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Filmkritik

Keine Wahl

Die Kinostarts im Überblick und was sonst Filmisches in der Stadt geschieht

  Keine Wahl | Die Kinostarts im Überblick und was sonst Filmisches in der Stadt geschieht

Schlingensief rettet den Wahlkampf: Auch sieben Jahre nach seinem Tod wacht er über uns. 1998 setzte Christoph Schlingensief in der Berliner Volksbühne sein Projekt zur Bundestagswahl um. Dabei entstanden mehr als 100 Stunden Videomaterial, die nun aus seinem Nachlass geborgen und digitalisiert wurden. Katrin Krottenthaler und Frieder Schlaich montierten daraus eine dokumentarische Zeitreise zurück zu einem der längsten und wahnwitzigsten Projekte Schlingensiefs.
»Chance 2000 – Abschied von Deutschland«: 9., 12./13.9., Luru Kino in der Spinnerei

Film der Woche: Marina und Orlando sind ein tolles Paar. Offen, ehrlich, liebevoll. Der Altersunterschied zwischen ihnen ist kein Problem. Auch nicht Marinas Job als Sängerin in einem Nachtclub, der so völlig gegensätzlich ist, zu der Welt, in der sich der erfolgreiche Unternehmer Orlando bewegt. Gemeinsam haben sie sich eine Wohnung eingerichtet und schmieden Urlaubspläne. Doch die Träume werden jäh zerstört, als Orlando plötzlich stirbt und Marina mehr verliert als ihren Partner. Denn seine Familie, die er vor Jahren verließ, schaltet sich ein. Sie behandeln Marina, die einst ein Mann war, wie eine Aussätzige, werfen sie aus der Wohnung und verwehren ihr die Trauer. Doch die junge Frau ist stolz und selbstbewusst. Sie wird nicht kampflos aufgeben. Sebastián Lelio inszenierte bereits mit »Gloria« eine umwerfende Geschichte einer Emanzipation und holte damit auf der Berlinale den Silbernen Bär für seine wundervolle Hauptdarstellerin. Der Chilene erzählt Marinas Geschichte subtil. Er stellt ihre Sexualität nicht in den Mittelpunk. Sie wird nie offen thematisiert. Und doch erleben wir die fortwährenden Erniedrigungen der Polizei, die ein Verbrechen wittern, und die Brutalität ihres Schwagers, für den sie minderwertiger Abschaum ist. Marina erträgt ihr Schicksal mit zusammengepressten Lippen, aber aufrecht. Unter allem liegt die Trauer, der Verlust eines geliebten Menschen. Personifiziert ist all dies in der überragenden Leistung von Daniela Vega. Dem durchdringenden Blick der Hauptdarstellerin, den Kameramann Benjamín Echazarreta in vielen Close-Ups einfängt, entgeht nichts und niemand. Lelios Film trifft tief und ließ auch auf der Berlinale niemanden unbeeindruckt, wo »Eine fantastische Frau« in diesem Jahr mit dem Teddy und dem Silbernen Bären für das beste Drehbuch ausgezeichnet wurde. Ein leidenschaftliches Statement für Toleranz und die Kraft der Liebe. Ausführliche Kritik im aktuellen kreuzer.

»Eine fantastische Frau«: ab 7.9., Passage Kinos

Mit seinem ersten Spielfilm seit zehn Jahren kehrt Emir Kusturica (»Schwarze Katze, weißer Kater«) zurück zu alter Form: seine aberwitzige Geschichte um eine Liebe in Kriegszeiten erzählt er in der ihm eigenen überbordenden Bildsprache. Die Hauptrolle übernahm der Meister selbst. Er spielt den kauzigen Kosta, der sich ausgerechnet in die zukünftige Braut (Monica Bellucci) seines Bruder verliebt. Doch es herrscht Krieg und der Bruderzwist ist bald schon das geringste Problem für die Liebenden. Wer die lauten Frontalfilme des serbischen Filmemachers nicht schätzt, wird auch mit »On the Milky Road« nicht warm. Die Fans feiern derweil die furiose Rückkehr des eigenwilligen Altmeisters. Ausführliche Kritik im aktuellen kreuzer. »On the Milky Road«: ab 7.9., Passage Kinos

Flimmerzeit August 2017

Weitere Filmtermine der Woche

Revolution of Sound. Tangerine Dream

Die Biografie der Elektronik-Pioniere, erzählt durch persönliche Worte des Bandleaders Edgar Froese aus seiner Autobiografie, durch Interviews mit seiner Familie, Bandmitgliedern, befreundeten Künstlern, veröffentlicht erstmals persönliches Archivmaterial. Eine Hommage an den Musiker Edgar Froese und die Anfänge der elektronischen Musik.

7./8.9., 20 Uhr, Schaubühne Lindenfels

I am not your negro

Ein aufrüttelndes, oscarnominiertes dokumentarisches Essay über die Situation von Afroamerikanern in den USA, von der Zeit der Sklaverei bis zu den jüngsten Unruhen in Ferguson. - GlobaLE, im Anschluss Diskussion mit Aktivisten.

7.9., 20 Uhr, Freizeitpark Rabet

Bunch of Kunst

Die Band Sleaford Mods - Die Stimme der Working Class. Ein Pop-and-Politics-Roadmovie durch die englische Provinz. Am 8.9., 19.30 Uhr, Filmgespräch mit Regisseurin Christine Franz und Steve Underwood, Manager der Sleaford Mods, im Anschluss.

Ab 7.9., Cineding

Die Stimme Amerikas. US-Musik in der DDR

Hohmann und dem Musikwissenschaftler Prof. Dr. Michael Rauhut (Universität Agder, N) Moderation: Dr. Bert Noglik, anschl. Live-Musik mit Ruth Hohmann und Lukas Natschinski Die Vereinigten Staaten von Amerika besaßen in der DDR einen vielschichtigen Symbolgehalt. Beide Seiten, die Sympathisanten wie auch die Gegner der USA, sahen ihre Idee von der Neuen Welt in den unterschiedlichen Formen populärer Musik gespiegelt. Podiumsgespräch mit dem Regisseur Tom Franke, der Jazzsängerin Ruth Hohmann und dem Musikwissenschaftler Prof. Dr. Michael Rauhut (Universität Agder, N) Moderation: Dr. Bert Noglik, anschl. Live-Musik mit Ruth Hohmann und Lukas Natschinski.

8.9., 19 Uhr, Zeitgeschichtliches Forum

Frühstück bei Monsieur Henri

Der mürrische Einsiedler Monsieur Henri funktioniert unfreiwillig sein Pariser Appartement zu einer WG-Wohnung um. Recht amüsante Erfolgskomödie. - Grünauer Kultursommer

8.9., 19 Uhr, KOMM-Haus

Sins Invalid: An Unashamed Claim to Beauty in the Face of Invisibility 

Die Performances des Kollektivs fangen Lust und Begehren von Menschen mit Behinderungen ein und setzen sich kritisch mit den daran geknüpften Vorurteilen auseinander. Im Fokus der Dokumentation stehen dabei Künstler, die People of Color, queer oder gender-non-konform sind. Im Anschluss findet ein Gespräch zur Verschränkung von Sexismus, Rassismus und Ableism mit der Sozialwissenschaftlerin Christiane Hutson und dem Antidiskriminierungsbüro Sachsen statt. Stark! behindert - Eine Reihe zu Behinderung und Selbstbestimmung.

12.9., 19.30 Uhr, Cinémathèque in der Nato

Wo die wilden Kerle wohnen 

Der 9-jährige Max ist voller Wut und unkontrollierter Impulse- und dabei doch eine sensible Seele, die sich verlassen fühlt. Nach einem Streit mit seiner Mutter flüchtet er in eine Traumwelt - auf eine Insel mit monströs wirkenden, im Grunde aber kindlichen Kreaturen. Spike Jonzes' wunderbare filmische Adaption des Kinderbuch-Klassikers von Maurice Sendak.

12.9., 10 Uhr, 13.9., 15 Uhr, Filmclub KassaBlanka

Die guten Feinde 

Christian Weisenborn beleuchtet die Rolle seines Vaters Günter im Wiederstand gegen die Naziherrschaft. Beeindruckendes menschliches Zeitdokument.

13./14.9., 18 Uhr, Schaubühne Lindenfels

Senza chiedere permesso - Ohne um Erlaubnis zu fragen 

Im Jahr 1969 zieht der junge Bäcker Pietro Perotti aus dem Turiner Hinterland in die Metropole. Sein Ziel ist das legendäre FIAT-Werk Mirafiori, wo er eine Karriere als Berufsrevolutionär anstrebt. Ein besonders intimer Einblick in die Stimmung jener Jahre. - Vor dem Film leitet Johannes Hauer (translib Leipzig) thematisch in den Film ein. Anschließend besteht die Möglichkeit zur Diskussion.

13.9., 19.30 Uhr, Cinémathèque in der Nato


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