Die Stadt hat sich Zeit gelassen mit den Ankündigungen zu den heutigen Demonstrationen. Nach einigem Hin und Her ist nun klar: Legida bekommt die gewünschte Route über den gesamten Innenstadtring nicht genehmigt. Stattdessen wurde eine verkürzte Route genehmigt (siehe Karte). Die Entscheidung beruht darauf, dass der heutige Tag als »massive Gefährdungslage« eingeschätzt wird und die »Vielzahl von Versammlungen« in der Stadt kontrolliert werden muss. Außerdem sorgt man sich um den ÖPNV-Verkehr.
Den Anmeldern von Legida stößt diese Entscheidung bitter auf, wollte man doch ganz traditionsreich über den Leipziger Ring marschieren, bis auch der letzte Skeptiker davon überzeugt ist, Legida sei »das Volk«. Ein Wunschdenken. Denn wer hier tatsächlich mitmarschiert, offenbarte neben dem deutlich rechten Positionspapier auch die Legida Demonstration vergangene Woche. Thor Steinar Kleidung und Hitlergrüße prägen das Bild ebenso wie kahl rasierte breitschultrige Männer. Und zwischendrin zahlreiche Deutschlandfahnen. Dass man es bei Legida mit einer Bewegung zu tun hat, die maßgeblich von Personen aus der Neonaziszene dominiert wird, ist inzwischen sogar dem Verfassungsschutz klar.
Die Ablehnung der gewünschten Route nennen die Anmelder auf ihrer Homepage einen »faulen Taschenspielertrick«, mit dem OB Jung das „Grundgesetz mit Füßen getreten« habe. Die besorgten Patrioten sind sauer und erklären »Wir kämpfen weiter«. Angeblich wollen sie rechtlich dagegen vorgehen. Nach der Absage der Pegida Demonstrationen vergangenen Montag in Dresden mobilisiert Legida nun breit nach Leipzig. Angemeldet wurden 60.000 Menschen, am Dienstagabend wurde diese Zahl auf 40.000 korrigiert.
Ob diese zum Teil als größenwahnsinnig eingeschätzte Zahl tatsächlich erreicht wird, wird sich zeigen. Klar ist jedoch schon, dass nicht weniger als 19 Gegenkundgebungen über die gesamte Innenstadt verteilt angemeldet sind. Das Spektrum der Anmelder reicht hier von Gewerkschaften über Fachschaftsräte und Kulturinstitutionen bis hin zu kirchlichen Einrichtungen und Parteien. Auch das studentische Bündnis »Legida läuft nicht«. das zuletzt etwa 10.000 Gegendemonstranten mobilisieren konnte, ruft wieder zu Protesten auf. Insgesamt wird mit etwa 20.000 Menschen gerechnet – vergangene Woche waren es sogar 35.000. Die Kundgebungen sind an verschiedenen Orten in der Nähe der Route von Legida. »Leipzig nimmt Platz« ruft zu Kundgebungen an der Moritzbastei sowie am Wintergartenhochhaus auf. Das Bündnis »Courage Zeigen!« trifft sich am Johannisplatz.
Von Seiten des »Legida läuft nicht« Bündnisses wird ein »entschiedenes Platznehmen« gefordert, wie Sprecher Johnny Butzmann erklärt. Dafür sind für heute Sitzblockaden geplant, um die Route für Legida unpassierbar zu machen. Die rechtliche Situation solcher Blockaden ist zwar umstritten, grundsätzlich gilt aber, dass eine Sitzblockade vom Grundrecht auf Versammlungsfreiheit geschützt ist. »Die Legitimität für zivilen Ungehorsam schöpfen wir daraus, dass Rassismus in letzter Konsequenz tödlich ist«, sagt Butzmann und ergänzt, man müsse gewaltfrei, aber entschlossen dafür sorgen, dass Rassismus auf Leipzigs Straßen keinen Platz hat.
Das schließt auch eine politische Diskussion mit der Stadt ein. Denn um 13.30 sollen vor der Stadtratssitzung die Unterschriften einer Petition zur Schließung des häufig als menschenunwürdig kritisierten Asylbewerberheims Torgauer Straße übergeben werden. Damit wird von der Stadt etwas über die Imagepflege als weltoffenes Leipzig gefordert. Den Legida-Gegnern geht es dabei um mehr, als nur um bloßen Gegenprotest, sondern auch um konkrete Handlungen zur Verbesserung der Situation Asylsuchender. »Wir wollen nicht nur Legida blockieren, sondern auch versuchen, einen gesellschaftlichen Gegenentwurf gegenüber einer sich formierenden rassistischen Massenbewegung stark zu machen, das schließt auch die AfD und die sächsische Flüchtlingspolitik ein«, so der Sprecher der Unibündnisses.
Bei der Polizei gilt für heute höchste Alarmbereitschaft. »Momentan liegen bei uns die Nerven blank«, sagte Polizeipräsident Bernd Merbitz am Dienstagabend auf einer Pressekonferenz. Man plane „den größten Polizeieinsatz, den Leipzig bisher je gesehen hat.« 44 Hundertschaften á 80-120 Beamte reisen schon seit Dienstag aus dem gesamten Bundesgebiet an. Legida vertraut auf das Sicherheitskonzept der Beamten, denn das hat schon vergangene Woche geklappt, als die Polizei die Demonstration durch das von Gegenprotesten gefüllte Waldstraßenviertel lotste. So heißt es auf der Facebook-Seite von Legida: »Die Polizei wird für unsere Teilnehmer, in Absprache mit uns, ein Sicherheitskonzept entwickeln, welches ein entspanntes Kommen und Gehen zur und nach der Veranstaltung gewährleistet.« Weniger freundschaftlich äußert sich der Polizeipräsident, der verspricht, dass man es so umsetzen werde, »wie es die Bevölkerung verlangt.« Für heute ist es dann Sache der Menschen in Leipzig zu zeigen, was sie verlangen.