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Kultur

»Eine Ehe mit vier Typen, oh Gott«

Arnim von den Beatsteaks über Geheimkonzerte, Ostler und Kinderkriegen

  »Eine Ehe mit vier Typen, oh Gott« | Arnim von den Beatsteaks über Geheimkonzerte, Ostler und Kinderkriegen

Arnim Teutoburg-Weiß von den Beatsteaks ruft an und will erst mal in breitem Berlinerisch wissen, wie es einem geht. Gut. Als der Sänger und Gitarrist der Berliner Punkrockband hört, dass er an diesem vollen Interviewtag gerade mit Leipzig verbunden ist, freut er sich.

ARNIM TEUTOBURG-WEISS: Leipzig ist ne schöne Stadt.

kreuzer: Wie kommst du zu der Annahme?

TEUTOBURG-WEISS: Ich hab mich da schon oft umgeguckt. Ich mag das Conne Island sehr und die Leute, die da arbeiten. Wir hatten da immer super Abende und komischerweise vorher oder nachher immer einen Tag frei, und da hingen wir in Leipzig rum.

kreuzer: Spielt ihr mal wieder im Island?

TEUTOBURG-WEISS: Haben wir letztes Jahr. Haste wohl verpasst, wa?

kreuzer: Hab ick verpasst. Aber war ja auch geheim, oder?

TEUTOBURG-WEISS: Na, an die große Glocke hängen bringt dann nichts. Dafür spielen wir jetzt noch mal für alle in der Arena und freuen uns drauf. Da kommen auch viele Gäste.

kreuzer: Welche?

TEUTOBURG-WEISS: Kann ich jetzt noch nicht verraten. Aber auf der Platte sind ja einige.

kreuzer: Wie Farin Urlaub, Chad Price, Jamie T, Deichkind und Stereo Total.

TEUTOBURG-WEISS: Ich kann schon mal sagen, dass Turbostaat den Abend eröffnen werden. Das ist eine große Ehre.

kreuzer: Das Album »Yours« erschien vor einem halben Jahr und ihr meintet damals, ihr werdet damit ein neues großes Kapitel aufschlagen ...

TEUTOBURG-WEISS: Das meinten eher andere Leute. Aber es ist ein Album ohne einen roten Faden, ohne eine große Idee. Wir haben einfach viele Lieder gemacht und auf die Platte gepackt, ohne früh auszusortieren. Jetzt mit etwas Abstand merke ich, dass nicht alles perfekt ist. Aber es ging auch gar nicht darum, perfekt was auf den Punkt zu bringen – was wir sonst immer versuchen –, sondern um Türen und Fenster im Beatsteaks-Kosmos aufzumachen. Das hat total Spaß gemacht.

kreuzer: Was hältst du für nicht so perfekt?

TEUTOBURG-WEISS: Das bleibt in der Familie, da rede ich nicht öffentlich drüber. Für mich liegt die Wahrheit immer in Konzerten. Da merk ich halt, was nicht so gut funktioniert oder noch viel besser als auf Platte. Ich finde »Let Me In« auf Platte nicht besonders stark, das hat aber nichts damit zu tun, wie wir das Lied live spielen. »Hand in Hand« klingt zum Beispiel genau so, wie wir das live spielen. Deswegen machen wir ja auch Musik, um Konzerte zu spielen.

kreuzer: »Yours« war jetzt das erste Album, das ihr nicht live eingespielt habt.

TEUTOBURG-WEISS: Wir haben auch diesmal viel live eingespielt, aber auch viel herumgeschraubt, was wir sonst nicht machen, daher hatten wir jetzt mal Bock drauf. Das ist für Fans von uns nicht immer leicht, wenn wir plötzlich ganz andere Sachen machen. Aber wir müssen in Bewegung bleiben, denn wir sind nicht angetreten, um immer das Gleiche zu machen. Sondern wir sind angetreten, um zu überraschen.

kreuzer: Ihr seid nicht angetreten, um Rockmusik zu machen?

TEUTOBURG-WEISS: Die erste Platte hat mit Rockmusik gar nichts zu tun. Die zweite dann wieder viel. Aber das interpretiert ja jeder anders. Gitarre wird man aber immer bei uns hören.

kreuzer: Was man dagegen nicht so oft bei euch hört, außer diesmal mit Deichkind und Farin Urlaub, sind deutsche Texte. Aus Angst?

TEUTOBURG-WEISS: Nöö. Ein guter Text, der uns gefällt, ist in Englisch schneller geschrieben, das stimmt. Aber wir haben einfach so viel englische Musik gehört, die uns geprägt hat. Und besser machen als die Ärzte geht ja gar nicht.

kreuzer: Ihr habt auch bei Dresden Nazifrei gespielt und mischt euch oft politisch ein…

TEUTOBURG-WEISS: Ja, wir reden bestimmt einmal in der Woche über solche Sachen. Wir hängen ja die ganze Zeit aufeinander und das kommt immer wieder auf den Tisch. Weil was passieren muss! Es ist unglaublich, was sich gerade in unserem Land abspielt und da muss man das Maul aufmachen.

kreuzer: Was sollte man tun?

TEUTOBURG-WEISS: Nachrichten gucken, sich wundern und überlegen, ob man mal auf die Straße geht. Und vielleicht auch mal ein Geschichtsbuch bedienen. Ich bin fassungslos, wie viel Zuspruch die AfD bekommt. Das nehme ich nicht leise hin.

kreuzer: Spielt dabei eure ostdeutsche Biografie eine Rolle?

TEUTOBURG-WEISS: Unser Schlagzeuger, der ja Schwabe ist, sagt immer, wir seien durch und durch Ostler. Es hat uns auf jeden Fall geprägt. Wir waren alle 17, 18, als die Mauer fiel, und sind Ostpocken.

kreuzer: Wenn ihr durch und durch Ostler seid, könntet ihr auch AfD wählen. Aber wie zeigt sich das bei euch?

TEUTOBURG-WEISS: Familie, teilen, einander helfen. In unserer Band gibt es keinen Songschreiber. Wir teilen alles. Wir sind ne richtige Hippiekommune, die durch dick und dünn zusammen geht. Die Gang ist das Wichtigste.

kreuzer: Ihr seid jetzt über 20 Jahre zusammen unterwegs ...

TEUTOBURG-WEISS: (lacht) Viel zu lange.

kreuzer: Und die Gang hält?

TEUTOBURG-WEISS: Ja! Die wackelt auch mal. Die geht durch dick, aber auch durch ganz, ganz dünn. Es ist nicht immer Friede, Freude, Eierkuchen. Das müssen wir uns immer zurückholen, wie in einer Ehe. Eine Ehe mit vier Typen, oh Gott.

kreuzer: Ihr seid alle Familienväter. Wir kriegt man Karriere der Gang und Familie unter einen Hut?

TEUTOBURG-WEISS: Du musst die richtige Frau finden, die das mit so einem Künstlerheini mitmacht. Dann muss man erkennen – und man erkennt es auch sofort, wenn das Kind da ist: Man ist nicht mehr der Wichtigste im Universum. Die Welt regelt sich da schon selbst ein bisschen ein. Und dann musste fleißig bleiben, Zeitmanagement ist ganz, ganz wichtig. Pläne machen. Die erste Zeit war das ganz schön schwierig, ehrlich gesagt. Ick dachte immer: Pläne? Nee! Immer schön rein in den Morgen. Das ist natürlich jetzt anders. Aber ich feier das alles total ab und kann mich an mein Leben vorher gar nicht mehr erinnern. Alles genau richtig!


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