Der Kinoherbst wirft seinen Schatten voraus und dazu gehört alljährlich auch die Filmkunstmesse. Zum 16. Mal präsentiert die AG Kino eine Aussicht auf kommende Kinohighlights, exklusiv fürs Leipziger Publikum. Mit dabei der irrwitzige »Swiss Army Man«, Pablo Larraíns in Cannes gefeierter »Neruda«, Witziges aus dem hohen Norden mit »Welcome to Norway« und die Neuauflage des Fantasy-Märchens »Das kalte Herz« mit Top-Besetzung. Vom 19.–23.9. wird Leipzig wieder zum Nabel der Programmkinowelt. Die Programmhefte liegen jetzt schon aus. Bis dahin gibt es aber auch einige gute Gründe ins Kino zu gehen. Die besten dieser Woche findet ihr hier...
Film der Woche: Charme – es wundert nicht, dass dieses Wort aus der Französischen Sprache entliehen ist, schaut man sich die Vielzahl der Komödien aus dem Nachbarland an. Das deutsche Kinopublikum tut dies mit Wonne und auch deshalb vergeht kein Monat ohne einen Vertreter des Genres. Meist zurecht, denn im Gegensatz zu den oft bemüht wirkenden Humoresken des Deutschen Kinos, vergisst das Französische auch bei aller Leichtigkeit nicht, dass zu einem guten Film auch gute Figuren gehören, mit denen man gern lacht und leidet. Die Mischung aus liebenswerter Protagonistin und charmanter Geschichte geht auch bei „Die fast perfekte Welt der Pauline“ nahezu perfekt auf. Das Regiedebüt von Marie Belhomme lebt von seiner Hauptdarstellerin Isabelle Carré (»Die Anonymen Romantiker«) und der liebenswerten Pauline, die von ihr verkörpert wird. Pauline ist 39 und hat ihren Platz im Leben noch nicht gefunden, gerade so wie es der Originaltitel »Les chaises musicales« (die französische Form des Kinderspiels »Reise nach Jerusalem«) andeutet. Als Alleinunterhalterin zieht sie von Kindergeburtstagen zu Seniorentees, bewaffnet mit ihrer Violine, doch wenn die Musik stoppt, ist sie die einzige die steht. Dann geschieht ein Unfall und durch ihre Schuld landet ein Mann im Koma. Fortan verbringt sie ihre Zeit zwischen dem Krankenhaus und der Wohnung des Fremden, um sich um seinen Hund Spleen und seinen Sohn Arsène zu kümmern. Doch wenn die Musik verklingt, sitzt sie doch wieder nur auf dem Platz eines Anderen, anstatt ihr eigenes Leben in den Griff zu bekommen. Auf den Weg hat ihr Belhomme, die das Drehbuch gemeinsam mit Michel Leclrec (»Der Name der Leute«) verfasste, allerlei herrlich absurde Situationen gelegt, die „Die fast perfekte Welt der Pauline“ zu einer sommerleichten charmanten kleinen Komödie machen.
»Die fast perfekte Welt der Pauline«: ab 25.9., Passage Kinos
»Creature Features« sind seit den Siebzigern immer wieder im Trend. Ob „The Shallows“ für eine Renaissance in den 2010ern sorgt, bleibt abzuwarten. Immerhin war das Subgenre in letzter Zeit durch Hochglanztrash wie „Sharknado“ eher zur Lachnummer verkommen. »The Shallows« aber meint es ernst und inszeniert einen Haiangriff als (halb)nackten Survivalhorror. Nicht nur optisch wird der recht schmal produzierte Streifen getragen von Blake Lively (»Für immer Adaline«) als Nancy. Sie wandelt in Mexiko auf den Pfaden ihrer Mutter, deren Krebstod Nancy nicht verarbeiten kann. Einst war ihre Mum leidenschaftliche Wellenreiterin und hatte einen geheimen Strand an der mexikanischen Küste entdeckt, zu dem der Einheimische Carlos Jahre später nun auch Nancy führt. Er lässt sie dort allein zurück. Ihre Freundin hat sich ausgeklinkt und auch die beiden Surfer, die ebenfalls die einzigartigen Wellen genießen, verabschieden sich bald. Schlecht für Nancy, denn die sieht sich mit einem Monsterhai konfrontiert, der geduldig seine Runden um den Walkadaver zieht, auf den sich Nancy gerade noch retten konnte. Ein Kampf ums Überleben beginnt. Dabei ist der Strand stets in greifbarer Nähe und doch unerreichbar. Der Spanier Jaume Collet-Serra (»Orphan – Das Waisenkind«) spielt gekonnt auf der Spannungsklaviatur und Blake Lively bringt Angst und Überlebenswillen ihrer Figur überzeugend rüber. Die eingestreuten Rückblenden, die den Genrefilm mit einer Hintergrundstory unterfüttern sollen, sind jedoch entbehrliches Haifutter.
»The Shallows«: ab 25.9., CineStar, Regina Palast, Cineplex
Ihr Großvater ist nicht mehr Derselbe, seit seine Söhne den 2000 Jahre alten Olivenbaum entwurzeln ließen, um mit dem Erlös ein Restaurant aufzubauen. Das liegt längst in Trümmern als Alma mitansehen muss, wie ihr geliebter Opa Jahre später vor sich hin siecht. Die fortschreitende Demenz macht eine Abschiebung ins Heim unausweichlich. Alma bricht es das Herz. Sie glaubt, ihren Großvater retten zu können, wenn sie nur den Baum wieder dorthin verpflanzt, wo sie einst auf ihm herumkletterte. Sie findet ihn mit Hilfe ihrer Freundinnen in der Lobby eines Energieunternehmens in Düsseldorf und begibt sich mit Rafa und ihrem Onkel Alcachofa auf die waghalsige Reise nach Deutschland.
Dabei stehen ihr einige deutsche Umweltaktivistinnen bei, was plottechnisch ein wenig unbeholfen wirkt und nicht wirklich viel zu der berührenden Familiengeschichte beiträgt. Der Film der Spanierin Icíar Bollaín, entstanden nach einem Drehbuch von Ken Loach-Autor Paul Laverty, lebt von seiner starken Hauptdarstellerin Anna Castillo. 100 Kinominuten fiebert man mit ihr mit und versteht die innere Zerrissenheit ihrer Figur. Auch ohne zu sehr auf die Gefühlsknöpfe zu drücken, erreicht »El Olivio« die Herzen der Zuschauer.
»El Olivio – Der Olivenbaum«: ab 25.9., Passage Kinos
Flimmerzeit August 2016
Weitere Filmtermine der Woche
globaLE
Macht ohne Kontrolle - Die Troika
Die Armen werden ärmer und die Reichen reicher. Ist das Europas Politik? Leidenschaftlich fordert Harald Schumann mehr Transparenz und Verantwortung für ein soziales Europa. Dafür nimmt er seine Zuschauer mit auf eine packende Recherchereise, bei der er dem Ursprung und den Auswirkungen konkreter Entscheidungen der Troika auf den Grund geht.
25.8., 20 Uhr, Richard-Wagner-Hain am Elsterbecken
The true cost
Der wahre Preis der Kleidung. Moderne Textilproduktion und ihre Opfer.
26.8., 20 Uhr, Richard-Wagner-Hain am Elsterbecken
Krater für den Frieden: Wie der militärisch-industrielle Komplex die Abrüstung überlebte
Nach offizieller Lesart tragen die Sowjets bis heute die Alleinschuld an der deutschen Teilung, dem Kalten Krieg und dem Rüstungswettlauf. Der Dokumentarfilm offenbart eine andere Sicht der Dinge. - globaLE
1.9., 20 Uhr, Passage Kinos
Total Eclipse of the Heart
Trickfilm-Shorts von Schwarwel mit anschließendem Filmgespräch.
1.9., 20 Uhr, Kinobar Prager Frühling
Kosmonautensehnsucht
Als Theaterinspizientin ist Miriam es gewohnt, dass alle auf ihre Anweisungen hören. Während der Sommerferien sitzt sie zu Hause. Sie wartet auf die Rückkehr der Kosmonautin, in die sie verliebt ist. Gemeinsam mit ihr möchte sie den Sommer verbringen. Leipziger Produktion mit Vorfilm. Am 28.8. Premiere in Anwesenheit des Filmteams.
28.8., 19 Uhr, Kinobar Prager Frühling
29.8., 21 Uhr, Sommerkino auf der Feinkost
..., dass das heute noch immer so ist. Kontinuitäten der Ausgrenzung
Der Dokumentarfilm von Heike Rode und Tom Weller schildert exemplarisch die Geschichte von Verfolgung und Stigmatisierung sogenannter Asozialer im Nationalsozialismus. Im Anschluss gibt es ein Filmgespräch mit Regisseurin Heike Rode
29.8., 20 Uhr, Cineding
Der besondere Film 2x mal
Zwei Dokumentarfilme: aus Australien »Jillaroos - Cowgirls im australischen Outback« und der deutsche Film »Pocahontas... Liebe und Überleben in der Neuen Welt«.
30.8., 18 Uhr, Frauenkultur
Fourth Man out
Ein Mechaniker in einer amerikanischen Kleinstadt hat sein Coming Out, sehr zur Überraschung seiner besten Freunde. - Queerblick
31.8., 19 Uhr, Passage Kinos