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Stadtleben

Weg vom schlechten Ruf

Die Ausstellung »Hafen der Stadt« beleuchtet Vergangenheit und Gegenwart der Eisenbahnstraße

  Weg vom schlechten Ruf | Die Ausstellung »Hafen der Stadt« beleuchtet Vergangenheit und Gegenwart der Eisenbahnstraße

Schon von außen wird deutlich, dass sich das Pöge-Haus momentan mit der Eisenbahnstraße beschäftigt. Ein Beamer projiziert die Taff-Reportage über die »gefährlichste Straße Deutschlands« an ein Fenster, sichtbar für alle Leute, die draußen am Pöge-Haus vorbeigehen. Dass der Fokus der Ausstellung »Hafen der Stadt« jedoch auf der Vielfältigkeit der Straße liegt, wird drinnen schnell klar.

Der Blickfang der Ausstellung sind die »Ankunftsgeschichten«. Überall im Raum verteilt hängen A3-Plakate von der Decke – 14 insgesamt. Bewohner erzählen über ihr Viertel: Wie sie die Eisenbahnstraße erleben, von ihrer Ankunft und ihren Lieblingsplätzen. Dass die Bewohner mit einbezogen werden, war den Veranstaltern sehr wichtig, weil sie »den Menschen hier aus dem Viertel eine Stimme geben« wollen, sagt Anika Strümper, Mitglied des Projektteams. Neben den Ankunftsgeschichten, die auch vor Ort noch ergänzt werden können, gibt es viele weitere Möglichkeiten, sich einzubringen und an der Ausstellung teilzuhaben – es gibt Workshops, Vorträge und Podiumsdiskussionen. Die Entscheidung, nicht nur die Ausstellung, sondern auch weitere Veranstaltungen zum Thema zu organisieren, hat das Team ganz bewusst getroffen. »Bei so einem Thema, gerade mit dem Stadtteil und mit dem Profil vom Pöge-Haus, das sich ja auch auf die Fahne geschrieben hat, partizipativ zu sein, ist es total sinnvoll so ein Begleitprogramm zu schaffen«, sagt Stümper. Und dass das gut ankommt, zeigen die bisher vollen Säle bei den Veranstaltungen. Ziel des Begleitprogramms ist es auch, Netzwerke aus dem Viertel zusammenzubringen.

Das Wichtigste ist für die Veranstalter, der Eisenbahnstraße keinen Stempel aufzudrücken, selber keine Meinung zu äußern, sondern verschiedene Facetten der Straße aufzuzeigen. Natürlich wollen sie auch zeigen, woher die Eisenbahnstraße ihren Ruf hat. »Dieser Ruf ist nicht dadurch entstanden, dass hier Migranten hergezogen sind, sondern, das kann man an der historischen Rekonstruktion sehen, im 19. Jahrhundert war die Straße schon vollkommen verrufen, weil sich die Arbeiter untereinander gezofft haben«, sagt Anika Strümper. Das findet sich auch in der Ausstellung wieder, die mit Texten und Fotografien auf die Historie der Straße eingeht.

Das Leben und die Entwicklung der Eisenbahnstraße thematisiert der Dokumentarfilm »Die Liebe zum Schrott und andere Leidenschaften« von Bernhard Wuttka. Der Regisseur befragte vor 15 Jahren Leute aus dem Viertel und hatte daraus einen Film gemacht. Jetzt hat er das wiederholt. Die Ergebnisse sind in der Ausstellung zu sehen, auf drei Fernsehern mit jeweils drei unterschiedlichen Themen: Ankunft, Aneignung und Veränderung.

Doch obwohl die Ausstellung verschiedene Facetten der Eisenbahnstraße und das zugehörige Viertel beleuchtet, ist das Publikum doch sehr gleich – weiß, Mitte zwanzig, gebildet. Das bemängelt auch Anika Strümper: »Ich würde mir wünschen, dass tatsächlich Menschen mit Migrationshintergrund herkommen würden und auch die Geschichte des Viertels sehen, wo sie leben.« Auch wenn die Veranstalter versuchen, selber keine Meinung zu äußern, erzählt die Ausstellung von einer lebendigen, vielfältigen Straße, die durch ihre Bewohner und der Gentrifizierung geprägt wird.


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