Seit heute finden in Leipzig zum zweiten Mal die kritischen Einführungswochen an der Universität statt. Die Organisatoren kritisieren die Karriereausrichtung der regulären Einführungswochen und wollen mithilfe alternativer Themen ein Kontrastprogramm darstellen.
Marx statt Sparkasse, Antirassismus statt Unternehmensberatung, Feminismus statt Career Service: Die kritischen Einführungswochen an der Uni Leipzig bieten ein Alternativprogramm zu den klassischen Einführungswochen der Universität. Mit der Intention, die Programmatik weg von Karriereoptimierung und Vorbereitung auf das Studium zu lenken. »Stattdessen wollen wir erklären, welche Probleme es in Leipzig und an der Uni gibt und so auch politische Themen auf die Tagesordnung setzen«, erklärt Lennart, einer der Organisatoren. Verschiedene (parteilose) linkspolitische Gruppen aus Leipzig und Einzelpersonen haben dafür ein Programm ausgearbeitet, das von Antirassismus über Hochschule im Kapitalismus und die drohenden Kürzungen bis hin zu Stadtentwicklung in Leipzig und der aktuellen Gentrifizierungsdebatte reicht. In diesen Wochen kommen die verschiedenen Gruppen zusammen, um zu erklären, worum es in ihrer Arbeit geht und welche Möglichkeiten es zur Partizipation gibt.
Dabei geht es keineswegs nur um Selbstdarstellung der Gruppen. Vielmehr bieten Veranstaltungen wie die Beratung zu Minijobs oder der Workshop zur unternehmerischen Hochschule einen alternativen Blickwinkel auf die vorherrschenden Strukturen innerhalb des Studiums. Während die reguläre Einführungswoche neben sinnvollen Dingen wie Bibliothekseinführung oder Informationen zum Studienablauf ihren Fokus auch auf studentische Unternehmensberatung oder das neue Studikonto bei der campuseigenen Sparkasse legt, finden bei den kritischen Einführungswochen Diskussionen zu rechten Strukturen in Leipzig, feministischen Bewegungen, zur AfD oder zu Mieten und der neoliberalen Stadt ihren Platz und bieten so einen Blick über den universitären Tellerrand. Die Veranstaltungen werden dabei zum Teil von Studierenden geleitet, aber auch die Landtagsabgeordnete Juliane Nagel oder der Politikwissenschaftler Martin Saar beteiligen sich an dem Programm.
Täglich sind Neuankömmlinge dazu eingeladen, am Couchcafé auf dem Campus zu frühstücken, zu diskutieren und sich zu informieren. Das lockt nicht nur die Erstsemester, sondern macht auch auf ein von den Veranstaltern als zentral kritisiertes Problem aufmerksam. »Es gibt keinen studentisch verwalteten Freiraum an der Universität«, erklärt Lennart. So stießen die Forderungen danach sowie die Besetzung eines Seminarsaales im letzten Jahr bei Universitätsverwaltung und Rektorin Schücking auf Granit. »Wir möchten aber zeigen, dass man Bildung auch selbst organisieren kann, es nicht nur die hierarchische Beziehung von Dozenten und Studis gibt und es nicht nur darauf ankommt, möglichst viele Credits in möglichst kurzer Zeit zu machen.« Bei den klassischen Einführungswochen werde jedoch genau das gelehrt. Ein Auslandsstudium dient hierbei nicht primär zur persönlichen Weiterentwicklung, sondern zum Erlangen einer Schlüsselqualifikation und den damit verbundenen Credit Points. Dass die Leipziger Universität sich nach zahlreichen Kürzungen und der Abkehr vom interdisziplinären Leitgedanken in Richtung neoliberale Denkmaschinerie bewegt, ist keine neue Entwicklung. Dass aber schon Erstsemester langsam an Karriereoptimierung herangeführt werden, bewegt sich am Rande der Absurdität. Die Organisatoren der kritischen Einführungswochen hoffen, in diesem Prozess eine Gegenbewegung zu entwickeln.