschung, die routiniert abgespult wurde. Die Männer aus Georgia wunderten sich noch, dass sie auf einem Stadtspaziergang in Sachsen-Anhalt keine Schwarzen gesehen haben – nun, in Idaho und Wyoming würde es ihnen vermutlich ähnlich ergehen. Freitag war der Tag der Ausreißer im Programm. Mit M.I.A. kuratierte die Festivalleitung einen Act, der stark von Bassmusik geprägt ist. Die Sängerin im goldenen Kostüm brannte ein Feuerwerk aus Bhangra, Dub und Booty av, wobei sie statt Miami Bass mehr die brasilianische Spielart zitierte, die in dem südamerikanischen Land »Funk« genannt wird. M.I.A. übernahm den künstlerisch wertvolleren Part, den 2013 John Legend und 2012 Janelle Monae hatten. Künstlerisch wertvoll – dieses Prädikat gilt zweifelsohne für das Bühnenbild von 5 Sterne Deluxe. Die Rapsenioren aus dem Norden hatten mit Liebe zum Detail eine Bar mit Hockern, Flaschen und Gläsern nachgebaut, das hatte Stil. Vor ihnen war ein waschechter Bühnenarbeiter zugange: Mit Morlockk Dilemma war Leipzig gut vertreten, bei dem Mann floss echter Schweiß, er verausgabte sich on stage wie der »Joe Cocker des Rap«.
Marteria statt Pharrell
Wenn viele Menschen auf engem Raum zusammen sind und einige Jungs zuviel getrunken haben, gibt es hin und wieder Konflikte. Ein Ordner, der wiederholt Dienst als »Guard« beim Splash schiebt, sagte mir, er habe mehr Rangeleien als sonst beobachtet. Größere Streitigkeiten blieben aus, auch wenn ab und zu der Arzt kommen musste. Einmal landete sogar der Rettungshubschrauber, weil ein Mensch bei einer Verpuffung auf dem Campingplatz verletzt wurde und in der Klinik weiterbehandelt werden musste. Ansonsten haben zwanzigtausend Menschen ein langes Wochenende friedlich gefeiert – sich selbst und mit anderen, sehen und gesehen werden war nicht weniger wichtig. Auch wenn die Phrase gedroschen ist – es war auch 2014 für jeden etwas dabei. Die Macher konnten zwar nicht mit Rick Ross und Pharrell aufwarten. Dafür setzten sie mit Überraschungsgästen wie Marteria sympathische Akzente. Vom Baltic Soul Weekender könnte man für das kommende Splash 2015 die Fannähe übernehmen. Bei dem exquisiten Black Music-Festival in der Bispinger Heide geben die meisten Musiker Autogrammstunden. Wenn Archie Bell und D-Train das können, dann könnten OutKast das auch. Afrob hat in diesem Jahr bereits Nähe demonstriert, denn ein Sponsor hatte eine einstündige Fotosession organisiert. Ob mit oder ohne Small Talk – das Jugendfest mit den metallenen Zeugen wird 2015 den Begriff »Hiphop« vermutlich wieder füllen und gleichzeitig weit dehnen.