Nordkorea, unbekanntes Land: Wenig dringt nach draußen. Das Bild, das wir von dem ostasiatischen Staat haben, ist verzerrt. Aufrechte Arbeiter, arme Bauern, graustaubiger Sozialismus und über allem schwebt gottgleich die Kim-Dynastie. Die Kinobar Prager Frühling widmet der Demokratischen Volksrepublik Nordkorea in diesem Monat eine Filmreihe. Mit einer Handvoll albernen (»The Interview«), entlarvenden (»Im Strahl der Sonne«) und erschütternden (»Camp 14«) Dokumentar- und Spielfilmen entsteht so ein facettenreicher Blick auf das Land. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen.
> Nordkorea im Focus: 21.–24.7., Kinobar Prager Frühling
Film der Woche: Winfried versteckt sich und seine Einsamkeit hinter Masken. Am liebsten schlüpft der 65-jährige Musiklehrer in die Haut von Toni Erdmann, dem schmierigen Entrepreneur mit dem Überbiss und der zotteligen Mähne. Seiner Tochter Ines ist er peinlich, sie hat sich längst abgesetzt und versucht sich in der sexistischen Männerwelt der Unternehmensberatung zu behaupten. Dann besucht sie ihr Vater überraschend in Rumänien und weicht nicht mehr von ihrer Seite. Maren Ade, die bereits in ihrem letzten Film »Alle anderen« eine Beziehungskrise mit entwaffnendem Humor inszenierte, schildert das komplizierte Verhältnis zwischen Vater und Tochter als absurd-komische Annäherung zweier Entfremdeter. In Cannes erhielt sie dafür den Preis der internationalen Filmkritik (FIPRESCI). Ein Glücksfall fürs Kino, das man am Ende mit einem lachenden und einem weinenden Auge verlässt. Ausführliche Kritik (und auch ein Verriss) im aktuellen kreuzer.
»Toni Erdmann«: ab 14.7., Passage Kinos (am 15.7. in Anwesenheit der Hautdarstellerin Sandra Hüller), CineStar
Vivian (lässig: Britta Hammelstein) hat den Kaffee auf. Die angehende Staatsanwältin rennt eines Tages aus dem Gerichtssaal und kann nur noch heulen. Vom Krisenlager auf Mamas Couch schleppt der Herr Papa (Detlev Buck) sie erst mal ab auf die Insel. Hier will er das burnout-gebeutelte Töchterlein mit allerlei fragwürdigen Methoden dazu zu bringen, sich neue Ziele zu stecken. Aber sind Pläne und Visionen wirklich das Nonplusultra im Leben? Das versucht Vivian auf dem sommerlichen Eiland herauszufinden. Dabei behilflich sind ihr andere merkwürdige Sinnsucher, wie das bastelverrückte Zimmermädchen Biene (Inga Busch), auf deren Dachboden Vivian spontan einzieht, deren Teenagersohn Eric (Jerome Hirthammer) und der schrullige Ladenbesitzer Otto (Ferdinand von Schirach).
Muss es denn immer irgendwo hin gehen? Was, wenn man einfach keine Lust mehr hat, dem omnipräsenten Leistungsdruck standzuhalten, wenn man die Perspektivlosigkeit zum Lebensmotto erklärt? Kann richtig nett sein, wie das Regiedebüt von Bernadette Knoller genüsslich vor Augen führt. Mit einem Sinn für skurrile Situationskomik, den man sonst eher aus dem skandinavischen Kino kennt, trifft der beschwingte Abgesang auf das Perfekte zwar nicht immer, aber doch ziemlich oft ins Schwarze. Ausführliche Kritik von Karin Jirsak im aktuellen kreuzer.
»Ferien«: ab 14.7., Kinobar Prager Frühling
Nordkorea ist ein Land, über das außerhalb – und vermutlich auch innerhalb – seiner Staatsgrenzen nur wenig aktuelles Faktenwissen bekannt ist, über das aber regelmäßig Schreckensmeldungen verbreitet werden. Was genau davon wahr ist und was nicht, entzieht sich allen gängigen Betrachtungsweisen. Zu sehr scheinen die Machthaber des sozialistisch-diktatorischen Systems Gefallen daran zu finden, eben das dämonisierte Bild aufrechtzuerhalten und zu bedienen, das man von ihnen insbesondere in Südkorea gerne propagiert. Dass militaristischer Pomp und die Einschwörung der Bürger auf die gottgleichen Führer der Kim-Familiendynastie real existieren, steht auch im neuen Dokumentarfilm der koreastämmigen Regisseurin Sung-Hyung Cho (»Full Metal Village«) außer Frage. Mehr als einmal wird so mancher Zuschauer hierzulande fassungslos den Kopf schütteln, etwa wenn einer der Protagonisten schildert, wie das niedliche Spielgerätedesign eines blitzsauberen Spaßbads von Marschall Kim Jong-un persönlich überwacht und mitgestaltet wurde. Am Ende haben die Bewohner von Nordkorea ganz ähnliche Sorgen und Träume, wie überall auf der Welt. Und die sich eine wie auch immer geartete Wiedervereinigung mit dem Süden letztlich genauso wünschen, wie es einst viele Deutsche in Bundesrepublik und DDR taten. Ausführliche Kritik von Peter Hoch im aktuellen kreuzer.
»Meine Brüder und Schwestern im Norden«: ab 14.7., Cinémathèque in der naTo
Flimmerzeit Juni 2016
Weitere Filmtermine der Woche
The Boy
Atmosphärischer Grusel um eine Porzellanpuppe mit Eigenleben. - Freaky Friday
15.7., 21 Uhr, Kinobar Prager Frühling
Birnenkuchen mit Lavendel
Die Besitzerin eines Obsthains verliebt sich in einen Mann, den sie versehentlich angefahren hat. Charmante französische Liebeskomödie. Französischer Abend mit Live-Musik von französischer Chansons-Band
16.7., 21 Uhr, Sommerkino im Scheibenholz
Kuki - Kurze für Kids
Elf kurze Filme für kleine Zuschauer. Real- und Animationsfilme.
täglich Passage Kinos
Petroleummiezen
Brigitte Bardot und Claudia Cardinale im Clinch um ein kostbares Ölfeld. Chaotischer und kultiger Klamauk-Western. Sommerkino
16.7., 21.45 Uhr, Moritzbastei
Starlet
Zwischen zwei grundverschiedenen Frauen entwickelt sich langsam eine schicksalhafte Freundschaft. Großartiges Indie-Drama von Sean Baker, der in diesem Monat mit dem gefeierten »Tangerine L.A.« in unsere Kinos kommt. – mit einer Einführung
19.7., 21.30 Uhr, 2cl - Sommerkino auf Conne Island
Dirty Dancing
Eine Tochter aus gutem Hause verliebt sich in einem Ferienhotel in den sechziger Jahren in einen Tänzer. Tanz- und Liebesfilm, der als Überraschungshit 87/88 eine Tanzwelle auslöste.
20.7., 21 Uhr, Sommerkino im Scheibenholz
Night will fall
Hitchcocks unvollendeter Lehrfilm für die Deutschen über ein 1945 unvollendet gebliebenes Filmprojekt des Großmeisters des Suspense. Im Rahmen einer Reihe zu Filmen über den Holocaust.
21.7., 21.30 Uhr, 2cl - Sommerkino auf Conne Island
Schalck-Goldokowski und die Pleite der DDR
Filmvorführung und Gespräch mit dem Regisseur Steffen Jindra und dem Redakteur Heribert Schneiders
21.7., 19 Uhr, Zeitgeschichtliches Forum
What the fuck heißt Redirected
Action-Komödie um vier Freunde auf der Flucht vor Gangstern.
21.7., 21 Uhr, Sommerkino im Scheibenholz