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Filmkritik

Postdokdepression

Die Kinostarts im Überblick und was sonst Filmisches in der Stadt geschieht

  Postdokdepression | Die Kinostarts im Überblick und was sonst Filmisches in der Stadt geschieht

Wer nach dem DOK Leipzig in Postdokdepression verfällt, muss nicht verzagen: Viele Filme der Programmauswahl leben nach dem Festival in den Leipziger Kinos weiter. So zeigt die Kinobar schon in dieser Woche am Sonntag und Montag »Machines« von Rahul Jain. »Das Kongo Tribunal« startet am 16.11. in der Schaubühne Lindenfels. Die Cinémathèque lädt am 6.12. Produzent Jürgen Kleinig ins Haus, der mit seinem Film »Muhi« gerade den Deutschen Wettbewerb gewann. Und viele weitere Filme des DOK Leipzig werden in den folgenden Monaten ihren Weg in die Kinos finden. So lässt sich die Zeit gut überbrücken bis zum 61. Internationalen Festival für Dokumentar- und Animationsfilm in Leipzig.

Film der Woche: Seit ihrem tiefschwarzen Erstling »Blood Simple«, der gerade in einer restaurierten Fassung erneut die Kinos beehrt, erzählen die Coen-Brüder mit Vorliebe vom kleinen Mann, der hoch hinaus will und kläglich scheitert. Ob Jerry Lundegaard (»Fargo«) oder Larry Gopnik (»A Serious Man«) - irgendwann treibt es sie vom Pfad der Tugend hinein ins Verderben. So gesehen ist »Suburbicon« eine ganz und gar typische Geschichte der Coens. Erzählt wird sie aus der Sicht des jungen Nicky Lodge. Er muss mitansehen, wie seine Familie von zwei brutalen Schlägern überfallen wird. Am nächsten Morgen sind die Täter verschwunden und Nickys Mutter Nancy erwacht nicht mehr. Doch viel zu schnell kehrt wieder Normalität ins Haus der Lodges ein und Nancys Schwester Margarete (Julianne Moore in einer Doppelrolle) nimmt den Platz an der Seite seines Vaters Gardner (Matt Damon) ein. Ebenso schnell wird Nicky klar, dass Gardner etwas mit dem Überfall zu tun hat. Parallel dazu erzählt »Suburbicon« aber eine weitere Handlung: Angesiedelt in einer musterhaften Vorortsiedlung im Amerika der 1950er zieht neben den Lodges die erste farbige Familie in den Wohnblock. Das führt erwartungsgemäß zu Aufständen der Einwohner, die sich mit dem Schicksal der Lodges immer näher Richtung Abgrund schaukeln und die ganze Hässlichkeit der menschlichen Natur offenbaren. Ein typischer Coen eben, wenn auch nicht ganz mit der handwerklichen Brillanz ihrer Werke erzählt - denn sie lieferten hier nur das Drehbuch, das George Clooney mit seinem langjährigen Partner Grant Heslov adaptierte und inszenierte. Die beiden Handlungsstränge wollen nicht so recht zusammenwachsen und die Figuren lassen ein wenig den Charme vermissen, den bei den Coens selbst schräge Auftragskiller besitzen. Die stimmungsvolle Inszenierung und die hervorragende Darstellerriege sorgen aber dennoch für ein bitterböses Vergnügen. Ausführliche Kritik im aktuellen kreuzer.

»Suburbicon«: ab 9.11., Passage Kinos, Regina Palast, Schauburg

Flimmerzeit Oktober 2017

 

Weitere Filmtermine der Woche

Einsteins Nichten Im August 1944 sucht die Wehrmacht in der Toskana nach Robert Einstein, einem Cousin und engen Freund Albert Einsteins. Die Deutschen ermorden Roberts Frau und Töchter. Nur Albert Einsteins Großnichten überleben. Nach über 70 Jahren kehren diese an den Ort des Geschehens zurück und erzählen ihre bewegende Geschichte. – Filme gegen das Vergessen 10.11., 16.30 Uhr, Kinobar Prager Frühling

Enjoy the Music – Die Pianistin Edith Kraus Doku über die israelische Pianistin Edith Kraus, die nicht zuletzt mit ihrer Liebe zur Musik den Zweiten Weltkrieg überlebte. - Psychoanalyse trifft Film, Vorführung in Anwesenheit der Filmemacher. 10.11., 19.30 Uhr, Passage Kinos

Im inneren Kreis Iris P. führte enge Freundschaften und ging intime Beziehungen mit Menschen ein, die sie zugleich ausspionierte. Als Verdeckte Ermittlerin »Iris Schneider« forschte sie jahrelang die linke Szene und die »Rote Flora« in Hamburg aus. – GlobaLe, im Anschluss Diskussion mit den Filmemacher Claudia Morar und Hannes Obens 10.11., 20 Uhr, Neues Schauspiel Leipzig

Mary Wigman – Die Seele des Tanzes Doku über die Tänzerin und Choreografin Mary Wigman (1886 – 1973). Filmeinführung und Gespräch mit Katja Erfurth, Tänzerin und Choreografin, Vorstand Villa Wigman für Tanz, Dresden, Prof. Dr. Patrick Primavesi, Theaterwissenschaftler, Universität Leipzig, und Direktor des Tanzarchiv Leipzig. – Rahmenprogramm Euro-Scene-Leipzig 10.11., 16 Uhr, Passage Kinos

Die guten Feinde – Mein Vater, die rote Kapelle und ich Doku über den Theaterautor Günther Weisenborn, der sich im Zweiten Weltkrieg in der »Roten Kapelle« engagierte, einem losen Verbund von Widerstandsgruppen mit Kontakten in die Sowjetunion. - Filme gegen das Vergessen 11.11., 17.30 Uhr, Kinobar Prager Frühling

Silly – Frei von Angst Doku über die 1978 in Ost-Berlin gegründete Rockband Silly. Am 12.11. in den Passage Kinos Premiere mit A-capella-Auftritt der Band in Anwesenheit der Musiker Uwe Hassbecker und Ritchie Barton, Regisseur Sven Halfar sowie der Produzenten Stefan Paul und Torsten Bonnhoff. 11.11., 20 Uhr, Passage Kinos

Die sichere Geburt – Wozu Hebammen? Der Film geht der Frage nach, was eine physiologische Geburt sicher macht und wodurch sie gestört wird. Was sind die Folgen von Interventionen auf den Geburtsverlauf, für Mutter und Kind und möglicherweise für die zukünftige Gesellschaft? Vorführung in Anwesenheit der Regisseurin. 12.11., 11 Uhr, Kinobar Prager Frühling

Leuchte, mein Stern, leuchte Mitten im russischen Bürgerkrieg reist ein Schauspieler 1920 durch die Kleinstädte im Süden des riesigen Landes und versucht, die dortigen Gemeinden für Shakespeare-Dramen und die Revolution gleichermaßen zu begeistern. - 100 Jahre Oktoberrevolution 12.11., 12 Uhr, Luru-Kino in der Spinnerei

Wer war Hitler? In der überlangen Doku kommen ausschließlich Hitler und seine Zeitgenossen, von Mitstreitern bis zu Gegnern und von Staatsmännern bis zu Angehörigen zu Wort. Dazu hat der Regisseur zahlreiche Aussagen aus Tagebüchern, Briefen, Reden und Autobiografien sowie Archivmaterial aus vor allem privaten und nichtstaatlichen Quellen ausgewertet. – Filme gegen das Vergessen, Preview 12.11., 18 Uhr, Kinobar Prager Frühling

Werner Nekes – Das Leben zwischen den Bildern Experimentalfilmmacher Werner Nekes (1944 – 2017) wollte keine Filme über die Wirklichkeit machen - er wollte zeigen, was normalerweise nicht zu sehen ist. In den hundert avantgardistischen Filmen seines Werkes entwickelte er eine eigene Filmsprache, nachdem er - angeregt durch die Künstlerin Eva Hesse - von der bildenden Kunst zu den bewegten Bildern gewechselt hatte. In ihrem Dokumentarfilm bietet Ulrike Pfeiffer einen Querschnitt durchs Nekes' Werk. Sie zeigt Gespräche des Filmemachers mit dem Kollegen Alexander Kluge und seine Zusammenarbeit mit den Künstlern Helge Schneider und Christoph Schlingensief. 12.11., 13 Uhr, Passage Kinos

Arsenal Das mechanische »Stummfilmballett« im Luru widmet sich auch im November der Oktoberrevolution mit dem gewaltigen Zeitdokument »Arsenal« von Aleksander Dowschenko über den Aufstand in einer Kiewer Waffenfabrik beim Januaraufstand 1918 gegen die bürgerlich-nationale Regierung der Ukraine. Ein visuelles Gedicht mit gespenstischen Bildern. – Ballet Mécanique #17 15.11., 20 Uhr, Luru-Kino in der Spinnerei

Haymatloz – Exil in der Türkei Doku über die Schicksale der im Zweiten Weltkrieg vor den Nazis ins türkische Exil geflüchteten »akademischen Elite« Deutschlands. 16.11., 19.30 Uhr, Cinémathèque in der Nato

Gewinnerfilme des 7. OderKurz-Filmspektakels Gezeigt werden die Filme »Born of Stone«, »Noyade interdite«, »Ayny - My Second Eye«, »Dragon Circle«, »Emily Must Wait« und »Lost in Hope«. 17.11., 21 Uhr, Kinobar Prager Frühling

Fikkefuchs Ex-Frauenheld Rocky ist in die Jahre gekommen und wird plötzlich mit der Existenz seines ganz nach ihm missratenen Sohnes konfrontiert. Jenseits der derben Provokation schlägt ein sensibles Vater-Sohn-Drama. Am 17.11. in Anwesenheit des Regisseurs und Hauptdarstellers Jan Henrik Stahlberg. 17.11., 21 Uhr, Passage Kinos


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