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Stadtleben

Fifty Shades of Grün

Es brummt und summt im Connewitzer Stadtgarten, der in diesem Jahr 30. Geburtstag feiert

  Fifty Shades of Grün | Es brummt und summt im Connewitzer Stadtgarten, der in diesem Jahr 30. Geburtstag feiert  Foto: Ökolöwe

Es gibt Aprikosen-Lavendel-Kuchen und welchen mit Johannisbeerdecke, Brombeeren werden gereicht sowie eine selbstgemachte Beerenlimonade. »Der Lavendel und die Beeren stammen aus unserem Garten, die Aprikosen kommen aus der Nähe«, sagt Projektleiterin Antje Osterland, die selbst gebacken hat. Es schmeckt nicht nur hervorragend, sondern das Schmausen unterm Blätterdach bringt urbanes Gärtnern auf den Punkt: Grünes in die Stadt holen. Seit dreißig Jahren verfolgt der Stadtgarten Connewitz dieses Ziel – und ist damit Pionier und Alter Hase zugleich.

Denn meistens sind solche Grünprojekte, sie firmieren unter dem einst als hip erachteten Label Urban Gardening, nur von temporärer Natur. Als Brachflächennutzung angelegt, müssen sie Bauprojekten weichen, wie man in Leipzig auch oft genug erlebt hat. Der Stadtgarten Connewitz ist vor solchem Schicksal gefeit. Der Ökolöwe, der ihn betreibt, konnte das Gelände 2011 kaufen. Dank vieler Patenschaften – auch aus der Stadtpolitik. Damit war das 1992 begonnene Projekt endlich gerettet. Früher starteten nur wenige Versuche in Deutschland, urbanes Gärtnern in geeigneter Größe jenseits eines Vor- oder Schrebergartens zu unternehmen.

Damals war die Fläche von 4.300 Quadratmetern ein verwilderter Ex-Schulgarten. Laut Online-Umrechner umfasst es zwei Drittel eines Fußballfeldes. Die Größe ist tatsächlich schwer erahnbar: Von außen durch den Hildebrandtplatz abgeschirmt, erhält man auch im Innern des Gartens kaum einen Überblick, weil es überall grünt und blüht. Erst beim Rundgang mit Antje Osterland lässt sich erkennen, was in den dreißig Jahren hier geschaffen wurde. Und wozu der Stadtgarten alles dient: der Umweltbildung, der Biodiversität, der Umfeldkühlung, dem Gemeinsam-Gärtnern und der Naherholung. Denn der Stadtgarten ist nicht nur Projekt fürs Gärtnern und die Arterhaltung, sondern auch als offener Ort gedacht: in dem man seine Mittagspause verbringen kann oder den man besucht, um Molche zu beobachten. Letzteres soll noch in diesem Jahr noch besser möglich werden. Aktuell wird ein Wassergarten angelegt. Im Wasserloch, das zum Teich anwachsen wird, tummelt sich schon Getier. Nebenan werden Pilze in einem Beet aus Holzhäckseln und Strohballen angebaut. »Morcheln, Austernseitlinge und Braunkappen befinden sich darunter«, sagt Osterland. »Wir wollen damit Erfahrungswerte sammeln, um diese dann an andere Gärtner weiterzugeben.«

Der Umweltbildung – beziehungsweise der Naturerfahrung – dient jede Ecke des Gartens. Hinter den Beeten etwa, wo dreißig Gemeinschaftsgärtner Gemüse und Kräuter giftfrei pflegen und hegen, türmt sich ein unauffälliges Brennnesselgestrüpp auf. Das stellt die Kinderstube für viele Falterarten dar. Während viele Menschen Pflanzen anbauen, um die Wesen im kurzlebigen Schmetterlingsstadium mit Nahrung zu versorgen, ist die Nessel perfektes Raupenfutter. Für Käferlarven wurde ein eigener Holzweg angelegt, wie Osterland auf der Tour erklärt. Auch für Igel, die immer mal vorbeischneien, sind Lücken im Zaun vorhanden. Nur auf dem Hügel für Erdinsekten dürfen sich keine Katzen sonnen – dafür sorgen stachlige Ranken. Aber sie finden sonst Plätze genug.

Die Vielfalt des Stadtgartens in Optik und Nutzung überrascht. Man könnte ihn eine »grüne Oase« nennen, wenn die Beschreibung nicht so abgegriffen wäre. Außerdem würde das den bunten Blüten nicht gerecht werden, die von brummendem und summendem Getier umschwirrt werden. Oder den saftig-schwarzen Brombeeren, von denen es einen Nachschlag gibt.


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