Vor 13 Jahren betitelte der Berliner Architekturkritiker Wolfgang Kil sein Buch über den »schwierigen Rückzug aus der Wachstumswelt« mit den Worten »Luxus Leere«. Die leeren Räume in schrumpfenden Städten – wie etwa im Leipziger Westen – bebilderten für Kil den Luxus, den Kreative für sich nutzten. Wer heute im Leipziger Westen ein Atelier sucht und bei der allseits bekannten Spinnerei beginnt, dem teilt die Homepage mit: »Derzeit sind keine Künstlerateliers frei.«
Hier entstanden seit Mitte der neunziger Jahre 130 Künstlerstudios, die im Schnitt 3,50 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter kosten. Auch außerhalb der Spinnerei hat sich die Situation geändert. Bereits 2012 wurde den Ateliermietern in den Wahrener Pittler-Werken und in der Erich-Zeigner-Allee 64 gekündigt, so dass mit einem Schlag 200 Ateliersuchende auf dem Markt waren. Sie baten das Kulturamt um Unterstützung bei der Suche nach bezahlbaren Arbeitsräumen. Das Amt beauftragte den Bund Bildender Künstler (BBKL) damit, der seitdem 20.000 Euro mehr institutionelle Förderung vom Kulturamt erhält. Unter der Leitung des BBKL schauten sich die Suchenden gemeinsam Objekte aus dem Besitz der Stadt und privater Investoren an. Darunter befand sich beispielsweise die Friederikenstraße 37. Sie wurde allerdings von der Stadt verkauft. Nachdem sie bis Ende 2016 als Erstunterkunft diente, nutzt das sächsische Innenministerium die Immobilie bis 2020 zum Training ihrer Polizisten. In der ehemaligen KfZ-Zulassungsstelle (Platostraße 1) sollten neben Ateliers auch die Grafikbörse, die Jahresausstellung und das F/Stop-Festival eine Heimat finden. Ein Verkauf seitens der Stadt ließ diese Idee ebenso verpuffen wie beim ehemaligen Kaufhaus Held, wo nun schmucke Wohnungen entstehen.
Aktuell zeigt der BBKL auf seiner Homepage ein Dokument mit verfügbaren Arbeitsräumen. Die Auswahl ist sehr übersichtlich. Wer Landluft und längere Wege mag, für den wäre das Atelierhaus am Geiseltalsee (»der größte künstliche See in Deutschland«) eine Option. Konkrete Mietpreise sind im Portfolio nicht zu finden, stattdessen werden »moderate Mietpreise« angekündigt. Für 2 Euro pro Quadratmeter können Räume in der Alten Trebsener Papierfabrik angemietet werden. Im Stadtgebiet stehen neben Ladengeschäften in Böhlen oder Böhlitz-Ehrenberg freie Räume im Tapetenwerk (12,5 qm für 160 €), in der Alten Handelshochschule
(Gießerstraße 75) oder in der Haferkornstraße zur Verfügung. Eine »Ateliermeile« soll gar in Leutzsch entstehen. Der Verein »Haushalten« stellt das ehemalige Dietzoldwerk in der Franz-Flemming-Str. 9 als Atelierhaus zur Verfügung. Mieten kann man dort von 80 bis 800 Quadratmeter für bis zu 5 Euro pro Quadratmeter. In der Franz-Flemming-Straße 43/45 existieren aktuell 40 Ateliers.
Der Ratsversammlung lagen im August zwei Anträge vor, die sich mit der aktuellen und perspektivischen Situation von Kreativen (Antrag von Bündnis 90/Die Grünen, unterstützt von der SPD) und bildenden Künstlern (Die Linke) in der Stadt beschäftigten. Zu beiden Anträgen äußerte sich auch die Verwaltung.
Das Amt stellte fest, dass »eine Reihe von Möglichkeiten« existieren, um Ateliers anzumieten. Außerdem zitiert es aus dem fast zehn Jahre alten Kulturwirtschaftsbericht, dass »die guten Standortfaktoren wie geringe Mieten und niedrige Lebenshaltungskosten positiv auf die Akteure vor Ort wirken«. Konstatiert allerdings auch, dass durch »dynamisches Bevölkerungswachstum und steigende Nachfrage nach Flächen für Wohnen und Gewerbe« das preiswerte Angebot für Ateliers schwindet. Es erinnert zudem an städtische Maßnahmen bis 2006. Mit jährlich 66.000 Euro förderte das Kulturamt Ateliers in den Pittler-Werken und »in einer ehemaligen Mineralwasserfabrik bei Kitzen« (bis 2004). Beide Maßnahmen wurden »aus Gründen der Haushaltskonsolidierung« eingestellt. Heute prüft die Stadt eigene Liegenschaften beziehungsweise angemietete Objekte (leer stehende Asylunterkünfte), die sie Kreativen zu Verfügung stellen könnte. Außerdem soll die Internetplattform Immo-SIS ausgebaut werden, um
das kostbare Gut Leere verwalten zu können.