anzeige
anzeige
Kultur

»Ringen mit Butler, Foucault, Mickey Rourke und sich selbst«

Tanzoffensive: Das Lofft lockt mit lässiger Kunst

  »Ringen mit Butler, Foucault, Mickey Rourke und sich selbst« | Tanzoffensive: Das Lofft lockt mit lässiger Kunst

Zehn Tage lang rotiert die Tanzoffensive 2015 ums Thema Show. Mitorganisator Sebastian Göschel vom Lofft erklärt, wieso.

kreuzer: Warum haben Sie das Thema Show ausgesucht?

SEBASTIAN GÖSCHEL: Wir sind ja immer viel unterwegs und schauen Tanz. Dabei versuchen wir, die Augen offenzuhalten mit dem Gespür, welche Themen gerade virulent sind. Was wird versucht, wo können wir Tendenzen ableiten? Eine Richtung haben wir im Thema Show entdeckt – also der Frage: Wie viel Unterhaltung verträgt Tanz? Irgendwie ist das ja eine Grundfrage von Kunst: Wo beginnt Unterhaltung, wo endet Kunst und wer definiert das überhaupt?

kreuzer: Worin liegt für Sie der Reiz dieser Verbindung?

GÖSCHEL: Einmal ist es das eben angesprochene Thema »Wie viel Show verträgt Kunst?«, das entwickelt sich dann aber weiter zur Frage: Was passiert, wenn zeitgenössischer Tanz und populäre Tanzstile wie Tango, Flamenco, Streetdance oder Krumping aufeinanderprallen? Was haben Artisten in einem Tanzstück zu suchen? Wann wird aus der Show eine Anti-Show? Dahinter steckt das kuratorische Moment, indem wir lange und aufwendig Stücke gesucht haben, die diese Auseinandersetzung auf der Bühne vollziehen. Also nicht im stillen Probenkämmerlein und dann mit einer Lösung auf die Platte kommen, sondern Künstler, die die Antwort darin gefunden haben, das Thema Show und Kunst auf der Bühne zu tanzen. Dies womöglich auch mit einem (körperlichen) Erkenntnisinteresse des künstlerisch Forschenden, aber auch auf provokative, lakonische, eben unterhaltsame Art.

kreuzer: Wie haben Sie entschieden, welche Stile pro Abend aufeinandertreffen?

GÖSCHEL: Wir haben uns entschieden, jeden Abend gewissermaßen einem Stil oder besser einem Phänomen zu widmen – daher gibt es einen Abend zum Thema Tango oder Flamenco oder Stepptanz etc. Wir versuchen, dabei eine gewisse Vielfalt in Bezug auf weithin bekannte Tanzstile und Tänze zu zeigen. Oft geben wir mehrere Shows hintereinander, die die Bandbreite des jeweiligen Stils beweisen und sich gegenseitig vertiefen. So haben wir zum Beispiel Tango und Flamenco aus Spanien, aber auch aus Finnland. Auch die Street-Dance-Abende wandeln auf dem Grat zwischen Kunst und Unterhaltung, etwa wenn zwei Breaker plötzlich Ballettbewegungen einfließen lassen und sich Clownsnasen aufsetzen. Oder zwei Artisten, die eigentlich Tänzer sind und sich mit Catchen auseinandersetzen – ein schwitzender Bastard aus Wrestling, Zirkus und Tanz. Die beiden Künstler ringen mit Butler, Foucault, Mickey Rourke und sich selbst. Das ist dann vielleicht unser Festivalthema auf den Punkt gebracht!

kreuzer: Wie hat sich die neue Zweijährigkeit ausgewirkt? Schafft das Ruhe und Konzentration?

GÖSCHEL: Die Tanzoffensive ist in den letzten Jahren immer weiter gewachsen, hat sich seit 2007 von einem kleinen regionalen zu einem internationalen, zu dem Leipziger Tanzfestival entwickelt und ragt besonders durch seine thematischen Setzungen heraus – wie 2013 der Mixed-abled-Tanz. Aber Wachstum ist auch immer Herausforderung. Wenn man sich keine Zeit nimmt, Formate weiterzuentwickeln, sondern sie unreflektiert zu Tode reitet, hat man etwas falsch gemacht. Wir erhoffen uns mit der biennalen Ausrichtung, unsere Kräfte besser bündeln und das Festival so auf die nächste Stufe zu bringen. Ob es funktioniert, kann man sich ab Donnerstag im Lofft anschauen.

kreuzer: Wer sich noch nie mit Tanz befasst hat, sollte welchen Abend trotzdem unbedingt nicht verpassen?

GÖSCHEL: Eine beliebte Frage und ich habe dieses Mal eine andere Antwort: Das ganze Festival ist so angelegt, dass auch Zuschauer, die noch nie zeitgenössischen Tanz gesehen haben, hier ihren Spaß haben werden, da es ja immer die Anbindung an einen allgemein bekannten Tanz oder ein Genre gibt. Sei es Jonglage, Wrestling, Tango, Flamenco, Stepptanz, Hip Hop, Break Dance oder Artistik. Die Stücke kreisen nicht um sich selbst, genau so wenig die Tänzer. Es gibt keinen Konzepttanz, der sich taumelnd in Selbstreferenzialität verliert. Wir glauben, dass die Tanzoffensive 2015 ein Festival ist, bei dem wir »FEST« mit ruhigem Gewissen groß schreiben können. Es ist sicher diskursärmer als manch anderes – was wir aber für eine Stärke halten und gespannt sind, was das Feuilleton daraus macht.


Kommentieren


0 Kommentar(e)