Mike Mills ist eines jener raren Geschenke des US-Kinos. Als Regisseur von Musikvideos machte er sich in den Neunzigern einen Namen. Schon die waren kleine Filme. Insbesondere seine Zusammenarbeit mit Air zum Album »Moon Safari« hat einige einzigartige Kurzfilme hervorgebracht. Seit seinem Debüt »Thumbsucker« beschenkt der 51-Jährige uns alle fünf, sechs Jahre mit einem Spielfilm. Zuletzt die einfühlsame Vater-Sohn-Geschichte »Beginners«. Mit »Jahrhundertfrauen« schenkt er uns einen der besten Filme des laufenden Jahres. In dieser Woche läuft er in den Leipziger Kinos an. Was es sonst noch zu sehen gibt, verraten wir euch aber natürlich auch ...
Film der Woche: Der Teenager Jamie wächst ohne Vater auf. Seine Beziehung zur Mutter Dorothea ist entspannt. Seine beste Freundin Julie wird allmählich zu mehr als nur einer Sandkastenliebe. Und dann ist da noch Abbie, ein künstlerischer Freigeist, der zur Untermiete wohnt. Als seine Mutter den Handwerker William ins Haus holt, tut sie dies auch für Jamie. Mit der aufkeimenden Pubertät fühlt sie sich überfordert und denkt, ihr Sohn brauche eine männliche Bezugsperson. Mit denen hält es Dorothea aber nie lange aus. Alle Protagonisten in Mills drittem Langfilm befinden sich an einem Scheideweg und sie reden darüber. Es gibt wenig, das unausgesprochen bleibt. Doch die Dialoge sind die größte Stärke von Mike Mills’ Drehbuch, das auch für den Golden Globe nominiert wurde und von der menschlichen Wärme zwischen den Zeilen und dem großartigen Ensemble, allen voran das »Muttertier« Annette Benning, zum Leben erweckt wird. Das realistische Bild der amerikanischen Gesellschaft an der Schwelle der Achtziger, als die Hippie-Ideale vom Kapitalismus eingeholt wurden, betrachtet aus der Perspektive eines Jungen auf der Schwelle zum Erwachsenwerden – Mike Mills ist mit »Jahrhundertfrauen« ein leises Meisterwerk gelungen.
»Jahrhundertfrauen«: ab 18.5., Passage Kinos
Mit verzweifelter Miene sitzt Katja im Lehrerzimmer und lässt sich von einem Kollegen Mut zusprechen – irgendwie hatte sie sich ihre Zeit an der Gesamtschule ganz anders vorgestellt. Eigentlich wollte sie spannende Inhalte vermitteln, doch die Schüler schenken ihr keine Aufmerksamkeit – wenn sie überhaupt zum Unterricht erscheinen. Katja ist Referendarin, gerade hat sie die Uni abgeschlossen und muss nun in der Praxis ihre Eignung als Lehrerin unter Beweis stellen. Auch Anna (Grundschule) und Ralf (Gymnasium) stellen sich dieser Bewährungsprobe. Sie sind die drei sehr unterschiedlichen Protagonisten in »Zwischen den Stühlen« von Jakob Schmidt. 300 Stunden Material hat der junge Regisseur für seinen Abschlussfilm an der Filmuniversität Babelsberg gesammelt, daraus entstanden ist ein eindrückliches, sensibles und sehr ehrliches Porträt über drei junge Referendare, die sich in einem Schwebezustand zwischen Lehren und Lernen befinden, und die eine Entscheidung treffen müssen, wie weit sie sich mit dem Schulsystem arrangieren wollen. Gleich vier Preise konnte Jakob Schmidt mit seinem Dokumentarfilm beim DOK Leipzig Festival 2016 mit nach Hause nehmen. Darunter den DEFA-Förderpreis und den Healthy Workplaces Award für den besten Film zum Thema Arbeit. Der Film lädt dazu ein, Referendare – und Lehrer im Allgemeinen – wieder mehr als Menschen wahrzunehmen und nicht nur als Roboter des Systems. Ausführliche Kritik von Hanne Biermann im aktuellen
kreuzer.
»Zwischen den Stühlen«: ab 18.5., Passage Kinos, am 23.5. in Anwesenheit von Regisseur Jakob Schmidt.
MMA ist ein hartes Gewerbe: Für Mixed Martial Art, das alle möglichen Kampfkünste zum Technikcocktail aus Schlag-, Tritt- und Ringmoves verbindet, braucht man neben Können eine Menge Ausdauer – und muss einstecken können. Susanne Binninger begleitet drei Käfigkämpfer auf ihrem Weg zum nächsten Sieg – oder zur Niederlage. Spannende Einführung in ein weniger bekanntes Sportphänomen, in den Traum von Anerkennung und Geldregen sowie den lebensbejahenden Rausch des Kampfes. TOBIAS PRÜWER
»Fighter«: ab 18.5., Schaubühne Lindenfels
Flimmerzeit_Mai_2017
Weitere Filmtermine der Woche
Frisch aus Ungarn
anschl. »East Punk Memories« (F 2012 Dok; OmeU) – Zweimal Punk aus Ungarn im Film im Rahmen der Veranstaltungsreihe »Warschauer Punk Pakt«
18.5., 20 Uhr, Cinémathèque in der Nato
Sewol
Dokumentation über die Folgen eines Fährunglücks im April 2014, bei dem 304 Menschen, darunter 250 Schüler, ums Leben kamen. Seitdem kämpfen die Angehörigen darum, dass ein unabhängiger Untersuchungsausschuss die Ursache, den anschließenden Rettungseinsatz sowie das schlechte Krisenmanagement aufklärt – Mit einem Filmgespräch mit der Regisseurin Ok-Hee Jeong
18.5., 20 Uhr, Cineding
Short Movie Slam #2
Aufführung der auf shortmovieslam.de eingesandten Filme. Überraschungen garantiert.
19.5., 19.30 Uhr, Luru-Kino in der Spinnerei
Symphony Of Chaos
Leipzig 1989–2000: Im nunmehr 5. Jahr organisiert der »Urban Up«-Haufen das Streetart- und Graffitifestival in Leipzig. Der passende Film dazu ist eine Zeitreise in das Leipzig der wilden Nachwendezeit.
19.5., 21 Uhr, UT Connewitz
Captain Fantastic
Das Sommerkino auf der Spinnerei eröffnet mit einem der besten Filme des vergangenen Kinojahres: Ein durch und durch außergewöhnlicher Film mit einem starken Viggo Mortensen, der als Familienoberhaupt versucht, seine Kinder vor der Außenwelt zu beschützen. Anschließend Austausch und Diskusison mit der Gruppe WinD Leipzig.
19.5., 21.15 Uhr, Open-Air-Kino in der Spinnerei
Pfarrer
Kein Verstecken hinter Formeln oder Autoritäten: Die Dokumentarfilmer Chris Wright und Stefan Kolbe beobachten junge Frauen und Männer bei der Ausbildung zum Pfarrer. Anschl. Gespräch mit dem Regisseur Chris Wright und Pfarrer Wolf-Jürgen Grabner
21.5., 13 Uhr, Passage Kinos
The Fall – Live at the Dead Sea
Filmpremiere in Anwesenheit der Band Tiny Fingers
Konzertfilm von und mit Tiny Fingers aus Israel, Filmpremiere in Anwesenheit der Band.
21.5., 19 Uhr, Luru-Kino in der Spinnerei
Prosperos Bücher
Aufwendige, moderne Verfilmung von Shakespeares »Der Sturm« um menschliche Selbstfindung zwischen Illusion und Wirklichkeit. Im Mittelpunkt der anspruchsvollen Bildmontage steht die Schauspielpersönlichkeit des legendären Shakespeare-Veteranen John Gielgud. – Kammermusik und Film
23.5., 17 Uhr, Schaubühne Lindenfels (OmU)
Right now wrong then
Der koreanische Regisseur Ham Cheon-soo reist auf einer Kinotour mit einem seiner Filme in die Großstadt Suwon im Nordwesten seiner Heimat. Dort trifft er auf eine junge Frau, Yoon Hee-jeong, die als Malerin arbeitet, und freundet sich mit ihr an. Auf dem 68. Internationalen Filmfestival von Locarno mit dem Goldenen Leoparden prämiert. Reihe »Un-cut: Die Ästhetik der schnittlosen Montage«
23.5., 19.30 Uhr, Cinémathèque in der Nato (OmU)
Grease
Das Kultmusical von 1978 in einer Sing-Along Version.
24.5., Cineplex .20 Uhr, CineStar, 19.45 Uhr
Surf Film Nacht
Mit »Finnsurf«, der ersten finnischen Surfdoku der Welt, und dem australischen »This Time Tomorrow«.
24.5., 21 Uhr, Kinobar Prager Frühling
Trainspotting Double Feature
Danny Boyles Kultfilm »Trainspotting« von 1996 im Doppel mit der Fortsetzung »T2 Trainspotting«, 20 Jahre später.
24., 27.5., 19 Uhr, Schaubühne Lindenfels
Yes, we fuck
Dokumentarfilm über eine Aktivistengruppe, die für sexuelles, queeres Empowerment für Menschen mit und ohne geistige und körperliche Behinderungen eintritt.
24.5., 20 Uhr, Cinémathèque in der Nato