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Filmkritik

Déja-vu

Die Kinostarts im Überblick und was sonst Filmisches in der Stadt geschieht

  Déja-vu | Die Kinostarts im Überblick und was sonst Filmisches in der Stadt geschieht

Die 20. Französischen Filmtage sind in vollem Gange. Bis kommenden Mittwoch werden aktuelle französischsprachige Produktionen in den Passage Kinos und in der Schaubühne Lindenfels gezeigt. Daneben gibt es kulinarische Schmankerl, liververtontes Stummfilmkino, ein spezielles Kinderfilmprogramm der Cinéfête und ausführliche Retrospektiven zum Thema Paris im Film und dem Werk von François Truffaut. Im Hauptprogramm fällt in diesem Jubiläumsjahrgang jedoch die hohe Zahl an Filmen, die bereits auf der Filmkunstmesse im September zu sehen waren, auf. Ganze sieben Produktionen, darunter auch »Mommy«, der neue Film von Xavier Dolan, der in dieser Woche auch seine Premiere in den Leipziger Kinos feiert. Immerhin sind diese Filme im französischen Originalton zu genießen. Man stellt sich aber unweigerlich die Frage, ob es nicht viel mehr französischsprachige Highlights gibt, die eine Premiere im Rahmen der Französischen Filmtagen verdient hätten. »Heute bin ich Samba« (Start: 26.2.), der neue Film des Regiegespanns Olivier Nakache und Eric Toledano, etwa oder der Cannes-Gewinner »Party Girl« von Marie Amachoukeli, Claire Burger und Samuel Theis. Die frankophilen Cineasten freuen sich derweil eben darauf, Klassiker wie »Sie küssten und sie schlugen ihn« oder »Hiroshima Mon Amour« mal wieder auf der Leinwand genießen zu dürfen und feiern 20 Jahre französisches Kinofest in Leipzig am Samstag in der Schaubühne Lindenfels. Joyeux Anniversaire!

Film der Woche: Xavier Dolan, virtuoser Meister des kontemporären Kinos, erzählt eine Geschichte, die so völlig anders ist, als jene, die er bisher erzählt hat. Im Mittelpunkt steht die Beziehung einer Mutter zu ihrem Sohn. Steve (beeindruckend: Antoine-Olivier Pilon) wuchs in einem Heim auf, nachdem sein Vater verstarb und seine junge Mutter Diane (Anne Dorval) andere Pläne hatte, die einen verhaltensauffälligen Jungen nicht beinhalten. Doch als der 15jährige unkontrollierbar und gewalttätig wird, bleibt Diane nichts anderes übrig, als ihn bei sich aufzunehmen. Die resolute Frau vermag den zügellosen Jungen zunächst halbwegs unter Kontrolle zu behalten. Doch als Steve auch seiner Mutter gegenüber handgreiflich wird, steht ihre Beziehung vor dem Aus. Da tritt die schüchterne Nachbarin in ihr Leben. Die ehelichen Probleme kanalisieren sich im Umgang mit Steve. Der ist beeindruckt und gewährt ihr allmählich Zugang zu seiner Gefühlswelt. Es entwickelt sich ein faszinierendes Dreiergefüge. Dolan erzählt eine realistische Geschichte, die leicht als einfaches Sozialdrama hätte erzählt werden können. Doch der kanadische Maestro macht Kino mit Herz und Nieren, spielt virtuos mit den Mitteln des Mediums. Daneben beweißt er ein glänzendes Händchen bei der Auswahl seiner Hauptakteure. Ausführliche Kritik im aktuellen kreuzer.

»Mommy«: ab 20.11., Kinobar Prager Frühling, 21./22.11. & ab 27.11. Passage Kinos (auch OmU)

kreuzer verlost 2x2 Freikarten. eMail mit Betreff »Muttersöhnchen« an film@kreuzer-leipzig.de

 

Basierend auf der alten japanischen Überlieferung »Taketori Monogatari« erzählt Ghiblis Altmeister Isao Takahata die Geschichte der Prinzessin Kaguya, die einst einem Bambussprössling entwuchs. Der Bauer Okina fand sie und zog das sonderbare Kind mit seiner Frau Ōna groß. Das ging schneller, als erwartet, denn das aufgeweckte Mädchen wuchs im Eiltempo. Als sie zur Frau herangewachsen war, zog sie mit ihren Eltern in die Stadt, wo man ihr einen Palast errichtete, um sie ihrer Bestimmung zuzuführen. Sie erhielt den Namen Kaguya, die Strahlende, und zahlreiche Heiratsanträge hoher Adliger. Doch ihr Herz lag im Bambuswald und ihre Sehnsucht drohte sie zu zerreißen.

Mit virtuosen Tuschestrichen erweckt Isao Takahata die jahrhundertealte Geschichte zum Leben. Sein Stil wirkt konträr zu den perfekten Bilderwelten Miyazakis. Der grobe Stil verleiht ihm aber ungleich mehr Virtuosität. Der wunderschönen Optik setzt Takahata eine Geschichte entgegen, die von der Leichtigkeit der Kindheit und der Melancholie des Erwachsenwerdens erzählt, aus dem Herzen heraus, untermalt mit der Musik Joe Hasaichis und zutiefst berührend.

»Die Legende der Prinzessin Kaguya«: ab 20.11., Kinobar Prager Frühling

Die Schneeräumung ist eine sehr verantwortungsvolle Tätigkeit. Nils (Stellan Skarsgård) geht ihr mit so einnehmender Zuverlässigkeit nach, dass er zum Bürger des Jahres gewählt wird. Doch schon kurz darauf verkehren sich die Vorzeichen von Nils' Ordnungsliebe. Als sein Sohn zufällig Opfer einer fatalen Verwechslung der Mafia wird, gerät der beste Bürger in einen ausschweifenden Drogenkrieg. Nils will seinen Sohn rächen und macht sich auf zu einer Reise an den Ursprung des Verbrechens. Einen Auftragskiller nach dem nächsten bringt er so akribisch zu Fall wie er einst seine Mitbürger von unerwünschten Schneemassen befreit hatte. Je mehr hochrangige Gesetzlose Nils aus der Welt schafft, desto verwundbarer wird das System. Bandenführer Papa (Bruno Ganz), der mit der Drogenmafia auf Kriegsfuß steht, wittert neue Chancen, die ungeliebten Konkurrenten ein für allemal aus dem Weg zu räumen. Das kreative Gespann Hans Petter Moland und Stellan Skarsgård (»Ein Mann von Welt«) erzählt erneut eine rabenschwarze Mordsgeschichte, diesmal allerdings eher in Molltönen, aber nicht weniger spannend und stilsicher inszeniert.

»Einer nach dem anderen«: ab 20.11., Schauburg

Mathias (Kevin Kline), ein gleichermaßen glück- wie erfolgsloser New Yorker, hat von seinem Vater ein wunderschönes Appartement im Herzen von Paris geerbt. Mit dem Vorhaben, die Wohnung schnellstmöglich zu verkaufen und das langersehnte Geld einzukassieren, reist er in die Stadt der Liebe. Dort angekommen ist die Überraschung groß, als er Mathilde (Maggie Smith), eine kultivierte Engländerin in ihren Neunzigern, nebst ihrer Tochter Chloé (Kristin Scott Thomas), in »seiner« Wohnung vorfindet. Er muss erfahren, dass Mathilde dort nicht nur lebenslanges Wohnrecht genießt, sondern außerdem eine vertraglich festgelegte monatliche Rente bekommt - für die er künftig aufzukommen hat. Mathias, der nicht mal mehr das Geld für einen Rückflug nach NY hat, ist also Besitzer einer unverkäuflichen Wohnung und hat noch mehr Schulden als zuvor. Die Situation wird noch komplizierter, als sich herausstellt, dass die Beziehung zwischen Mathias Vater Max und Mathilde nicht rein geschäftlicher Natur war, und er das Appartement auch nicht rein zufällig geerbt hat. Die Geschichte hätte leicht zu einer schwarzhumorigen Komödie leichter Art à la »Der Appartmentschreck« gereicht. Autor und Regisseur Israel Horovitz, der hier sein gleichnamiges Theaterstück verfilmte, machte daraus allerdings ein leises Drama mit feinem Humor und großartigen Darstellern.

»My Old Lady«: ab 20.11., Passage Kinos

Die Filmtermine der Woche

5. Lateinamerikanische Tage

Zum fünften Mal bereits gewähren die Lateinamerikanischen Tage einen Einblick in die Kinematografien des südamerikanischen Kontinents

13.-25. 11., Schaubühne Lindenfels, Cinémathèque in der naTo, Cineding, GWZ

http://lateinamerikanische-tage.de

 

20. Französische Filmtage

Aktuelles französisches Kino, daneben ein Blick auf Paris im Film und eine Retrospektive für Truffaut: die Französischen Filmtage feiern Geburtstag!

19.-26.11., Passage Kinos, Schaubühne Lindenfels

http://www.franzoesische-filmtage.de/

 

Love Like Blood

Im Rahmen der Woche der Liebe in Ilses Erika dreht sich bei Donis heute alles um das Thema Liebe im Horrorfilm.

21.11., 20.30 Uhr, Ilses Erika

 

Der Prozess

Kafkas Parabel in der großartigen Filmfassung von Welles aus dem Jahre 1962, der die Vorlage zu einem düster-expressionistischen Kinoalbtraum verdichtete. Im Rahmen der Classic Filmreihe.

23.11., 17.15 Uhr, Regina Palast (OF)

 

November Days/Novembertage - Stimmen und Wege 

Ein Jahr nach dem Mauerfall begibt sich Marcel Ophüls voller Neugier nach Deutschland, um mit den Leuten zu sprechen, die er in Filmaufnahmen zum Mauerfall gesehen und nach langer Recherche identifiziert hat. Filmvorführung im Rahmen der Reihe »Erinnerungen an den Herbst '89«. Eintritt frei.

25.11., 19 Uhr, Zeitgeschichtliches Forum

 

Eröffnung des Chai. China Dokumentarfilm-Festivals: Bazaar Jumper

Drei Jungs, die mit Parkour-Sport ihren Lebensunterhalt verdienen wollen. Coming of Age in Xinjiang. Anschl. Filmgespräch mit dem Regisseur Hao Zhiqiang

26.11., 19 Uhr, Cinémathèque in der naTo (OmeU)

 

Unikino: Frances Ha

Greta Gerwig oder Frances Ha – so ganz leicht ist es nicht zu unterscheiden, in wen man sich hier verliebt. Gerwig, die schon in »Lola gegen den Rest der Welt« auf zauberhafte Weise eine chaotische Endzwanzigerin verkörpert hat, baut dieses Rollenprofil weiter aus. Die ungelenke Endzwanzigerin Frances sucht in New York City nach dem großen Glück.

26.11., 19 Uhr, Campus Augustusplatz

 

Life Show

Chinesisches Drama  von 2002 um eine Restaurantbesitzerin, die aus ihrem Alltag ausbricht, als sich ein Kunde in sie verliebt. Preisgekrönt u. a. beim Shanghai International Film Festival.

26.11., 19 Uhr, Konfuzius-Institut Leipzig (OmeU)


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