»Was für 1 Abriss« haben die werten Metal-Impetus-Kollegen als Artikeltitel vorgeschlagen. Da steckt eigentlich alles drin, denn nichts anderes als ein einziger Abriss war das Party.San 2016, auch wenn die Leute zwischendurch mehr übers Wetter jammerten, statt zu jamen. Windig-kalter Donnerstag, nass-kühler Feitag und volle Pulle Hitzewallungen am Sonnabend brachten den Kreislauf wahlweise in Wallung und den Körpern zum Zittern als es insgesamt sagenhafte 51 Bands zu sehen gab. Fast alle hat sich der Autor dieser Zeilen angeschaut. Der Versuch, sie alle ausführlich zu loben und tadeln, muss hier flachfallen. Dem steht nicht nur der Restalkohol im Weg.
Eine Leipziger Formation machte den Opener: die am kompliziertesten zu googelnde Band ever: I I. Das ist keine römische Zwei oder verkappte 11, Einself schon gar nicht. Das sind zwei Is – muss man halt nur wissen, dann ist es nicht mehr so schwer –, die für Infernal Invocation stehen. Gorgoroth’ ebensolches Ritual lässt grüßen und auf den damit vorgegebenen eisigen Pfaden wandelt I I, um weltgewandt antimondän gegen die Realität anzurennen und zu lateinern: »Contra mvndvm, semper et in aeternvm.« Hübsch garstig und grobschlächtig schepperte ihr oldschooliger Schwarzwurzelauflauf los. Auf unnötige Ansagen verzichtete Sänger Matze, den man sonst als Zapfhahn in der Hafenbar schätzt, und sirrend flogen die Schrapnelle über die Köpfe des erstaunlich zahlreich erschienen Publikums hinweg. Kurzum: Ein perfekter Black-Metal-Start für das in diesem Jahr eher tempolastige Festival, dessen Headliner fast allesamt überzeugten. Die anderen Tage fingen jeweils mit der bewährten Taktik an, mit Porngrind Bewegung in die Meute zu bringen.
Der Freitag zeigte sich insgesamt stark: Gruesome versetzten allen romantisches Todesvorstellungen einen Nackenschlag. Nachdem sie einige Jahre wenig lustvoll unterwegs waren, hatten sich Obituary ja längst wieder von der sympathischen Seite gezeigt. Da legten sie noch ein Pfund drauf und zeigten, dass ihre Handwerkskunst alt, aber nicht veraltet ist. Back to the Nineties führte ihr Siegeszug, den auch die lahmen Paradise Lost nicht mehr aufhalten konnten. An den zu klaren Gesang von At the Gates wird ich mich wohl nicht mehr gewöhnen, aber live legten sich ins Zeug, dass man staunen konnten. In dieser Hinsicht muss auch den alten Herren von Exodus Respekt gezollt werden. Man muss ihr Gethrashe nicht mögen, um am Druckaufbau gefallen zu finden.
Goatwhore, Grave, Nifelheim ... einige andere Band wären noch lobend zu erwähnen. Carcass und Dying Fetus schossen alle Vögel ab. Da es Samstagnacht bei ersteren zur Mitternachtsstunde schon recht leer war, konnte man ziemlich weit vorn dicht dabei sein, wenn das medizinische Gerät zur Grindcore-Autopsie rausgepackt wurde und die Seziermesser zur Vivisektion ansetzte: Wie anno 2013 am gleichen Ort ballerten sie seine gute Stunde bestens gelaunt los. Kurz zuvor haben sich schon Dying Fetus als hochtemperierte Nackenbrecher erwiesen. Clack, clack, clack, klöppelte das Schlagzeug, die Blastbeats überschlugen sich und wahnwitzig schnelle Gitarren begleiten den ziemlich technischen Lärm. Grandios!
Lets talk about gender: Auffällig ist, dass immer mehr Frauen sich auf dem Party.San bewegen, das Jungs-Ding als Image scheint also langsam wirklich abzunehmen. Fein. In Sachen Gender-Trouble zeigten sich Tribulation kreativ, jenseits ihres nicht ganz so eingängigen Prog-Death-Gezupfe. Immer wieder meinte jemand, da eine Frau an der Gitarre zu sehen, was sich als falsch herausstellte und nur an der Kleidung lag – schöner können Klischees nicht vorgeführt werden. Danke dafür. Und wenn ein Händler noch versteht, dass auch Männer ein Recht aufs Shirt »Sei Pippi, nicht Annika« haben, wäre das auch geklärt. Und nun auf in die Hafenbar oder wo der geneigte Leser sonst so sein Konterbier einzunehmen beliebt. Slainte!