Kärgliche sechs Filmstarts buhlen in dieser Woche um die Gunst der Kinobesucher und die meisten Augen werden auf Sonys Reboot der »Ghostbusters« blicken. Leider ging das ziemlich in die Hose. Das liegt weder an Regisseur Paul Feig (»Brautalarm«), dessen Talent in einigen herrlich absurden Szenen durchblitzt, noch an den weiblichen Hauptdarstellern, die im Vorfeld einen unwürdigen Shitstorm im Netz über sich ergehen lassen mussten. Nein, es liegt vor allem an der Tatsache, dass man mit 160 Millionen Dollar einen Nachfolger der Kultserie produzieren wollte, der zu viele Zielgruppen zufriedenstellen will. Jung und Alt, Fans und Neulinge, Action-, wie Komödienfans. Das ging mächtig nach hinten los: die Gags zünden selten und alles wirkt schrecklich bemüht. Was bleibt, sind beachtliche Special-Effects und reichlich Lärm um viel Nichts. Der kreuzer empfiehlt dagegen einen Blick auf drei der restlichen Starts, die wir euch in dieser Woche ans Kinoherz legen.
Film der Woche: Man könnte Greta Gerwig (»Frances Ha«) leicht den Vorwurf der Wiederholung immer gleicher Rollen und Themen machen. Wenn sie nicht so umwerfend gut darin wäre, die sympathische Mittdreißigerin in der verfrühten Midlife-Crisis zu verkörpern. Zudem beweist die Kalifornierin ein hervorragendes Händchen für gute Drehbücher, zu denen sie oft selbst das ein oder andere beiträgt. So ist auch Maggie ein prototypischer Charakter in der Filmographie Gerwigs. Etwas verplant, mit einem ausgeprägten Helfersyndrom versehen, glaubt die New Yorkerin die Dinge fest im Griff zu haben. An einem Punkt ihres Lebens entscheidet sie, dass sie eine gute Mutter abgeben würde. Nur auf den Mann kann sie verzichten. Also lässt sie sich von dem gutmütigen Guy schwängern. Alles verläuft nach Plan, doch dann begegnet sie John und ihr Plan fällt in sich zusammen. Sie verliebt sich in den eloquenten Autor, der für sie aus seiner unglücklichen Ehe mit der dominanten Georgette ausbricht. Doch mit der Zeit erkennt Maggie, dass sie einen Fehler gemacht hat. Ein neuer Plan muss her. Rebecca Miller (»Pippa Lee«) verfasste das Drehbuch zu ihrer treffenden Mischung aus Screwball-Comedy und Drama in Anlehnung an die Filme der Mumblecore-Welle, deren Regisseure auf einzigartige Weise elementare Themen von durchschnittlichen Typen mit dem cleveren Dialogwitz eines Woody Allen verbinden. Ausführliche Kritik im aktuellen kreuzer.
»Maggies Plan«: ab 4.8., Passage Kinos (auch OmU)
Pedro Almodovar nahm die miteinander verwobenen Kurzgeschichten »Entscheidung«, »Bald« und »Schweigen« von Alice Munro und fügte sie zu einem mitreißenden Schicksalsweg einer Frau zusammen, der drei Jahrzehnte umspannt. Die Geschichte beginnt am Ende des Weges. Julieta ist kurz davor, ihrer Heimat Madrid endgültig den Rücken zu kehren. Ihre Koffer sind gepackt, die Umzugskisten füllen sich. Da stößt sie auf ein altes, in viele Einzelteile zerrissenes Bild ihrer Tochter Antia in einer der Schubladen. Julieta ist wie gelähmt. Sie beschließt ihre Erinnerung aufzuschreiben, um so vielleicht Frieden mit sich und ihrer Tochter zu finden. Sie erzählt davon, wie sie Antias Vater kennen lernte, wie sich die dunklen Wolken des Schicksals über dem Haus am Meer zusammenbrauten und es schließlich zum Bruch mit ihrer erwachsenen Tochter kam. Almodovar erzählt mitreißend und spannend und lässt ausreichend Leerstellen für den Betrachter, der die Geschichte im Kopf weiterspinnt. Ein gereifter Almodovar, aber nicht weniger meisterhaft erzählt. Ausführliche Kritik im aktuellen kreuzer.
»Julieta«: ab 4.8., Passage Kinos
Südspanien in der Post-Franco-Ära anno 1980: Zwei Polizisten werden aus Madrid in das malerische, aber für die Einheimischen wirtschaftlich unattraktive Marschland Andalusiens nahe Sevilla geschickt, um das Verschwinden zweier Mädchen zu untersuchen. Der Fall selbst entwickelt zwar durchaus eine spannende Eigendynamik. Vieles wird aber nur angerissen und wichtiger als minutiöse Deduktion und effekthascherische Klärung sind das von zunehmendem Misstrauen geprägte Arbeitsverhältnis zwischen den beiden Ermittlern. Rodríguez schaut genau auf die sozialen Strukturen in dem öden Landstrich und beschwört eine unheilvolle Atmosphäre, die über der sonnendurchfluteten Landschaft wabert. Somit werden zwischen den Zeilen eigentlich mehrere Geschichten gleichzeitig in betörend bedrohlichen Breitwandbildern betont ruhig und – von einer ungewöhnlichen Autoverfolgungsjagd einmal abgesehen – unaufgeregt erzählt. Der Film wird getragen von Figuren, über die man nicht viel, aber genug erfährt, um ihre unaufgearbeitete Vergangenheit zu erahnen und die ihres der Diktatur entkommenen Landes. Ausführliche Kritik von Peter Hoch im aktuellen kreuzer.
»La Isla minima – Mörderland«: ab 4.8., Schaubühne Lindenfels (OmU)
Flimmerzeit Juli 2016
Weitere Filmtermine der Woche
Die Liebenden von Pont Neuf
Mit MichËle und Alex hat es das Leben in letzter Zeit nicht gerade gut gemeint. Alex hat sein gesamtes Hab und Gut verloren. MichËle droht aufgrund einer schweren Krankheit zu erblinden. Die Pont-Neuf ist f¸r die beiden Auflenseiter ein Fluchtpunkt aus der Normalit‰t, in der sie keinen Platz mehr haben. Ein faszinierender Bilderbogen voller Impulsivit‰t, pendelnd zwischen naturalistischer Beschreibung und m‰rchenhafter ‹bersteigerung.
5.8., 20 Uhr, Kinobar Prager Frühling
Mistress America
Als die junge Literaturstudentin Tracy in ihrer neuen Heimat New York zu
vereinsamen droht, nimmt sich ihre zukünftige Stiefschwester Brooke ihrer an.
Die scheint ihr Leben im Griff zu haben und zeigt Tracy, worauf es in der
Großstadt ankommt. Quirlige Indie-Komödie mit Greta Gerwig.
6.8., 21.30 Uhr, 2cl - Sommerkino auf Conne Island (OF)
Napoleon Dynamite
Im ländlichen Idaho lebt der exzentrische Teenager Napoleon Dynamite. In der
Schule ist er ein Außenseiter und zu Hause läufts auch nicht wirklich besser.
Doch in dem neuen Schüler Pedro findet er einen Freund und Gleichgesinnten. Ein
eigenwillig-lakonischer, fabelhaft pointierter Humor durchzieht dieses
Panoptikum merkwürdiger Gestalten.
6.8., 21.15 Uhr, Open-Air-Kino in der Spinnerei
Pizza in Auschwitz
Der israelische Dokumentarfilm schildert eine Reise in die Vergangenheit aus der
Sicht eines Mannes, dessen Leben unwiderruflich vom Holocaust geprägt ist: Danny
Chanoch überlebte fünf Konzentrationslager, einen Todesmarsch und drei
Herzinfarkte.
11.8., 21.30 Uhr, 2cl - Sommerkino auf Conne Island
Filmbeiträge innerhalb der globaLE 2016, dem globalisierungskritischem
Filmfestival - mit anschließender Diskussion:
Weniger ist mehr - Die Grenzen des Wachstums und das bessere Leben
In einem Selbstversuch will die Journalistin Karin de Miguel Wessendorf
herausfinden, wie zukunftsfähig ihr eigener Lebensstil ist. In Deutschland,
Frankreich, Spanien und England geht sie der Jahrhundertfrage nach: Wie können
wir trotz begrenzter Ressourcen einen Lebensstandard aufrechterhalten? - Im
Anschluss Diskussion mit der Filmemacherin.
8.8., 20 Uhr, NABU Naturschutzstation, Teichhaus 1, Frohburg
Revolution mit bloßen Händen. La trajectoire d'un peuple. Le Burkina Faso
Ein filmisches Dokument der Erinnerung an den Volksaufstand im Oktober 2014 in
Burkina Faso gegen das diktatorische Regime von Blaise Compaoré. Der Film nähert
sich ProtagonistInnen des Aufstandes an und besucht symbolkräftige Orte. Er
stellt die Frage nach Motivationen und Gründen in den Lebensbedingungen der
Bevölkerung sowie in den Erinnerungen an vorausgegangene Kämpfe der letzten
Jahrzehnte. - Anschließend Filmgespräch mit Regisseur Hans-Georg Eberl
10.8., 20 Uhr, Clara-Zetkin-Park
Agrokalypse - Der Tag an dem das Gensoja kam
Der Film erzählt die Geschichte der brasilianischen Ureinwohner vor dem
Hintergrund des weltweiten steigenden Fleischkonsums und zeigt, wie wir mit
Lebensmitteln die Welt verändern.
11.8., 20 Uhr, Clara-Zetkin-Park
Regina Jonas - Die erste Rabbinerin der Welt
Künstlerischer Dokumentarfilm über Regina Jonas, die weltweit erste Rabbinerin,
ihren Kampf für Gleichberechtigung im Judentum und gegen die
nationalsozialistische Verfolgung in Deutschland. Anschl. Gespräch mit Lara
Dammig von Bet Debora.
9.8., 19.30 Uhr, Cinémathèque in der naTo
Surffilmnacht
US-Regisseur Jason Baffa ("One California Day", "Single Fin Yellow") reiste im Herbst entlang der ligurischen und toskanischen Mittelmeerküste, um ein Porträt der Menschen, der Wellen und der Surfkultur Italiens zu drehen.
10.8., 21 Uhr, Sommerkino auf der Feinkost
City Walls: My Own Private Teheran - Meine Familie in Teheran
Nach fünf Jahren in der Schweiz reist die iranische Dokumentarfilmerin Afsar
Sonia Shafie zurück in die Heimat. Denn in Teheran leben die Frauen, die sie
geprägt haben. Sie bemüht sich, in bewegenden und fast schon intimen Bildern vom
Leben dreier Frauengenerationen im Iran zu erzählen. Und auch wenn die Machart
recht unspektakulär ist und der Film nicht gerade mit einer originellen
Bildsprache aufwarten kann, so ist sein Inhalt umso beeindruckender.
12.8., 19 Uhr, Frauenkultur
Univers'l
Alltag und gesellschaftlicher Mikrokosmos in South Central Los Angeles,
eingebettet in die Ausschreitungen 1992 um rassistische Polizeigewalt.
Verschiedene Akteure werden am 29. April 1992 durch Los Angeles begleitet. In
der Reihe »California über Alles«
12.8., 21.30 Uhr, 2cl - Sommerkino auf Conne Island (OF)