Diese Woche in den Kinos: Die Fortsetzung von »Blade Runner«, die ausgezeichnete »Nile Hilton Affäre«, das Frühwerk der Coen-Brothers und eine ausladende Kneipenszene.
Film der Woche: Als »Blade Runner« 1982 in die Kinos kam, war er ein Flop. Er spielte gerade mal die 28 Millionen US-Dollar wieder ein, die er gekostet hatte. Aber die Science Fiction-Dystopie nach dem Roman von Philip K. Dick sollte (nach dem ein oder anderen finalen Schnitt sowie dem Verzicht auf den erklärenden Voice-Over) seinen angestammten Platz für die Ewigkeit als ein Meilenstein des Genres erhalten. Auch 35 Jahre später wirkt der Film zeitlos, die visuellen Effekte bahnbrechend, was hauptsächlich daran lag, dass die Sets detailreich in Miniaturgröße gebaut und mit speziellen Kameras gefilmt wurden. Hier herrschte Handwerk und es bleibt zu hoffen, dass Denis Villeneuve dies auch bei seiner Fortsetzung berücksichtigt. Den Ton scheint er zu treffen. Die Trailer lassen hoffen, dass die Mischung aus Regen, futuristischem Großstadtblues, noch mehr Regen und humanphilosophischen Schwelgereien auch hier aufgeht. Villeneuve hatte mit »Arrival« erst kürzlich das Science in SciFi fett unterstrichen. Harrison Ford gibt wie zuletzt in »Star Wars« den Wiederkehrer und Ryan Gosling ist prinzipiell erst mal sowieso alles zuzutrauen. Freuen wir uns also auf ein Wiedersehen mit Deckard und den Replikanten und Antworten auf die Frage, was es ausmacht, ein Mensch zu sein.
»Blade Runner 2049«: ab 5.10., CineStar, Cineplex, Regina Palast
Kairo, 2011: Der »Arabische Frühling« blüht. Das Land versucht sich von den Fesseln seiner alten Strukturen zu befreien. Mittendrin driftet der Polizist Noredin durch Kairo. Wie alle will er Profit aus dem Job schlagen. Korruption gehört zum Alltag. Er ist überhaupt nur in dieser Position, weil sein Onkel sein Vorgesetzter ist. So beschränkt er die Aufmerksamkeit auf das Nötigste und fährt nach Dienstschluss mit seiner Rostlaube in eine schäbige Wohnung, um dort den Schmerz über den Verlust seiner Frau zu betäuben. Als jedoch eine Frau tot aufgefunden wird, beginnt er sich sich für den Fall zu interessieren. Obwohl ihm sein Onkel bald den Fall entzieht, ermittelt er weiter und stößt auf Verbindungen zu Hatem Shafiq, einem einflussreichen Baumagnaten. Je tiefer Noredin gräbt, desto mehr Leichen tauchen um ihn herum auf. Tarik Saleh erzählt dies als modernen Film Noir vor der spannenden Kulisse der politischen Unruhen in Kairo. Der Ton ist düster, die Stimmung melancholisch. Die Bilder könnten eine Spur dieser Atmosphäre vertragen. Fares Fares (»Erbarmen«) schlurft als chandlerhafte Figur durch die Szenerie, vermag es aber, den Film zu tragen. Auf dem diesjährigen Sundance Filmfestival erhielt »Die Nile Hilton Affäre« den World Cinema Grand Jury Prize – eine der wichtigsten Auszeichnungen des Festivals. Ausführliche Kritik im aktuellen kreuzer.
»Die Nile Hilton Affäre«: ab 5.10., Passage Kinos
Die Brüder Joel und Ethan Coen bereichern seit mehr als drei Jahrzehnten die Filmwelt mit ihren grotesken, tiefschwarzen Geschichten. Den Anfang nahm alles bereits 1984: Der Mord, die Intrige, der schwarze Humor – in »Blood Simple«, ihrer kleinen, feinen Hommage an die Klassiker des Film Noir, ist alles bereits angelegt. Selbst Frances McDormand ist in der Hauptrolle zu sehen, zwölf Jahre bevor die Coen-Brüder sie zu Oscarehren führten, indem sie ihr die grandiose Hauptrolle in »Fargo» schrieben. Mit ihrem Meilenstein in Schneeweiß und Blutrot teilt »Blood Simple« die Stimmung und den Erzählstil. Wie »Fargo« entführt ihr Frühwerk den Zuschauer in die Abgründe menschlichen Handelns. In den Charakteren und ihrer Beziehung zueinander sind die Grundzüge für »Miller’s Crossing« erkennbar. Zudem formierten die Coens bereits hier ihr Stammpersonal: Carter Burwell sorgt für den mitreißenden Score, Barry Sonnenfeld – der später selbst mit »Men in Black« Erfolge feiern sollte – für die stimmungsvollen Aufnahmen. Ein frühes Meisterwerk, das nun digital überarbeitet in 4k darauf wartet, wiederentdeckt zu werden.
»Blood Simple«: ab 5.10., Luru Kino in der Spinnerei
Der senegalesische Regisseur Alain Gomis beginnt »Félicité« mit einer ausladend geschilderten Kneipenszene. Was einem auf den ersten Blick vielleicht zu lange vorkommen wird, zumal nicht wirklich etwas Spannendes oder Dramatisches passiert, ist Gomis’ detailreiche Einführung seiner zentralen Charaktere. Da ist zum einen die Titel gebende Félicité, die in dieser Bar als Sängerin angestellt ist und das Publikum mit ihren stimmgewaltigen Auftritten begeistert. Zum anderen ist da der poltrige Tabu, der gerne mal einen über den Durst trinkt, sich aber um Félicités Kühlschrank kümmert, als der seinen Geist aufgibt – auch wenn es der unabhängigen Frau missfällt. Doch ihre Probleme nehmen damit erst ihren Anfang, denn kurz darauf muss sie erfahren, dass ihr halbwüchsiger Sohn Samo einen schweren Motorradunfall hatte und nun Geld beschafft werden muss, um die komplizierte Operation zu finanzieren. Obwohl Félicité bislang ganz gut für sich sorgen konnte und einen lukrativen Job hat, muss sie nun ihre Schulden eintreiben und unter ihren Bekannten und Freunden betteln gehen, um die große Geldsumme aufzubringen. Hier erweist sich dann, auf wen sie sich wirklich verlassen kann. Der Funke springt nicht sofort über, es dauert eine Weile, bis man mit den Charakteren und der sich allmählich dramatisierenden Geschichte warm wird. Insgesamt ist »Félicité« aber durchaus ein erhellendes Filmerlebnis, das mit einem etwas beherzteren Schnitt noch spannender und packender hätte ausfallen können. Ausführliche Kritik von Frank Brenner im aktuellen kreuzer.
»Félicité«: ab 5.10., Cineding
Flimmerzeit