Die Kinoweisheit für diese Woche: Im Windschatten eines Blockbusters läuft nix. Nun ja, stimmt nicht ganz. Es läuft schon eine ganze Menge an, nur eben kaum Gutes – scheinbar. Gut, der mittelprächtige »Hercules« wird durchaus zu Recht ebenso verheizt wie »Erlöse uns von dem Bösen«. »Mit ganzer Kraft« versucht seine Zuschauer derweil im älteren Semester zu akquirieren, wäre aber auch für alle u60 sehenswert. Die Kinder möchte man mit »Lola auf der Erbse« abholen und auch hier ist es dem Film zu wünschen, dass die Eltern nicht eine Märchenverfilmung hinter dem Titel vermuten. Klares Kalkül auch bei »Mr. May und das Flüstern der Ewigkeit«, der gerade mal zwei Wochen nach »Madame Mallory und der Duft von Curry« und ein Monat nach »Hectors Reise oder Die Suche nach dem Glück« anläuft und mal wieder den Hang deutscher Verleiher zu exorbitanten Titeln beweist. Je länger, desto erfolgreicher ist die Devise. Im Original heißt der wundervoll-stille Film übrigens schlicht »Still Life«. Weniger geschwätzige Kinostunden wünscht der kreuzer.
Der »funeral officer« ist im britischen Königreich dafür verantwortlich, die Hinterbliebenen eines Verstorbenen ausfindig zu machen und vom Ableben ihres Familienmitglieds zu unterrichten. Es braucht also schon einen ausgewiesenen Melancholiker für einen solchen Job. John May (Eddie Marsan) ist ein solcher. Einsam steht er am Grab Verstorbener, zu deren Beerdigung niemand kommen will. Still, zurückhaltend und einfühlsam – er ist ein Einzelgänger, den niemand wirklich wahrnimmt. Leider weiß auch kaum jemand seine Leistung zu schätzen und so ist es für seinen Vorgesetzten nur eine Formalität, Johns Stelle wegzurationalisieren. Für den peniblen Perfektionisten ist es allerdings von großer Wichtigkeit, zumindest seine aktuelle Akte noch zufriedenstellend abzuschließen. So kreuzt sich sein Weg mit dem von Kelly (Joanne Froggatt), der Tochter eines verstorbenen Alkoholikers. Mit ihrer Hilfe versucht Mr. May das Leben ihres Vaters zusammenzupuzzeln und sein eigenes dabei in den Griff zu bekommen.
Der Italiener Uberto Pasolini inszenierte diese leise Geschichte mit einem guten Auge fürs Detail und wurde dafür beim Filmfestival in Venedig gleich mit vier Preisen bedacht. Eddie Marsan glänzt als akribischer Puzzlemeister. Ausführliche Kritik im aktuellen kreuzer.
»Mr. May und das Flüstern der Ewigkeit«: ab 4.9., Passage Kinos
Julien träumt wie alle Teenager davon, spannende Abenteuer zu erleben. Er sitzt zwar im Rollstuhl, weshalb seine Träume nur schwer zu erfüllen sind, doch der 17-Jährige will sich davon keineswegs abhalten lassen. Eines Tages meldet er sich für den »Ironman«-Wettbewerb in Nizza an – ein schwieriger Triathlon, bei dem er die Unterstützung seiner ganzen Familie benötigt. Nicht zuletzt geht es Julien darum, das Verhältnis zu seinem arbeitslosen Vater Paul (Jacques Gamblin) wieder zu verbessern, einem früheren Leichtathleten, der zunächst nicht an das gemeinsame Vorhaben glaubt. Allerdings bleibt der willensstarke Julien hartnäckig. Und so bewältigen die beiden schließlich zusammen alle drei Disziplinen (Radfahren, Laufen, Schwimmen). Darüber hinaus nutzt Paul die Gelegenheit, an seiner Ehe mit Claire (Alexandra Lamy) zu arbeiten. »Mit ganzer Kraft« richtet sich mit seinem klebrigen Marketing und dem Untertitel »Hürden gibt es nur im Kopf« vor allem an die kitschresistente ältere Generation der Kinogänger – zu Unrecht: Regisseur Nils Tavernier erzählt eine berührende Vater-Sohn-Geschichte mit zwei herausragenden Hauptdarstellern.
»Mit ganzer Kraft«: ab 4.9., Passage Kinos
Eigentlich könnte Lolas Welt ziemlich in Ordnung sein: Sie ist elf Jahre alt und lebt mit ihrer Mutter Loretta auf dem alten, aber wunderschönen Hausboot »Erbse«. Doch seit sich ihr Vater vor zwei Jahren »in Luft aufgelöst« hat, ist Lola immer mehr zur Außenseiterin geworden. Ständig gibt es Ärger. Zu allem Überfluss passiert dann auch noch das Unfassbare – ihre Mutter hat einen neuen Freund! Er heißt Kurt, ist Tierarzt und dummerweise ziemlich nett. Aber einen Papa kann man nicht einfach auswechseln und so tut Lola alles, um die beiden auseinanderzubringen. Turbulenter, manchmal etwas überdrehter, aber doch liebenswerter Kinderfilm mit überzeugenden Kinderdarstellern und Christiane Paul und Tobias Oertel als die »Großen«.
»Lola auf der Erbse«: ab 4.9., Passage Kinos
Der legendäre Hercules (Dwayne Johnson) führt seine Söldner und die Armee von König Cotys (John Hurt) in die Schlacht um Thrakien. Sie wollen das Reich vom teuflischen Centaur Rhesus (Tobias Santelmann) befreien, der das Land in einem blutigen Bürgerkrieg in Schutt und Asche gelegt hat. Ihr Ziel: den rechtmäßigen Throninhaber Cotys wieder an die Macht bringen. Doch Hercules, halb Mensch, halb Gott, ahnt nicht, dass Cotys ein doppeltes Spiel mit ihm treibt. Sein größter Kampf, der alles von ihm fordern und seine sagenumwobenen Fähigkeiten auf die Probe stellen wird, steht unmittelbar bevor. Neuauflage des bekannten griechischen Sandalen-Epos von Brett Ratner (»Rush Hour«, »X-Men – Der letzte Widerstand«) mit Dwayne »The Rock« Johnson als Schwertschwinger. 3-D-Brille auf, Hirn aus, Spaß an.
»Hercules«: ab 4.9., CineStar, Cineplex, Regina
Die Filmtermine der Woche
Geschichten hinter vergessenen Mauern Teil 3: Abschied
Lost Places in Leipzig – Der Filmemacher Enno Seifried zeigt imposante Bauwerke, die seit dem 20. Jahrhundert leer stehen. Abschluss der Trilogie. Im Rahmen der GlobaLE; im Anschluss Diskussion mit dem Filmemacher.
4.9., 20 Uhr, Clara-Park/Nähe Glashaus
In 80 Tagen um die Film(Welt) – Teil 3
Die Programmvideothek Memento begibt sich wieder auf die Reise durch die Regiewand mit Stationen bei Ozon, Haynes, Sirk und Fassbinder. Vortrag von Claudia Cornelius und Überraschungsfilm.
4.9., 20.15 Uhr, Memento
Jack in Love – Jack Goes Boating
Jack ist ein liebenswerter Einzelgänger, der einfach kein Glück mit Frauen hat. Bis er auf Connie trifft und sich eine charmante, ungewöhnliche Romanze entspinnt. Sympathisches Regiedebüt des Schauspielers Philip Seymour Hoffman. Im Rahmen der Philip-Seymour-Hoffman-Retrospektive mit einer Einführung von Kristin Wolter, in OmU.
4.9., 20.30 Uhr, Cinémathèque in der naTo
Go with le Flo – Film und Konzert
Das aus Los Angeles stammende Künstlerehepaar Robyn Rosenkrantz und Michael Glover war unter dem Namen Bright Blue Gorilla und mit wunderbar schräger Filmkunst im Gepäck bereits einige Male zu Gast im LURU. Am 6. September spielen sie endlich wieder live auf der Spinnerei und bereits am Tag davor präsentieren sie ihr neuestes Werk »Go with le Flo« persönlich im Open-Air-Kino auf dem Spinnereigelände.
5./6.9., 20 Uhr, LURU-Kino in der Spinnerei
Blood in the Mobile
Wir lieben unsere Handys und die Auswahl zwischen verschiedensten Modellen ist so groß wie nie zuvor. Aber die Herstellung der Handys hat eine dunkle, blutige Seite. Im Rahmen der GlobaLE.
5.9., 20 Uhr, Universität Leipzig
Der Fremde
1935: Im von Frankreich besetzten Algerien wird ein Einheimischer am Strand ermordet. Ein Franzose, der Zeit seines Lebens in Algerien gelebt hat, wird festgenommen, weil er der Täter sein soll. Seltene Aufführung der Romanadaption von Albert Camus durch Luchino Visconti von 1967 mit Marcello Mastroianni und Anna Karina. Im Rahmen der Akkumulatornacht »Das große Sisyphos-Theater«.
5./6., 9.–11.9., Schaubühne Lindenfels
Besser anders – Leipziger Subkulturen zwischen Rebellion und Anpassung
15 bekannte Leipziger Szenekenner, Musiker und Künstler stöbern in ihren Erinnerungen an vergangene Subkulturen in Leipzig. Eine Zeitreise, die sich auf Musik als Identifikationsquelle und als Medium für Gesellschaftskritik und künstlerischen Freigeist fokussiert. Dokumentarfilm von Doris Schneider und Sebastian Hirsch.
8.9., 19 Uhr, Zeitgeschichtliches Forum
Lügen und andere Wahrheiten
Prominent besetzter Ensemblefilm zum Thema Lügen und ihre Folgen, der inhaltlich aber nicht überzeugen kann. Premiere in Anwesenheit der Regisseurin Vanessa Jopp.
10.9., 20 Uhr, Passage Kinos