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Ausflug & Reise

Stert mit Anfahrschäden

Zum alljährlichen Mühlentag besuchen Tausende die technischen Denkmäler

  Stert mit Anfahrschäden | Zum alljährlichen Mühlentag besuchen Tausende die technischen Denkmäler

»Glück zu« ist der Gruß der Müller. In Lindennaundorf war er ab 1975 nicht mehr zu hören, als die dortige Mühle aufhörte, zu Erwerbszwecken Mehl zu mahlen. Erst 2007 begann der örtliche Heimatverein zusammen mit dem letzten Besitzer die Sanierung, zum Mühlentag 2010 war die Bockwindmühle wieder hergestellt. Der Mühlentag wird seit den neunziger Jahren am Pfingstmontag begangen, um das Müllern samt seiner technischen und kulturellen Geschichte der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Bei den Bockwindmühlen – auch Deutsche Mühlen genannt – handelt es sich um die älteste Windmühlenart auf dem europäischen Kontinent. Ihr Name leitet sich davon ab, dass sie auf einem Bock stehen, auf dem sich die Mühle drehen lässt, um den Wind optimal zu nutzen. Gedreht wird zum Beispiel mit einem Stert. Was das ist, lässt sich in Lindennaundorf auf einem Schild nachlesen: ein horizontal angebrachter Hebebalken, gedacht für den Einsatz per Muskelkraft. Der Lindennaundorfer Stert war beschädigt, nachdem ihm Witterung und »Anfahrschäden« zugesetzt hatten.

Der Müllergruß ist bei Weitem nicht so alt wie die Nutzung der Windkraft zum Mahlen von Getreide, Tierknochen oder Ölsaaten. Er hat sich vermutlich erst Anfang des 18. Jahrhunderts verbreitet, als auch Müllergesellen anfingen, auf die Walz zu gehen, und von Mühle zu Mühle zogen. Für das Einwandern in die neue Mühle war folgendes Prozedere vorgesehen: Der Geselle legt sein Gepäck an der Treppe ab, steckt seinen Wanderstab zwischen die erste und die zweite Stufe und sagt zum Müller: »Guten Tag, Glück zu und schönen Gruß vom letzten Meister und Gesellen!« Dann wird über die Arbeit geredet. Wenn der Eingewanderte wieder von dannen zieht, heißt es zum Abschied ebenfalls »Glück zu!« So ist es in einer Gesellenprüfung im Müllerhandwerk aus dem Jahr 1927 niedergelegt. Auf diese Weise sollte das Glück von einer Mühle zur anderen wandern und vor Schaden schützen, zum Beispiel davor, dass jemand den Stert anfährt und den Müller ruiniert.

Erstmals Erwähnung fand die Bockwindmühle in Lindennaundorf 1848, das nächste Mal ist von ihr die Rede, als sie 1879 den Besitzer wechselt. Bis 1930 haben sich die Lindennaundorfer Müller auf den Wind verlassen, danach arbeiteten sie erst mit Diesel- und anschließend mit Elektromotor. Praktischerweise wurde die Mühle für die Sanierung auf die Festwiese des Ortes gesetzt, die den passenden Rahmen bietet, um Pfingstmontag nach der Besichtigung von Quetsche, Elevator und Sichter noch bei Bratwurst und Bier lokale Handwerksbetriebe oder Oldtimer-Traktoren zu begutachten.


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