Immer wenn es warm wird, sind sie da, mit ihrem feuerroten Spielmobil: Tobias Rank und Gunthard Stephan sind nun schon seit 19 Jahren unterwegs durch Europa mit ihrem 1969er Magirus-Deutz, der die gesamte Vorführtechnik ebenso beherbergt wie Violine und Piano, mit denen die beiden kinoleidenschaftlichen Musiker die Filme begleiten. Im Mai machen sie wieder Station in Leipzig und haben zahlreiche Filmklassiker aus den zwanziger Jahren im Gepäck.
»Stummfilmtage mit dem Wanderkino«: ab 4.5., 21 Uhr, Warze im Clara-Zetkin-Parkwww.wanderkino.de/wanderkino/index2.php
Film der Woche: »Die Sanfte« ist die Nachtwächterin Alyonka aus der russischen Provinz. Ihrem Ehemann, der ihrer Auskunft nach »wegen nichts« im Gefängnis sitzt, schickt sie regelmäßig Verpflegungspakete. Nachdem das letzte ohne erkennbaren Grund retour kommt, macht sich Alyonka auf den Weg nach Sibirien, um direkt im Gefängnis Antworten einzuholen. Man bekommt den Eindruck, dass den Arbeiten Loznitsas, etwa dem Goldene-Taube-Gewinner »Austerlitz« und seinem Spielfilmdebüt »Mein Glück«, im Vergleich zu früheren Arbeiten Leichtfüßigkeit, Spaß und Ironie abhanden gekommen sind. Das scheint auch die »Die Sanfte« zu bestätigen. Auf fast zweieinhalb Stunden Spielzeit entspinnt der ukrainischstämmige und in Deutschland lebende Loznitsa die Geschichte der mühseligen Reise und des grotesken Aufenthalts Alyonkas in der Gefängnisstadt. Trotz aller Überdeutlichkeit, trotz der schonungslosen Beschreibung nicht nur von Alyonkas Erlebnissen, sondern – Loznitsas Verständnis nach – russischen Verhältnisse im Allgemeinen, zeichnet den Film eine große Erzählfreude aus. Dem Prinzip des Roadmovies verpflichtet, tauchen Figuren und Geschichten auf, verschwinden wieder und hinterlassen persönliche Signaturen, so dass »Die Sanfte« zu einem Film der vielen Geschichten wird. Ausführliche Kritik von Sebastian Gebeler im aktuellen kreuzer.
»Die Sanfte«: ab 3.5., Cineplex, ab 10.5., Schaubühne Lindenfels
110 Filme hat Salim Shaheen bisher gedreht, in seinem Heimatland Afghanistan ist er ein Superstar. Nicht nur, weil seine B-Movies dabei helfen, dem Alltag in einem von Krieg und Terror verwüsteten Land zu entfliehen. Wo Shaheen auftaucht, ist die Party sofort in vollem Gange. Es wird gelacht, gesungen und getanzt, aber auch gepoltert und geschrien, wenn nicht alles nach Vision des Meisters läuft. Meist erzählt das wuchtige Entertainment-Original in seinen trashigen Produktionen aus seinem eigenen Leben und lässt es sich nicht nehmen, immer wieder selbst mitzuspielen, damit auch alles »richtig« gezeigt wird. Und obwohl sie seine Filme verboten haben, schauen selbst Taliban sie heimlich auf ihren Handys, wie hier ein vermummter Gotteskrieger gesteht. Um sich diesem Phänomen zu nähern, begleitet die französische Journalistin Sonia Kronlund ihren Helden und seine nicht minder schräge Entourage zu Filmsets – während der Dreharbeiten filmte Shaheen gerade vier Streifen gleichzeitig – und auch in seine Privatgemächer, wo wir seine acht Söhne kennenlernen. Heraus kam ein interessantes, unterhaltsames aber durchaus auch kritisches Porträt einer kuriosen Künstlerpersönlichkeit. Ausführliche Kritik von Karin Jirsak im aktuellen kreuzer.
»Meister der Träume«: ab 3.5., Luru Kino in der Spinnerei, 17.–19., 21.–23.5., Cineding
Dies ist die Geschichte der »Granite Mountain Hotshots«. Eine Heldengeschichte, zweifellos. Aber wenn man die wahren Ereignisse um die landesweit bekannte Feuerwehrtruppe nicht kennt, ist das durchaus von Vorteil. Regisseur Joseph Kosinski, der zuvor mit den Science Fiction-Blockbustern »Tron Legacy« und »Oblivion« auf sich aufmerksam machte, erzählt ihre Geschichte überraschend zurückhaltend. Er nimmt sich viel Zeit für die Beschreibung der Figuren. Da ist der Chef der Truppe Eric Marsh (Josh Brolin), ein rauer, aber ehrenhafter Typ, der mit seiner Frau Amanda (Jennifer Connelly) auf einer Ranch im kleinen Örtchen Prescott am Fuße des Mingus Mountain in Arizona lebt. Er setzt sich dafür ein, dass seine Crew endlich zu den »Hotshots« aufsteigt, jenen Feuerwehrmännern, die in der ersten Reihe im Kampf gegen die grassierenden Waldbrände stehen. Er gibt dem jungen Brendan McDonough (Miles Teller) eine Chance, der seine Drogen-Vergangenheit hinter sich lassen will. Und er ist ein erfahrener Kopf, wenn es heiß wird. Schließlich bekommen die »Granite Mountain Hotshots« ihre Chance und die Kinogänger spektakuläre Feuerszenen. Bis dahin überzeugt aber dank der exzellenten Schauspielerriege auch der Charakterpart in diesem sehenswerten Katastrophendrama.
»No Way Out – Gegen die Flammen«: ab 3.5., CineStar, Regina Palast, Cineplex
Weitere Filmtermine der Woche
A or BDer Milliardär und Geldwäscher Xiaonian Zhong wurde entführt. Eingesperrt in einen Raum wird er mit einer Reihe von Fragen konfrontiert und bekommt jeweils zwei Antwortmöglichkeiten. Dabei tappt er in eine Falle. – Chinesisches Kino5.5., 18 Uhr, 6.5., 20 Uhr, Cineplex (OmU)
Der junge Karl MarxParis in den frühen 1840ern: Karl Marx ist 26, ein ungestümer Jüngling, der sich mit seinen Publikationen viele Feinde macht. Er trifft auf Friedrich Engels, den Sohn eines Großindustriellen. Die beiden verbindet zunächst die Ideologie und bald eine innige Freundschaft. Gemeinsam entwickeln sie das »Kommunistische Manifest«. Der aus Haiti stammende Regisseur Raoul Peck hat daraus einen mitreißenden Historienfilm gemacht. – Zum 200. Geburtstag von Karl Marx5.5., 18 Uhr, Kinobar Prager Frühling
Directions – Geschichten einer NachtMisho ist ein kleiner Geschäftsmann, der sich nebenbei als Taxifahrer verdingt, um über die Runden zu kommen. Als er feststellt, dass sich das Bestechungsgeld für seinen Kredit verdoppelt hat, will er ehrlich bleiben. Das ist allerdings in der bulgarischen Gesellschaft nicht so einfach, wie Regisseur Stephan Komandarev bitterböse festhält. Am 5.5. Filmgespräch mit dem Regisseur im Cineding.ab 3.5., Cineding
Sci-Fi-FilmmarathonGenre-Klassiker vs. Trash Perlen: 14 Stunden Sci-Fi-Filmmarathon u. a. mit Alien (GB/USA 1979), Alien Contamination (BRD/I 1980), RoboCop (USA 1987), Robo Vampire (Hong Kong1988), Gamera vs. Viras (J 1968), The Fly (USA/GB/CDN 1986), The Last Man on Earth (USA 1964).5.5., ab 12 Uhr, Regina Palast
ManifestoJulian Rosefeldt zeigt Cate Blanchett in zwölf Episoden, die jeweils kulturhistorische oder politische Manifeste des 20. Jahrhunderts umsetzen; Karl Max und Friedrich Engels mit ihrer Vorstellung von Kommunismus sind vertreten, die Filmemacher Lars von Trier und Thomas Vinterberg und ihr Dogma 95 genau so, wie die Manifeste von Futuristen, Dadaisten, Fluxus-Künstlern, Suprematisten und Situationisten. Die lineare Kino-Version des »Manifesto« geht zurück auf Rosefeldts Filminstallation aus dem Jahr 2015 und besteht aus zwölf miteinander in Beziehung stehenden Einzelfilmen einer Länge von je 10 Minuten und 30 Sekunden sowie einem Prolog, die im Ausstellungskontext synchronisiert in Endlosschleife auf verschiedenen Projektionsflächen in einem Raum simultan gezeigt wurden. – Kunst frisst Film6.5., 17 Uhr, 8.5., 17.15 Uhr, Schaubühne Lindenfels
Unter Männern – Schwul in der DDRZum ersten Mal fragt ein Film nach, wie Schwule in der DDR gelebt haben. - anschl. Filmgespräch mit Regisseur Ringo Rösener7.5., 20 Uhr, Cineding
4 Uhr morgens im Wald – Las 4 ranoDer knorrige Forst ist so zackig wie sein Name – er will nicht beliebt sein, sondern sein Leben in vollen Zügen genießen. Sein schnelles Auto ist ihm wichtiger als Freunde, sein Lebensweg verläuft auf der Überholspur – bis zur Vollbremsung. – Einführung von Rainer Mende (Polnisches Institut), Film Polska reloaded9.5., 19.30 Uhr, Cinémathèque in der Nato (OmU)
5 Zimmer Küche SargEigentlich sind sie ja zum Anbeißen, die vier Vampire, die das Kamerateam für einige Wochen begleitet. Die »Flight of the Concords«-Macher schufen diese aberwitzige Mockumentary mit viel Situationskomik und haufenweise abgedrehten Ideen. Ein außerordentliches Vergnügen nicht nur für Genrefans.9.5., 21 Uhr, Ost-Passage Theater (OmU)