Kino draußen ist nicht nur für Raucher die vielleicht letzte Bastion im öffentlichen Raum, um ihrer Gewohnheit zu frönen. Es schafft Gemeinschaft, egal ob man bei Regen enger zusammen rückt oder bei den letzten Sonnenstrahlen dem Nachbarn in die Augen sehen kann. In Leipzig flimmert die Kinobar seit Mai auf der Feinkost, das Luru Kino in der Spinnerei beginnt in dieser Woche und im 2cl Sommerkino am Conne Island geht es am 2.7. mit »Fargo« los. Bessere Gründe, für Cineasten auch mal an die Luft zu gehen, gibt es eigentlich nicht.
Film der Woche: Paul Feig gilt seit »Brautalarm« in Hollywood als Spezialist für Komödien, in denen Frauen auch einmal richtig auf den Putz hauen können. Während der Superagent Bradley Fine (Jude Law) im Nahkampf eine Übermacht von mordlustigen Finstermännern erledigt, sitzt diese Susan Cooper (Melissa McCarthy) im CIA-Hauptquartier in Langley am Überwachungsmonitor und versorgt den Kämpfenden per Funkkontakt mit den notwendigen Informationen. Fine und Cooper sind ein eingespieltes Team, aber die Lorbeeren erntet natürlich immer der smarte Agent und nicht die unscheinbare Schreibtischkollegin. Aber als Fine im Einsatz getötet wird und die Nuklearwaffenhändlerin Rayna (Rose Byrne) bekannt gibt, dass sie die Identitäten aller aktiven CIA-Agenten kennt, schlägt Susan Coopers Stunde. Der Plot ist so dünn, wie sich das in diesem Genre gehört. Aber die komödiantische Detailfreude, mit der Feig seine Spionage-Satire feminisiert, entfaltet eine hochinfektiöse Wirkung. Mit unverbissener Lässigkeit stichelt sich »Spy« durch die cineastische Männerdomäne, wobei auch die Action-Schauwerte nicht zu kurz kommen. Mit souveräner Selbstironie legt McCarthy ihre Figur an, die von der grauen Schreibtischtäterin zur kompetenten Heldin reift. Nebenbei werden hier süffisant die Ressentiments mitverhandelt, die auf eine übergewichtige Mittvierzigern im Agentenalltag herunterregnen – eine Vorurteilsstruktur, die sich 1:1 auf den Hollywood-Betrieb übertragen lässt. Eine besondere Erwähnung verdient auch Rose Byrne, die mit okkulter Turmfrisur und eiskaltem Blick mörderischen Zickenterror verbreitet und die zahlreichen Bösewichte des Genres mühelos in die Tasche steckt. Ausführliche Kritik von Martin Schwickert im aktuellen kreuzer.
»Spy – Susan Cooper Undercover«: ab 4.6., Cineplex, CineStar, Regina Palast
»Die Frau in Gold« erzählt die wahre Geschichte von Maria Altmann, die im mutigen Kampf um ihr Erbe und um Gerechtigkeit bis vor das höchste Gericht der USA zieht. In einem spektakulären Prozess verklagt sie die Republik Österreich auf die Herausgabe der Kunstsammlung ihrer Familie, die einst von den Nationalsozialisten enteignet wurde. Unter den Bildern befindet sich auch eines der berühmtesten Bilder der Welt: »Die goldene Adele«, Gustav Klimts Portrait der Wiener Industriellen-Gattin Adele Bloch-Bauer – Marias Tante. Mit Hilfe des jungen und unerschrockenen Anwalts Randy Schoenberg beginnt für Maria nicht nur ein siebenjähriger Kampf David gegen Goliath, sondern auch eine Reise in die Vergangenheit. Simon Curtis (»My Week With Marilyn«) inszenierte die authentische Geschichte recht bieder, aber mit beachtlicher Besetzung.
»Die Frau in Gold«: ab 4.6., Passage Kinos
Flimmerzeit Mai2015 from inonemedia on Vimeo.
Die Filmtermine der Woche
Revolution in der Krise
Filme aus dem Jemen im Rahmen des Internationalen jemenitischen Film- und Kunstfestivals: »Initiatives Echoes« (2011), »The President's Man and His Revolutionary Son« (2011) mit anschließender Diskussion - Yemeni Film Festival
5.6., 19.30 Uhr, Cineding
Stummfilmtage mit dem Wanderkino
- Ein Sonntagsfahrer (1925), Die Rollschuhbahn (1916), Vormittagsspuk (1927), Flitterwochen im Fertighaus (1920), Kurzfilme (1902-1907) - Gunthard Stephan (Violine), Tobias Rank (Klavier)
5., 10./11.6., 21.30 Uhr
- Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern (F 1928), Der Emigrant (USA 1916) + Überraschungsfilm - Stummfilmtage mit dem Wanderkino - Gunthard Stephan (Violine), Tobias Rank (Klavier)
8.6., 21.30 Uhr
- Stan Laurel & Oliver Hardy, We faw down (1928), Habeas Corpus (1928), Liberty (1929), Big Business (1929) - Graf v. Bothmer (Klavier)
9.6., 21.30 Uhr
Das Cabinet des Dr. Caligari
Expressionistischer Stummfilmklassiker über den Hypnotiseur Caligari und seinen mordenden Lakaien. Stummfilmtage mit dem Wanderkino und Gunthard Stephan an der Violine sowie Tobias Rank am Klavier.
6./7.6., 21.30 Uhr
Jakarta Disorder
Oma Dela lebt im Slum. Wardah ist dagegen eine Intellektuelle und politische Aktivistin. Zusammen versuchen die beiden, die rechtlosen Armen der indonesischen Hauptstadt Jakarta gegen die vielen Zwangsräumungen zu mobilisieren. Im Anschluss Filmgespräch.
6.6., 19.30 Uhr, Cineding
Listen – Radio Free Europe
Wo ist die Wahrheit, wenn alles Propaganda ist? Listen gibt unerwartete Antworten auf altbekannte, drängende Fragen. Der Film erzählt vergessene Geschichten eines gefährlichen Feindes des kommunistischen Bulgariens - das US-finanzierte »Radio Free Europe«.- Film und Diskussion
6.6., 20 Uhr, naTo
Victoria
Als die Spanierin Victoria den Club verlässt, schließt sie sich spontan Sonne und seinen Kumpels an. Eine schicksalhafte Verbindung nimmt ihren Lauf. Was folgt, ist eine atemlose Nacht in Berlin, gedreht in einem Take, ohne Schnitt. Regisseur Sebastian Schipper ist ein Bravourstück des deutschen Kinos gelungen. Leipzig-Premiere in Anwesenheit von Sebastian Schipper.
6.6., 20 Uhr, Passage Kinos
3K - KleinKinderKino
8 Kinderfilme: Käpt'n Säbelzahn und der Schatz von Lama Rama, Home - Ein smektakulärer Trip, Winnetous Sohn, Shaun das Schaf, Tinkerbell und die Legende vom Nimmerbiest, Die Coopers - Schlimmer geht immer, Ostwind 2, Cinderella
7.6., 10 Uhr, Cineplex
Die Wohnung
Eine Wohnungsauflösung in Tel Aviv wird zur Reise in die Vergangenheit. - mit anschließender psychoanalytischer Betrachtung durch Frau Dr. Dagmar Völker
8.6., 19 Uhr, Zeitgeschichtliches Forum
Auf der Seite der Braut
Der Film erzählt die wahre Geschichte von fünf geflüchteten Menschen, wie sie die Geschichte vieler an den europäischen Außengrenzen ist - bis diese nach Mailand kommen und beschließen, ihre Geschichte selbst zu schreiben.
9.6., 19 Uhr, Neues Rathaus
Die Hüter der Kartoffel
In den peruanischen Anden nahe der Stadt Cuzco auf rund 4.500 Meter Höhe liegt der wahre Schatz der Inkas: die Kartoffel. Schon vor 8.000 Jahren haben die Urvölker in den Bergregionen Kartoffeln angebaut. Vom Kampf der Andenbauern in den abgelegenen Bergregionen Perus profitieren wir alle. Denn die Kartoffel gehört weltweit zu den wichtigsten Grundnahrungsmitteln. - mit Vorstellung der Landkommune »Rote Beete« Sehlis
9.6., 18 Uhr, Frauenkultur
Ohne Rast. Ohne Eile
Dokumentarfilm über indigenen Widerstandsbewegung im Norden Argentiniens.
9.6., 21 Uhr, Stadtgarten H17
Cape No. 7
Als Japan nach dem Zweiten Weltkrieg Taiwan an die Republik China zurückgeben muss, kehrt ein japanische Lehrer aus Hengchun nach Japan zurück. Seine taiwanische Liebe bleibt. Auf dem Schiff zurück nach Japan schreibt er sieben Liebesbriefe an seine Angebetete, sendet sie jedoch nie ab. Erst nach seinem Tod schickt die Tochter des Lehrers die Briefe nach Taiwan, wegen der veralteten, im japanischen Stil geschriebenen Adresse (»Cape No. 7«), sind sie jedoch nicht ohne Weiteres zuzustellen.
10.6., 19.30 Uhr, Konfuzius-Institut Leipzig
KinoDatsche - Best Of
Jetzt ist das Konzept Spontanfilmmachen auch in Leipzig angekommen. In nur wenigen Tagen durchlaufen Filmprojekte die Evolution von der Idee auf die Leinwand. Es gibt kein Budget, nur das nötigste Equipment, aber umso mehr Spaß bei der Sache. Die Ergebnisse der ersten Leipziger Kino Datsche gibt es heute Abend auf der Leinwand zu bewundern.
10.6., 22 Uhr, Cineding
Rose
Im Sommer 1945 begibt sich ein ehemaliger Offizier der Heimatarmee in die Masuren, um der Frau eines gefallenen Soldaten die letzten Erinnerungsstücke ihres Mannes zu übergeben. Eine komplexe Zweierbeziehung vor dem Hintergrund von Gewalt, Vertreibung und Nationalismus. In der Reihe »filmPOLSKA«.
10.6., 20 Uhr, Cinémathèque in der naTo (OmeU)
Shorts Attack
Kurzfilmrolle: Dumm gelaufen - 10 turbulente Filme über ziemlich schräge Zwischenfälle
10.6., 21 Uhr, Kinobar Prager Frühling