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Filmkritik

Geistreich oder hirnlos

Die Kinostarts im Überblick und was sonst Filmisches in der Stadt geschieht

  Geistreich oder hirnlos | Die Kinostarts im Überblick und was sonst Filmisches in der Stadt geschieht

Der Juni dümpelt da weiter, wo der maue Mai aufgehört hat: Grad läuft nix. Gute Gelegenheit, um die Highlights der vergangenen Monate im Open-Air-Kino nachzuholen, was jetzt neben der Feinkost auch im Luru geht (das Conne Island zieht am 29.6. nach). Oder ihr holt den ein oder anderen Klassiker nach. Perfekt passend zwischen den Kinostarts von dem Scarlett-Johansson-Remake »Ghost in the Shell« und dem kommenden von »Blade Runner« gibt es den Kultanime von Mamoru Oshii noch zwei Mal zu sehen: Oshii schuf mit seiner Adaption des Mangas von Masamune Shirow ein Meisterwerk der Zeichenkunst. Angelehnt an Philip K. Dicks »Blade Runner« war »Ghost in the Shell« selbst stilprägend und inspirierend z. B. für die »Matrix«-Reihe. Anlässlich der nur teilweise gelungenen US-Realfilm-Adaption kommt nun das Original von 1995 noch einmal für zwei Nächte auf die große Leinwand.

Ghost in the Shell: 2., 9.6., Cinestar, Cineplex & UCI

Film der Woche: Für »In Zeiten des abnehmenden Lichts« bedurfte es einer gewaltigen Kompression. Während der über 500 Seiten lange Roman von Eugen Ruge einen Zeitraum von 1952 bis 2001 abdeckt und u. a. in Mexiko und der sowjetischen Provinz spielt, konzentriert sich das Drehbuch von Wolfgang Kohlhaase auf den 90. Geburtstag des Protagonisten Wilhelm Powileit. Diesen begeht der originelle und leicht demente stalinistische Hardliner in einer Berliner Villa – für ihn unglücklicher Weise im Oktober 1989, zu einem Zeitpunkt, als die meisten seiner Mitbürger das gesamtgesellschaftliche Unternehmen »Deutsche Demokratische Republik« aus dem Blick verloren haben, sich aus dem Staub machen oder – wie die nach Powileit benannte Molkereibrigade – versuchen, Ost-Käse herzustellen, der wie West-Käse schmeckt. Ungeachtet dessen machen ihm viele ihre Aufwartung. Sohn Kurt, willensschwacher Historiker der Arbeiterklasse, seine alkoholkranke Frau und Russlandaussiedlerin Irina geben neben anderen die Gratulanten. Der goldene Stern der Völkerfreundschaft wird verliehen. Gerahmt von der Feier entfalten sich die Biografien und Charaktere der Powileits, so dass sich die Zeitgeschichte vor allem der zerfallenden DDR in der Geschichte dieser Familie spiegelt. Dabei treffen exzellentes Schauspiel und sorgfältig gewählte Details – Bemerkungen, Blicke, Bewegungen – auf eine Erzählweise, die mehr dem Theater als dem Kino eigen ist. Auf die dem Medium eigene Möglichkeit, mühelos zwischen Orten und Zeiten, zwischen Kontinenten und Dekaden zu wechseln, verzichtet der Film zugunsten der Verdichtung auf diesen einen Tag, am dem nicht nur ein 90. Lebensjahr abgeschlossen wird, sondern eine ganze Epoche. Das Ende naht, das weiß auch Genosse Powileit: »Das ist mein letzter Geburtstag!« Auführliche Kritik von Sebastian Gebeler im aktuellen kreuzer.

»In Zeiten des abnehmenden Lichts«: ab 1.6., Passage Kinos

Sommer, Sonne, Strand, nackte Haut – viel mehr brauchte der geneigte »Baywatch«-Zuschauer in den Neunzigern nicht. Die Serie über die perfekt in Szene gesetzten Rettungsschwimmer lief ganze elf Staffeln lang und wurde zum Kult. David Hasselhoff und Pamela Anderson wurden zu Ikonen in signalroter Badekleidung, die am Strand von Malibu Leben retteten und sich für vermeintlich Schwächere einsetzten. Ein Heldenkult, den Seth Gordon jetzt zurück auf die Leinwand holt, um zu beweisen, dass wir diese Serie – ohne es je gemerkt zu haben – doch eigentlich gern wieder sehen würden. Zu Beginn funktioniert das Konzept auch ganz gut: Der Vorspann lässt die Erinnerung an alte Fernseh-Junkie-Zeiten wieder hochleben. Schnell hat man sich an Strand und Sonne gewöhnt, wird höchstens noch von der Perfektion geblendet, die Dwayne Johnson ausstrahlt. Er ist der neue Hasselhoff, der neue Mitch Buchannon: muskulöser, größer, besser. Ein Spiegelbild eines gewandelten, aber noch immer absurden Schönheitsideals. Ihm gegenüber steht Zac Efron, ebenfalls die Verkörperung dieses Ideals, allerdings hat seine Rolle noch deutliche charakterliche Makel: Er säuft, flirtet, nimmt nichts ernst. Man kann also auch hübsch und ein Vollidiot sein. Klar, dass sich Mitch seiner annimmt und den Jungen auf den rechten Pfad bringt. Neben den beiden stehen ein paar Models und ein weniger das Schönheitsideal bedienender Nerd. So sind sie halt am imaginären Strand – da wird jeder akzeptiert, wenn er ein gutes Herz hat. Bei Dwayne Johnson muss man mit Peniswitzen rechnen, und die werden auch brav zu jeder Gelegenheit abgespult, ob am Strand oder in der Leichenhalle. Wenn man sich mit der plumpen Ironie abfinden kann, die die Darsteller in ihre Rollen legen, dann ist die erste halbe Stunde tatsächlich unterhaltsam. Doch sobald es daran geht, dass eine wirkliche Geschichte erzählt wird – irgendwas mit Drogen und einer bösen Gegenspielerin, eigentlich völlig egal –, kommt die alte Langeweile auf, die die Serie (und vor allem das Spin-off »Baywatch Nights«) zum Schluss an ihre Grenzen brachte. Der Film scheint plötzlich uninspiriert traditionell und auch die knappen Badeanzüge wirken neben einem Miley-Cyrus-Video schon beinahe bieder. Da können auch die kurzen Gastauftritte von David Hasselhoff und Pamela Anderson nichts mehr retten. HANNE BIERMANN

»Baywatch«: ab 25.5., Regina Palast, CineStar, Cineplex

Flimmerzeit_Mai_2017

 

Weitere Filmtermine der Woche Embrace – Du bist schön Medien, Werbung und Gesellschaft geben ein Körperbild vor, nach dem wir uns selbst und andere immer wieder bewerten und verurteilen. Die australische Fotografin und dreifache Mutter Taryn Brumfitt wollte das nicht mehr hinnehmen. Sie postete ein ungewöhnliches Vorher/Nachher-Foto ihres fast nackten Körpers auf Facebook und löste damit einen Begeisterungssturm aus, mit dem niemand gerechnet hatte. 3./4.6., 17 Uhr, Kinobar Prager Frühling




Sherlock Jr. Stummfilmkomödie von und mit Buster Keaton, der hier in die Rolle eines Filmvorführers schlüpft, der davon träumt, Detektiv zu sein. Mit musikalischer Begleitung durch Gunthard Stephan (Violine) und Tobias Rank (Piano) 

1.6., 21 Uhr, David van L.

Das Mädchen Wadjda In ihrem Spielfilmdebüt erzählt die saudi-arabische Regisseurin und Drehbuchautorin Haifaa Al Mansour die anrührende Geschichte einer Zehnjährigen, die mit Mut und Witz ihre eigenen Träume entgegen strenger Konventionen zu verwirklichen weiß. Der Film zeichnet ein differenziertes und authentisches Bild vom Leben saudischer Frauen und vermittelt eine einmalige Innenansicht der dortigen Kultur und Gesellschaft. – Film und Gespräch 2.6., 17 Uhr, Frauenkultur

Pina Rauschhafte Hommage an die vielleicht bedeutendste Choreografin der Gegenwart, Pina Bausch, die 2009 verstarb. – 20 Jahre Kinobar 2.6., 19 Uhr, Kinobar Prager Frühling

Resident Evil: Vendetta Nagelneuer 3-D-Animationsfilm aus dem »Resident Evil«-Universum, in dem Chris Redfield und Leon S. Kennedy den Ausbruch einer tödlichen Seuche in New York verhindern müssen. 

2.6., 22.15 Uhr, Cineplex

Russische Juden – Teil 2: 1918–1948 
 Russischer Dokumentarfilm 4.6., 17.30 Uhr, Cineplex (OF)

A Cure for Wellness Weil der CEO der Firma, in der er arbeitet, zu lange in einem Wellness-Center in den Schweizer Alpen verweilt, macht sich der junge Angestellte Mr. Lockhart auf nach Europa, um seinen Chef zurückzuholen. Dort angekommen, stellt er bald fest, dass die Einrichtung nicht der idyllische Heiltempel ist, als der sie sich nach außen hin darstellt. Er stellt zu viele Fragen und ist bald selbst Patient. – Im Rahmen des WGT 2017 

5.6., 11.30 Uhr, Passage Kinos

Stumfilmtage mit dem Wanderkino
Warze im Clara-Zetkin-Park:

Luther – Ein Film der deutschen Reformation (D 1927) 4.6., 21.30 Uhr

Der General Ein verliebter Südstaaten-Eisenbahner durchbricht mit seiner Lokomotive während des US-Bürgerkrieges die Front, um seine Angebetete wiederzusehen. Klassisches Meisterwerk der amerikanischen Stummfilmkomödie von und mit Buster Keaton. Waghalsige artistische Komik in Reinkultur, live begleitet von Gunthard Stephan (Violine) und Tobias Rank (Piano). 5.6., 21.30 Uhr

The Bridge (1930)/ H2O (1929)/Der Untergang des Hauses Usher (1927) Verschiedene kurze Filme mit musikalischer Begleitung durch Tobias Rank (Piano) und Gunthard Stephan (Violine) im Rahmen der Stummfilmtage mit dem Wanderkino. 

6.6., 21.30 Uhr

Charlie Chaplin – Der Einwanderer/Easy Street/Die Kur (1917) 7./8.6., 21.30 Uhr

Bike Shorts Im Rahmen der Leipziger Umwelttage. 7.6., 21 Uhr, Kinobar Prager Frühling Herr Wichmann aus der dritten Reihe Fortsetzung von Andreas Dresens Dokumentarfilm über den Kommunalpolitiker »Herr Wichmann von der CDU« – Wissenschaftskino mit einem anschließendem Gespräch und einer Publikumsdiskussion mit Andreas Dresen und Prof. Astrid Lorenz 6.6., 19 Uhr, Zeitgeschichtliches Forum


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