Nicht nur Frankreich ist im Ausnahmzustand. Auch hierzulande ist im Juni wieder Stillstand angesagt, wenn König Fußball regiert und seine Lakaien willenlos vor den Fernsehern gammeln. Kann einem ja eigentlich egal sein, würde nicht jedes Mal, wenn Deutschland besoffen schwarzrotgelbe Fähnchen schwenkt, das kulturelle Leben in diesem Lande erliegen. So starten auch in den kommenden Wochen nur Wahnsinnige ihre Filme in den Kinos, in dieser gerade mal sechs Titel. Zeit für Urlaub oder drei Wochen Binge-Watching.
Film der Woche: Davis Mitchell (Jake Gyllenhaal) ist ein erfolgreicher Wall Street-Banker. Der Mittdreißiger hat einen Großteil seines Lebens in Luxus verbracht, Sorgen und Schwierigkeiten waren ihm bislang weitgehend fremd. Als seine Frau Julia bei einem Autounfall ganz unerwartet stirbt, brennen bei ihm sämtliche Sicherungen durch. Das Publikum wird in der Folge Zeuge, wie er versucht, sein Leben zu analysieren und wieder auf die Reihe zu bekommen. Sein Schwiegervater und Chef Phil (Chris Cooper) kommt mit dem irrationalen Verhalten von Davis überhaupt nicht zurecht, versucht aber Verständnis für dessen ungewohntes Benehmen aufzubringen und ihn wieder ins normale (Arbeits-)Leben einzugliedern – ohne Erfolg. In der Nacht des Todes seiner Gattin versagt der im Krankenhaus aufgestellte Verkaufsautomat. Davis schreibt der Firma, die für den Münzautomaten zuständig ist, daraufhin einen Beschwerdebrief. Daraus entwickelt sich ein überraschend offener und persönlicher Briefwechsel zwischen dem gebrochenen Witwer und Karen Moreno (Naomi Watts), die als Kundendienstmitarbeiterin des Automaten-Aufstellers arbeitet. Da auch Karen mit persönlichen Problemen belastet ist, die finanzielle und emotionale Ursachen haben, fühlen sich die beiden irgendwie zueinander hingezogen – und spenden sich gegenseitig Trost. Regisseur Jean-Marc Vallée (»Dallas Buyer‘s Club«) inszenierte ein berührendes, aber nicht rührseliges Drama, dass die ernsten Themen immer wieder mit überraschenden Humor bricht. Jake Gyllenhaal in der Hauptrolle brilliert.
»Demolition«: ab 16.6., Passage Kinos (auch OmU)
Genesis Potini (Cliff Curtis) – Spitzname Dark Horse – ist manisch-depressiv und seit vielen Jahren Psychiatriepatient. Seine Ärzte sind überzeugt, dass er kaum in der Lage ist, für sich selbst zu sorgen. Als er wieder einmal aus der Klinik entlassen wird, sucht er deshalb Unterschlupf bei seinem Bruder Ariki (Wayne Kapi). Der jedoch ist Mitglied einer kriminellen Biker-Gang, was in Kombination mit Genesis‘ extremen Stimmungsschwankungen jede Menge Zündstoff birgt. Die brüchige familiäre Harmonie ist somit nicht von Dauer, zumal Genesis die Sorge um seinen schüchternen Neffen Mana (James Rolleston) umtreibt: Gegen seinen Willen soll dieser in die Biker-Gang seines Vaters eingeführt werden. Trost und Ablenkung bietet jedoch bald seine eher ungewöhnliche Leidenschaft: das Schachspiel. Genesis verfügt über ein erstaunliches Talent – er beherrscht das Spiel der Könige wie ein Weltmeister. Als er die jugendlichen Mitglieder eines örtlichen Schachclubs kennenlernt, erhält er die Chance seine Gabe zu nutzen und beschließt die unterprivilegierten Kids zu trainieren und gegen jede Chance ins Finale der Junioren-Meisterschaften nach Auckland zu bringen. Durch Genesis und ihr gemeinsames Ziel schöpfen die Jugendlichen Hoffnung und finden Halt in ihrem oft instabilen Umfeld. Doch der Weg zur Meisterschaft ist weit und die Hürden erscheinen unbezwingbar hoch. Etwas konventionelles, aber berührendes Drama aus Neuseeland mit überragendem Hauptdarsteller: Cliff Curtis (»Whale Rider«) setzte sich auch als Produzent für die Verfilmung der wahren Geschichte ein.
»Das Talent des Genesis Potini«: ab 16.6., Kinobar Prager Frühling
In der gelungenen Fortsetzung des Old-School-Gruslers von 2013 sind Vera Farmiga und Patrick Wilson erneut als Geisterjäger Lorraine und Ed Warren unterwegs. Im Norden von London unterstützen sie diesmal eine alleinerziehende Mutter, als diese mit ihren vier Kindern in ihrem Haus von heimtückischen Geistern geplagt wird.
»Conjuring 2«: ab 16.6., Cineplex, CineStar, Regina Palast
Flimmerzeit_Mai 2016.
Weitere Filmtermine der Woche
Moskau schläft nie
Fünf junge Leute stehen vor lebensverändernden Entscheidungen. Russisches Kino im Original.
19.6., 17.30 Uhr, Cineplex (OF)
All about E
Die DJ und Lebefrau Elmira stolpert mit ihrem besten Freund über einen Koffer voller Geld. Als sich der ursprüngliche Besitzer des Gepäckstücks meldet und sie verfolgt, fliehen sie ins Outback ... und in die Arme von Elmiras ehemaligen großen Liebe. - Australische und Neuseeländische Filmtage
20.6., 17 Uhr, Kinobar Prager Frühling (OmU)
Bekas
Die beiden Brüder Dana (10) und Zana (7) leben in einem kleinen Dorf im kurdischen Teil des Irak. Als die beiden Waisenkinder zufällig den Film »Superman« in einem Kino sehen, steht für sie fest: Sie müssen nach Amerika! Ungewöhnliches Road-Movie zum Weltflüchtlingstag.
20.6., 20 Uhr, Cineding
Weltflüchtlingstag: Geflüchtete im Film - Filme von Geflüchteten
»Aleppo-Leipzig: Kein Weg zurück« (D 2015, Dok) und »Wasserläufer« (D 2015, Dok). Im Anschluss Gespräch mit den Filmemachern
20.6., 19.30 Uhr, Cinémathèque in der naTo
Seefeuer
Preview des diesjährigen Berlinale-Gewinners von Gianfranco Rosi zum Weltflüchtlingstag, der die Flüchtlingskrise auf Lampedusa vom menschlichen Standpunkt zeigt. Mit einer Filmeinführung durch Dr. Margherita Siegmund.
20.6., 19 Uhr, Kinobar Prager Frühling
Das Filmriss Filmquiz
... denn sie quizzen nicht, was sie tun! Die beliebte Rateshow rund ums Thema Film geht in eine neue Runde mit Fragen, Clips und Spielen und natürlich reichlich Preisen zu aktuellen Kinoproduktionen. André Thätz und Lars Tunçay servieren euch kurzweilige Clips und witzige Facts aus der Filmgeschichte.
21.6., 20.30 Uhr, Conne Island Café
Einfach Blumen aufs Dach
Ein Hochspannungsmonteur und seine Frau kommen unverhofft zu einer Tschaika - einer Limousine, die eigentlich öffentlichen Repräsentanten vorbehalten ist, was für gewisse Probleme sorgt. Nahaufnahme DEFA - Filmreihe zu 40 Jahre Grünau, 70 Jahre DEFA
22.6., 15.00 Uhr, Cineplex
Stummfilmdoppel
Das letzte Ballet Mécanique vor der Sommerpause: Stummfilmdoppel diesmal mit drei Filmen: »A propos de Nice« (1930), »Moskau« (1927) und »Das Haus in der Trubnaja-Straße« (1928) - mit Moderation von Tilman Schumacher und ohne überflüssige Musik.
22.6., 19 Uhr, Luru-Kino in der Spinnerei
Wer die Nachtigall stört
Macomb County im amerikanischen Bundesstaat Alabama während der dreißiger Jahre. Die friedliche Kleinstadt verwandelt sich in einen Hexenkessel, als der Schwarze Tom Robinson der Vergewaltigung einer Weißen angeklagt wird. Alle sind von seiner Schuld überzeugt, bis auf den Pflichtverteidiger Atticus Finch (Gregory Peck). Durch sein selbstloses Vorgehen zieht er den Hass seiner Gegner auf sich, die selbst vor Finchs Kindern nicht haltmachen. Beeindruckender Klassiker nach dem Buch von Harper Lee, die für ihren Roman den Pulitzer-Preis gewann. - Eröffnung Open Air Kino
23.6., 20 Uhr, Moritzbastei
Laster der Nacht
Open-air-Stummfilmkino mit Live-Begleitung durch Gunthard Stephan (Violine) und Tobias Rank (Piano).
23.6., 22 Uhr, Neustädter Markt