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Filmkritik

Grauzone Italien

Die Kinostarts im Überblick und was sonst Filmisches in der Stadt geschieht

  Grauzone Italien | Die Kinostarts im Überblick und was sonst Filmisches in der Stadt geschieht

Das italienische Kino hat an Stärke gewonnen, das beweist nicht zuletzt der Goldene Bär in diesem Jahr für »Seefeuer«. Waren es zuletzt noch vornehmlich seichtere Töne, die es aus dem Schatten Berlusconis auf die Leinwand schafften, behandeln aktuelle Produktionen zunehmend soziale Themen. »Terra di mezzo«, die undefinierte Grauzone, ist allgegenwärtig. Sechs Produktionen bringt das »Cinema Italia« nach Leipzig. Ein facettenreicher Blick auf die soziale Realität der Halbinsel.

»Cinema Italia!«: 1.–7.12. Passage Kinos

Film der Woche: »Der beste tschechische Film aller Zeiten« – Superlative um »Marketa Lazarová« gibt es viele. Umso mehr lohnt ein Blick auf die Tatsachen: Drop Out Cinema bringt den bereits 1967 fertiggestellten Film des tschechischen Regisseurs František Vláčil in die Kinos. Und das tatsächlich zum ersten Mal in Deutschland. Bisher konnte man das auf dem gleichnamigen Roman von Vladislav Vančura basierende Historien-Epos nur über das Ausland beziehen. Die bildgewaltige und düstere Geschichte um zwei im Mittelalter miteinander verfeindete Clans, die sich nichts zu vergeben haben, muss auch fraglos im Kino gesehen werden. Nur hier können die satten Schwarz-Weiß-Bilder den Sog entfalten, für den sie komponiert wurden. Vláčil fängt die Zeit des gerade sich etablierenden Christentums ein. Beide Welten – die noch nicht gänzlich verschwundenen heidnischen Bräuche und das immer vordringlicher werdende Christentum – werden in rauschhaften Bildern immer wieder miteinander vermischt und erhalten durch etliche Anspielungen Referenz. Ein gewaltiger Brocken Film: dreckig und düster, mit praller Lust am Geschichtenerzählen, derb genug, um Angst einzuflößen, aber trotzdem oft überraschend schön. Ausführliche Kritik von Inga Brantin im aktuellen kreuzer.

»Marketa Lazarová«: ab 1.12., Luru Kino in der Spinnerei

Ein Personenflugzeug stürzt mitten hinein in die Wolkenkratzer Manhattans. Ein flammendes Inferno fegt durch die Straßen. Chesley Sullenberger erwacht aus einem Albtraum in seinem Hotelzimmer. Es ist 2009. New York ist nach wie vor traumatisiert vom 11. September 2001. Das Land braucht einen Helden und findet ihn in »Sully«. Der erfahrene Pilot und sein Partner Jeff Skiles retteten wenige Stunden zuvor durch eine spektakuläre Notwasserung im Hudson River alle 155 Passagiere des Airbus 320, nachdem durch einen Vogelschwarm kurz nach dem Start beide Turbinen ausgefallen waren. Doch war die Notlandung wirklich erforderlich? Und wie wirkt sich der plötzliche Ruhm auf den routinierten Piloten, der kurz vor der Rente steht, aus? Clint Eastwood erzählt die Geschichte des legendären Flugs 1549 konsequent aus Sullys Perspektive, den Tom Hanks mit ruhiger Integrität verkörpert. Man mag seine Weltsicht nicht teilen, auf der handwerklichen Seite ist er aber immer noch ein Meister seines Fachs und »Sully« wird bei den kommenden Oscars mit Sicherheit gut im Rennen stehen. Ausführliche Kritik im aktuellen kreuzer.

»Sully«: ab 1.12., Cineplex, CineStar, Regina Palast

In Mondomanila, einem Slum der philippinischen Hauptstadt – der bereits im gleichnamigen Exploitationstreifen Khavns Ort des Geschehens war –, sind die Bewohner, meist Jugendliche und Kinder, sich selbst und einer Fressen-oder-Gefressenwerden-Moral überlassen. Gemeinsam bilden sie die Kostka-Gang, die raubt und alle ermordet, die sich ihr in den Weg stellen. Die Bande – unter ihnen »Eintagsküken« (»Hat erst rauchen, dann Laufen gelernt«) und »Schneemann« (»Ernährt sich nur von Eiscreme, hat seinen Vater ermordet«) – scheitert beim vermeintlich perfekten Coup, eine Bank zu überfallen. Ihr Anführer, schlicht Boss genannt, muss als einziger Strafmündiger für mehr als 30 Jahre in den Knast. Als Boss zurückkehrt, trifft er die alten Mitstreiter wieder, die ihm auf einen Teil der damaligen Beute hoffend die Treue halten. Als einer nach dem anderen einem scheinbar rachsüchtigen Mörder zum Opfer fällt, verdächtigt schließlich jeder jeden und die Gewaltspirale nimmt noch mehr an Fahrt auf. Ausführliche Kritik von Sebastian Gebeler im aktuellen kreuzer. »Alipato – The brief of life of an ember«: ab 1.12., Cineding

 

Flimmerzeit_November_2016

 

Weitere Filmtermine der Woche

Shutter Island Ein U.S.-Marshall landet 1954 mit seinem Partner auf dem abgelegenen Shutter Island, wo aus einem Krankenhaus für geisteskranke Schwerverbrecher eine Mörderin spurlos verschwunden ist. Schnell wird ihm klar, dass er keine Unterstützung von den Ärzten zu erwarten hat: Offenbar will man ihn auf falsche Fährten locken und als Schachfigur in einem finsteren Spiel instrumentalisieren. – Psychoanalyse trifft Film – mit psychoanalytischer Betrachtung durch Dr. Arndt Ludwig 2.12., 19.30 Uhr, Passage Kinos

Iran: The Art of Resistance (Cinémathèque) Die »Grüne Revolution« entfachte vor sechs Jahren Hoffnung auf Veränderungen in der islamischen Republik. Doch nach wie vor kann von sozialer und politischer Freiheit im Iran nicht die Rede sein. Filmemacher wehren sich dagegen und riskieren dabei oftmals ihr Leben. Eine Reihe von vier Filmen in der Cinémathèque unterstreicht die Lebensfreude junger Menschen im Iran und den Willen nach Veränderung. Immer wieder spielt die Musik dabei eine wesentliche Rolle. 4., 6./7.12., Cinémathèque in der naTo

Die Muppets Weihnachtsgeschichte Was für ein verbitterter Geizkragen ist doch dieser Ebenezer Scrooge. Erst durch eine magische Reise erkennt er die wahre Bedeutung von Weihnachten. Was gibt es Schöneres, als zwischen Weihnachtsessen und Geschenken der verrückten Muppetgang auf der großen Leinwand zu folgen? 3.12., 16 Uhr, Kinobar Prager Frühling

Projekt A – Eine Reise zu anarchistischen Projekten in Europa Der Dokumentarfilm taucht ein in die vielschichtige Welt der Anarchisten und bricht mit den gängigen Klischees über Steinewerfer und Chaoten. Er eröffnet viel mehr den Blick auf eine Bewegung, die das Unmögliche fordert, an den Grundfesten unserer Gesellschaft rüttelt und gerade deshalb das Augenmerk auf zentrale ungelöste Fragen unserer Zeit lenkt. 4.12., 20.30 Uhr, Kinobar Prager Frühling

Winna – Weg der Seelen Legenden über Geister kennt im Wallis in der Schweiz jedes Kind. In dieser Doku kommen Menschen zu Wort, die in der einen oder anderen Form glauben, Kontakt mit Personen aus dem Jenseits gehabt zu haben. 4.12., 16 Uhr, Kinobar Prager Frühling

Die Abenteuer des Werner Holt Kriegserfahrungen Jugendlicher in den letzten zwei Jahren des Zweiten Weltkriegs. Nach einem Roman von Dieter Noll. 5.12., 19 Uhr, Zeitgeschichtliches Forum

 

Slowakische Filme

Ruhe in der Seele Nach 5 Jahren aus dem Gefängnis entlassen, sucht Tóno nach seinem neuen-alten Platz in der slowakischen Dorfgemeinschaft am Rande der Niederen Tatra. Eine Geschichte über Wilderei und Patriarchat, rassistische Sentiments und Liebe, Freundschaft und Glauben. 7.12., 17 Uhr, Kinobar Prager Frühling

Vöglein, Waisen und Narren Die Geschichte zweier junger Männer, die sich gegen das Erwachsenwerden wehren und in die Welt der Fantasie fliehen wollen. Daran werden sie durch die Liebe zu einer jungen Frau hartnäckig gehindert. Ein formal bemerkenswerter Film, der Vision und Wirklichkeit miteinander verschränkt und als allegorischer Kommentar zur politischen und sozialen Ordnung der damaligen CSSR gedeutet werden kann. – Slowakische Filme 6.12., 18 Uhr (OmU), Kinobar Prager Frühling

 

Kinder! Liebe! Zukunft! Das Leben in einer Patchworkfamilie und die Auseinandersetzung mit dem nahenden Krebs-Tod des Familienvaters. Fortsetzung des Projekts »Kinder! Liebe! Hoffnung!« von 2013. – Premiere mit Regisseurin Sigrid Faltin 7.12., 19 Uhr, Luru-Kino in der Spinnerei

Shanghai Story Eine vor der Kulturrevolution wohlhabende Familie wird am Sterbebett des Familienoberhauptes nach mehreren Jahrzehnten der Entfremdung wieder zusammen geführt und kann dabei nicht alle ihre Differenzen beilegen. Film von Peng Xiaolian aus dem Jahre 2004 7.12., 19 Uhr, Konfuzius-Institut Leipzig (OmeU)

Alice im Wunderland Die Abenteuer einer 17-Jährigen, die sich am Rande eines Fests anlässlich ihrer unfreiwilligen Verlobung davonstiehlt, um einem mysteriösen weißen Hasen in ein Erdloch zu folgen. Dort unten erwartet sie eine magische, wundersame Welt, die jedoch nicht ohne Gefahren ist ... Visuell gewohnt eindrückliche Neuverfilmung des Carroll-Klassikers von Tim Burton. 8.12., 20 Uhr, Moritzbastei

Can’t be silent Sie sind Sänger, Musiker, Rapper und doch Ausgeschlossene und Abgeschobene. Nuri (Dagestan), Jacques (Elfenbeinküste), Hosain (Afghanistan) und Revelino (Elfenbeinküste) haben ihr Land auf der Suche nach einer neuen Heimat verlassen. Interniert in Flüchtlingslagern und zum Stillstand verurteilt, leben sie ihren Flüchtlingsalltag. Heinz Ratz hat 80 Asylbewerberheime in Deutschland besucht und dort Musiker von Weltklasseformat gefunden. 8.12., 19.30 Uhr, Dresdner59


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