Die Retrospektive in der Cinémathèque hat es ja bereits unterstrichen, aber man kann es nicht oft genug betonen: Philip Seymour Hoffman war einer der ganz Großen. Davon kann man sich in dieser Woche ein letztes Mal auf der Leinwand überzeugen. In seiner finalen Hauptrolle in Anton Corbijns »A Most Wanted Man« bekommt man noch einmal einen Eindruck von der Versiertheit, mit der sich Hoffman seine Figuren einverleibte. Im Herbst sehen wir ihn noch als Plutarch Heavensbee im letzten Teil der »Hunger Games«. Danach führt der Weg in seiner Filmografie nur noch zurück. Er wird uns fehlen.
Unterdessen stimmt David Cronenberg einen ätzenden Abgesang auf Hollywood an, die Filmkunstmesse versammelt Branche und Publikum in den Leipziger Kinos und die Reihe Experimentalfilm bringt spannende Filmkunst ins Luru.
Film der Woche: Die Ereignisse vom 11. September 2001 haben eine Schockwelle ausgelöst, die auch 13 Jahre später noch spürbar ist. Die Täter kamen auch aus Deutschland, aus jener Hamburger Terrorzelle um Mohammed Atta. Der Bestsellerautor John Le Carré beschreibt in seinem fiktiven Roman »A Most Wanted Man« die Arbeit einer geheimen deutschen Antiterroreinheit. Anton Corbijn setzte den Spionagethriller nun für die Leinwand um.
Der tschetschenische Moslem Isaa Karpov (Grigoriy Dobrygin) flüchtet aus einem russischen Gefängnis nach Hamburg und findet Zuflucht in der islamischen Gemeinde. Er will an das Vermögen seines Vaters, der ein ranghoher General in der russischen Armee war. Die Menschenrechtsanwältin Annabel Richter (Rachel McAdams) hilft ihm und stellt den Kontakt zu dem Privatbankier Tommy Brue (Willem Dafoe) her, der das Vermögen verwaltet. Beobachtet werden sie dabei von Günther Bachmann (Philip Seymour Hoffman), dem Leiter der geheimen deutschen Spionageeinheit, ein stiller Zyniker mit Alkoholproblemen. Er soll herausfinden, ob das Geld für Terroranschläge vorgesehen ist, findet sich jedoch bald als Figur in einem Schachspiel seiner Vorgesetzten wieder.
Corbijn schlägt einen ruhigen Ton an. Dieser Spion ist kein Bond, die dichte Atmosphäre in entsättigten Farben entspricht eher dem meisterhaften »Dame König As Spion«, der ebenfalls auf einem Roman von Le Carré basiert. Im Herzen dieses intelligent verwobenen Thrillers steht der große Philip Seymour Hoffman. Sein zurückhaltendes Charakterspiel lässt die schmerzhafte Erkenntnis zurück, dass es einen Schauspieler seines Formats nicht wieder geben wird. Ausführliche Kritik im aktuellen kreuzer.
»A Most Wanted Man«: ab 11.9., Passage Kinos
Havanna Segrand (Julianne Moore), eine in die Bedeutungslosigkeit versinkende Schauspielerin, will unbedingt die Rolle ihrer Mutter – ehemals Star des klassischen Hollywoodkinos – spielen, der 13-jährige Teeniestar Benji Weiss (Evan Bird) spuckt immerfort gravitätische, giftige Sätze aus, seine von der Familie verstoßene Schwester Agatha Weiss (Mia Wasikowska) taucht wieder auf und versucht verzweifelt, das Leben ihrer Eltern nachzuahmen. Die Figuren werden sauer zersetzt vom sarkastischen Drehbuch, sind von Anfang an boshaft witzige Klischees, sie unterliegen keinerlei Charakterentwicklung, die Dialoge sind streckenweise befremdlich bis grotesk. Das alles gehört natürlich zum Prinzip eines Films, der Oberflächlichkeit beschreiben möchte. Zwischen absurder Farce und ödipal aufgeladenem Psychodrama hin und her pendelnd, entzieht sich »Maps to the Stars« gängigen Genrekategorisierungen und entpuppt sich als perfide, ins Surreale driftende Familienaufstellung, die Hollywood eiskalt einen zerbrochenen Spiegel vorhält. Großartig. Ausführliche Kritik von Stephan Langer im aktuellen kreuzer.
»Maps to the Stars«: ab 11.9., Passage Kinos
Die Gründe sind ebenso vielfältig wie die Aktivisten und ihre Aktionen selbst, die es in dem mit dem Cinema For Peace Award 2014 ausgezeichneten Dokumentarfilm »Everyday Rebellion« auf die Straße treibt. Eine junge Iranerin setzt sich gegen die Unterdrückung von Frauen in ihrem Heimatland ein. Ein arbeitsloser Computertechniker aus Spanien, der von Zwangsräumung bedroht ist, schließt sich den sogenannten »Indignados« an. Die Ukrainerin Inna Shevchenko ist Femen-Mitglied und muss nach einer Aktion nach Paris flüchten. Ein syrischer Aktivist beschriftet Tischtennisbälle mit Slogans und lässt sie durch die Straßen von Damaskus hopsen. Der Blick der Filmemacher Arash T. und Arman T. Riahi führt einmal um den Globus. Überall stellen sie den allseits bekannten Medienbildern persönliche Geschichten zur Seite. Die Filmemacher bleiben dabei in der Deckung, lassen die Bilder und die Aktivisten für sich sprechen. Nur manchmal schieben sie einen Erzähler aus dem Off über die Bilder, der im Flüsterton dem Zuschauer fast fieberhaft ins Gewissen redet. In seiner globalen Rundschau liest sich »Everyday Rebellion« vor allem als Hommage an gewaltfreien Widerstand, die mitreißt, aber mit Blick auf aktuelle Krisenherde auch viele Fragen in einen unüberschaubaren Raum wirft. Ausführliche Kritik von Eileen Reukauf im aktuellen kreuzer.
»Everyday Rebellion«: ab 11.9., Schaubühne Lindenfels
Die Filmtermine der Woche
Minifestival »Avantgarde ist keine Strömung«
Das Experimentalfilmfestival »Avantgarde ist keine Strömung IV« der »Reihe Experimentalfilm« findet vom 12. bis zum 27. September 2014 im Luru Kino (zeitgleich zum Herbstrundgang auf der Spinnerei) und in der Cinémathèque Leipzig statt.
Der Fokus liegt auf der Präsentation internationaler zeitgenössischer Künstler. Das Programm umfasst Einzelpräsentationen von Emilija Škarnulytė, Mikhail Karikis, Ute Aurand, Phillip Warnell und Anderen sowie kuratierte Filmprogramme. Einige Filmemacher werden am Eröffnungswochenende im Luru Kino zu Gast sein und ihre Werke persönlich vorstellen.
Einzelpräsentation Emilija Škarnulytė (Künstlerin anwesend): 12.9, 19 Uhr
Einzelpräsentation Phillip Warnell (OmeU, Künstler anwesend): 12.9., 21 Uhr
Einzelpräsentation Ute Aurand (Künstlerin anwesend): 13.9., 19 Uhr
»Voices from the waves – Nami no koe«: 13.9., 21 Uhr
»What if...« (internationale Experimentalfilme): 3./14.9., 14 Uhr/19 Uhr, Einzelpräsentation Mikhail Karikis
»anders, Molussien – autrement, la Molussie«: 14.9., 21 Uhr,
LURU-Kino in der Spinnerei
GlobaLE: Capitaine Thomas Sankara
Burkina Faso belegt heute den fünftletzten Platz des Human Development Index. Doch so arm war es nicht immer. 1987 versorgte das Land sich vollständig selbst mit Lebensmitteln und Waren des täglichen Bedarfs. Die Analphabetisierungsrate sank stetig und Seuchen wie Meningitis, Gelbfieber und Masern wurden mit Volksimpfungen bekämpft. All diese Erfolge sind aufs Engste mit dem Namen Thomas Sankara verbunden, dem jungen Präsidenten, der nach der Revolution 1983 an die Macht kam. Im Rahmen der GlobaLE
13.9., 20 Uhr, UT Connewitz
14. Filmkunstmesse
Mitte September trifft wieder die Branche auf das Publikum, um gemeinsam der Leidenschaft fürs Kino zu frönen. Hierzu breiten die Verleiher auch in diesem Jahr wieder einige der schmackhaftesten Spezialitäten des Kinojahrgangs vor uns aus. Neue Filme von Gilliam, Assayas und Dolan, Festivalgewinner aus Cannes, Berlin und Venedig und allerlei Prominenz füllen die Leipziger Kinos. Am Freitag gibt es den feierlichen Abschluss mit dem Gewinner des Publikumspreises im Sommerkino auf der Feinkost. Detailliertes Programm unter www.filmkunstmesse.de
15.–19.9., Passage Kinos, Kinobar Prager Frühling, Schauburg