Leipzig hat ein neues Kino. Okay, es ist nur ein Saal und der ist im größten Programmkino der Stadt integriert. Aber jede neue Leinwand ist willkommen, da die goldenen Zeiten der Lichtspielhäuser nun einmal lange zurückliegen. An diese erinnern die Passage Kinos mit der Namenswahl ihres neuen Saals: Das Casino reiht sich ein in die Ahnenriege ehemaliger Leipziger Filmkunsttheater wie das Astoria, Filmeck, Wintergarten und Universum. Am kommenden Samstag wird der kleine, gemütliche Saal eingeweiht. Am Nachmittag mit »Der kleine Prinz«, um 17.15 Uhr mit Paolo Sorrentinos »Ewige Jugend« und am Abend dann mit einer Preview zu Todd Haynes’ Meisterwerk »Carol« (20 Uhr (dt.) und 22.30 Uhr (OmU)), der in der kommenden Woche offiziell startet und soeben satte fünf Golden Globe-Nominierungen einheimsen konnte. Also, Vorhang auf für das Casino.
Film der Woche: Sri Lanka – ein klangvoller Name, voll exotischer Sehnsuchtsfantasien. Doch in dem Inselstaat im Indischen Ozean herrschte über zwanzig Jahre lang ein blutiger Bürgerkrieg zwischen Singhalesen und der Minderheit der Tamilen, der erst 2009 endete. Als wir Dheepan treffen, ist die Niederlage der rebellischen Tamil Tigers, unter denen er für die Unabhängigkeit kämpfte, entschieden und die Flucht unausweichlich. Er schließt sich mit der jungen unabhängigen Yalini und dem neunjährigen Waisenmädchen Illayaal zusammen, denn als Familie haben sie bessere Aussichten auf Asyl. Auf Umwegen landen sie in Frankreich, in einem Wohnkomplex in einem Vorort von Paris. Dheepan erhält die Funktion des Hausmeisters, obwohl er kaum Französisch spricht, und auch Yalini findet einen Job in der Pflege eines stummen Alten, der in der obersten Etage des Wohnungsbaus lebt. Illayaal besucht die Integrationsklasse einer örtlichen Schule und alle drei finden ihren Platz in der neuen Umgebung. Doch das Gefüge ist fragil, jeder von ihnen hat mit der Vergangenheit und der ungewollten Zweckgemeinschaft zu kämpfen. Dann droht die Situation in dem Wohnblock zu eskalieren und es kommt zu offenen Bandenkriegen zwischen den Drogendealern, die sich dort eingerichtet haben. Ein Film, der Spuren hinterlässt, und eine genau beobachtete Beschreibung der Situation in den Banlieues, die durch die Ereignisse der letzten Wochen erschreckende Aktualität erhalten hat. Ausführliche Besprechung im aktuellen kreuzer.
»Dheepan – Dämonen und Wunder«: ab 10.12., Passage Kinos, Schauburg (auch OmU)
kreuzer verlost Freikarten. Email an film@kreuzer-leipzig.de (Betreff: »Cannesgewinner«)
Die Dominikanische Republik – auf der einen Seite ein Urlaubsparadies für Touristen, auf der heimischen geprägt von Armut. In Las Terrenas leben die Menschen vom Tourismus und den gut betuchten Reichen. Auch die 20-jährige Noelí hat ihren Weg gefunden. Sie verkauft ihren Körper an ältere Europäer und verspricht ihnen Exklusivität, die sie hinter ihren Rücken zu Geld macht. Auch die wohlhabende Französin Anne vermutet mehr hinter Noelís Hingabe und plant, sie mit nach Frankreich zu nehmen. Für Noelí ist die Aussicht auf ein Visum und ein Ausweg in ein besseres Leben reizvoll, doch wenn Anne nicht hinsieht, trifft sich die junge Frau mit ihrem Freund Yeremi. Die Eifersucht und das Schicksal verlangen der jungen Frau schließlich eine Entscheidung ab. Ein neuer Kolonialismus, Kommerz und Kapital – viele Facetten der gegenwärtigen Realität in den ärmeren Teilen der Welt spielen hinein in die vierte Regiearbeit des Duos Laura Amelia Guzman and Israel Cárdenas. Dabei wirken ihre Figuren stets authentisch, nie klischeehaft. Noelí hat Träume und ist bereit, moralische Grenzen zu überschreiten, um sie zu erreichen. Anne weiß derweil, dass ihre Beziehung zu der jungen Frau keine Zukunft hat und sie sich nicht ewig etwas vormachen kann. Geraldine Chaplin legt vieles von dem, was in Anne vorgeht, in ihren Blick und kleine Gesten, die ihre Einsamkeit verdeutlichen. Für winzige Momente scheint es, als wäre ihre Zweisamkeit das Paradies im Gegenlicht der karibischen Sonne, aber die Realität der Insel bricht herein und das Glück bleibt ein Traum. Ein bemerkenswerter kleiner Film mit starken darstellerischen Leistungen der beiden Hauptdarstellerinnen.
»Sand Dollars«: ab 10.12., Cineding
Sara kommt mit ihrem Vater in den verschlafenen Ort Bridgend in Wales. Als ob der Ortswechsel nach dem Verlust der Mutter nicht bereits genug wäre, womit ein Teenager zu kämpfen hat, stellt sich ihre neue Umwelt auch als äußerst hoffnungslos dar. Es gibt keine Jobs, keine Perspektive und die Jugendlichen ziehen ziel- und rücksichtslos durch die Straßen. Sara ist zunächst abgeschreckt, als sie dem Rudel begegnet. Doch das Leben als Einzelgängerin ist noch weniger reizvoll, deshalb folgt sie der Einladung, am nächtlichen Ritual am See teilzunehmen. Die Energie innerhalb der Gruppe wirkt befremdlich auf das Mädchen, besonders, als sie in Gedenken an den Tod eines ihrer Freunde seinen Namen in die Nacht hinaus heulen. Zuletzt ist es zu einer beunruhigenden Zahl von Selbstmorden in der kleinen Stadt gekommen und als die Serie nicht endet und einen ihrer neuen Freunde erwischt, steht Sara mit ihrer Verzweiflung und Verwirrung alleine da. Ihr Vater ist als Teil der örtlichen Polizei damit beschäftigt, das Massensterben zu beenden. Sara findet einzig in der Gruppe Halt und gerät immer tiefer in deren Sog. Was zunächst ein wenig an die Anfänge von »Twilight« erinnert, nimmt bald schon einen anderen Pfad, der gesäumt ist von Abgründen. Der Däne Jeppe Rønde basierte sein Regiedebüt auf den seltsamen Fällen des Massensuizids in einer walisischen Gemeinde, der bereits über 100 Todesopfer gefordert hat, und fängt die »Teenage Angst« atmosphärisch dicht ein. Ausführliche Kritik im aktuellen kreuzer.
»Dorf der verlorenen Jugend«: ab 10.12., Luru Kino in der Spinnerei
Ein völlig auf Vernunftdenken getrimmtes Mädchen wird von einem alten Nachbarn und Piloten mit den fantasievollen Abenteuern des »Kleinen Prinzen« konfrontiert und lernt dadurch, das Leben und die Welt mit anderen Augen zu sehen. Die Erzählung von Antoine de Saint-Exupéry nimmt nur ein Drittel der Handlung ein und wurde mit Papierfiguren begnadet animiert, die Rahmengeschichte in aktuellem 3-D stammt aus dem Computer.
»Der kleine Prinz«: ab 10.12., Cineplex, CineStar, Regina Palast, Passage Kinos
kreuzer verlost Freikarten und das Buch zum Film. Email an film@kreuzer-leipzig.de (Betreff: »Prinz«)
Flimmerzeit im November
Weitere Filmtermine der Woche
Tell Spring Not to Come This Year
»Tell Spring Not to Come This Year« begleitet Soldaten der afghanischen Nationalarmee bei ihren Einsätzen in der Provinz Helmand. Nach dem Abzug der NATO-Truppen 2014 sind die Soldaten auf sich allein gestellt. Der zeigt die Menschen hinter den Armeeuniformen, ihre Motivation und Hoffnungen, aber auch ihre Ängste und die Abgründe eines zerrissenen Landes. Im Anschluss gibt es ein Filmgespräch mit dem freischaffenden bildenden Künstler Till Ansgar Baumhauer.
11.12., 19.30 Uhr, Cineding
Verdrängte Geschichte – Die globalen Dimensionen des 2. Weltkriegs
Abschlussveranstaltung von Courage leben – Gegen Rassismus
11.12., 20.30 Uhr, Cineding
Irgendwo in Berlin
Die Erlebnisse einer Kindergruppe im zerbombten Berlin sind Inhalt eines der ersten »Trümmerfilme« aus dem Deutschland der Nachkriegszeit.
14.12., 19 Uhr, Zeitgeschichtliches Forum
Volksmusik? Ähm ...
Leipziger Jugendliche stellten sich und Passanten Fragen zum Thema »Volksmusik«. Im Rahmen des Projekts »Heimat-los (?) – Das Eigene und das Fremde in der Volksmusik« wurden die Antworten dokumentarisch und mit den Mitteln des Animationsfilms festgehalten. Premiere Trick und Filmworkshop
14.12., 18 Uhr, naTo
Nightmare before Christmas
Merkwürdige Geister aus dem Halloween-Land haben ganz eigene Vorstellungen vom Weihnachtsfest. Fantasievoller, düster-makaberer Puppentrickfilm von Tim Burton und Henry Selick.
15.12., 20 Uhr, Moritzbastei
Wenn Du groß bist, lieber Adam
Das 11. Plenum: »Kellerfilme« nach dem Kahlschlag vor 50 Jahren – anschließend Podiumsgespräch mit Prof. Dr. Siegfried Lokatis und Dr. Günter Agde
Die Komödie um eine magische Taschenlampe, deren Licht Lügner zum Schweben bringt, enthielt zu viel freche Gesellschaftskritik, so dass sie in der DDR verboten und in den Giftschrank gepackt wurde. Nach dem Film gibt es ein Podiumsgespräch mit den Historikern Prof. Dr. Siegfried Lokatis und Dr. Günter Agde.
15.12., 19 Uhr, Zeitgeschichtliches Forum
Die Frauen der Solidarnosc
Die Doku beleuchtet die Rolle einiger Frauen, die für die politische Opposition im Polen der 1980er immens wichtig waren, später aber kaum noch in den Geschichtsbüchern erwähnt wurden. – Das Polnische Institut zeigt: filmPOLSKA reloaded
16.12., 19 Uhr
Horror-Doppel mit Donis
»Revenge of the Dead« (I 1983; engl. F.) und »Die neunschwänzige Katze« (I 1979)
Horrorfilm-Experte Donis widmet sich in seiner Gruselreihe dem italienischen Horrorfilm der siebziger und achtziger Jahre. Der erste Film des Abends »Revenge of the Dead« wird in der englischen Fassung gezeigt und beschäftigt sich mit der etwas ekligeren Art der Wiederauferstehung. Der zweite Film »Die neunschwänzige Katze« von Kult-Regisseur Dario Argento ist dem Genre des Giallo zuzuordnen, einem italienischen Thriller-Subgenre.
16.12., 20 Uhr, LURU-Kino in der Spinnerei
9 Leben hat die Katze
Mehrere Frauen versuchen in diesem Episodenfilm auf verschiedene Weise, ihr Schicksal selbstbestimmt in die Hand zu nehmen und sich in einer von Männern dominierten Gesellschaft Gehör zu verschaffen. Einer der ersten feministischen Filme Deutschlands. – 50 Jahre Kuratorium junger deutscher Film
17.12., 19.30 Uhr (OmeU)
Schauspieler, Stars und Superstars: Michael Fassbender
Vortrag von Claudia Cornelius mit einem Überraschungsfilm, diesmal mit Michael Fassbender in der Hauptrolle.
18.12., 20.15 Uhr, Memento
Filmriss Filmquiz
... denn sie quizzen nicht, was sie tun! Die Rateshow rund ums Thema Film geht in eine neue Runde mit Fragen, Clips, Spielen und Preisen zu aktuellen Kinoproduktionen. André Thätz und der Autor dieser Zeilen servieren kurzweilige Clips und witzige Facts aus der Filmgeschichte.
15.12., 20.30 Uhr, Conne Island