50 Jahre 1968: Neben dem Luru Kino in der Spinnerei widmet sich auch die Schaubühne Lindenfels dem Jahr des Umbruchs mit einer Filmreihe. In dieser Woche gibt es da gleich viermal Kino aus der Hippiekiste: Das Luru zeigt europäisches Kino mit Paul Verhoevens Skandalklassiker »Türkische Früchte« und der französischen Aussteiger-Groteske »Themroc« (F 1973) im Doppel. Die Schaubühne widmet sich dem kürzlich verstorbenen Milos Forman mit seiner gesellschaftskritischen Chaoskomödie »Der Feuerwehrball« und Bernardo Bertoluccis filmischer Erinnerung an 68 »Die Träumer«.
30.5., 20 Uhr, »68 on 35mm«, Luru Kino in der Spinnerei 27.5., 19 Uhr, »Die Träumer«, Schaubühne Lindenfels 30.5., 20 Uhr, »Der Feuerwehrball«, Schaubühne Lindenfels
Film der Woche: Der Gabelstapler tanzt durch die Gänge des Großmarkts. Vorbei an den Süßwaren, der Tiefkühlkost, den Getränken und Haushaltswaren – Abteilungen, in denen wir uns heimisch fühlen, wenn das Meer rauscht und der Abspann über die Leinwand flimmert. Der Markt ist der Hauptdarsteller von Thomas Stubers Adaption einer Kurzgeschichte von Clemens Meyer. Wir erfahren den Mikrokosmos durch die Augen von Christian. Der Neue landet bei Bruno von den Getränken und wird in die Geheimnisse des Großmarkts eingeweiht. Wenn die beiden mal wieder draußen an der Rampe stehen und »15« machen, lernt Christian die eigene Sprache, die Macken und Marotten der Individuen kennen. Und Marion von den Süßwaren, die Christian mit einem Lächeln begegnet und herzlich und offen in die Familie aufnimmt, während der Neue die Zähne kaum auseinander bekommt. Doch hinter den täglichen Begegnungen im Markt stecken Schicksale, von denen hier und da nur hinter vorgehaltener Hand erzählt wird. Auch Christian ist ein versiegeltes Buch vergangener Geschichten, wenn wir ihn kennenlernen. Erst wenn seine Saufkumpanen von früher an seiner neuen Arbeitsstätte auftauchen, bekommen wir einen Eindruck davon, wie sein Leben ausgesehen haben muss, bevor er im Markt ein neues begann. Die Leerstellen, die Clemens Meyer in seinen Geschichten bewusst setzt und Stuber für den Film nur mit dem Nötigsten füllt, machen den Reiz von »In den Gängen« aus. Vieles bleibt Unausgesprochen und doch klar. Gerade so, wie wir Menschen eben auch nicht alles ausformulieren, was uns bewegt. Ausführliche Kritik im aktuellen kreuzer.
»In den Gängen«: ab 24.5., Passage Kinos
Oscar Wilde ist ein gebrochener Mann, als er 1897 aus der Haft entlassen wurde, wo er wegen seiner Affären mit Männern eingesessen hatte. Jene, die ihm einst auf der Bühne zujubelten, bespuckten ihn nun. Es blieb ihm kein Ausweg als die Reise ins Exil. In Frankreich fand er verarmt und müde, eine neue Liebe und traf auf alte Freunde. Doch seine angegriffene Gesundheit erholte sich nicht mehr. Wenig ist bekannt von diesen unrühmlichen Jahren des angesehen Feingeists. Das will Schauspieler Rupert Everett („Die Hochzeit meines besten Freundes“) ändern und schlüpfte nicht nur überzeugend in die Rolle des gealterten Schriftstellers, sondern übernahm auch gleich Regie und Drehbuch. „The Happy Prince“ ist ein hervorragend besetztes und erschütterndes Porträt eines literarischen Genies, dem die Kraft zum Schreiben entzogen wurde. Eine späte Rehabilitation des Großmeisters im Auge der Öffentlichkeit und ein kraftvolles Plädoyer für die Rechte Homosexueller, für die Wilde als Märtyrer seinen Preis zahlen musste. Ausführliche Kritik im aktuellen kreuzer.
»The Happy Prince«: ab 24.5., Passage Kinos
Herzlich Willkommen im 6-Jahre-Club! Für ein paar auserwählte Kinder eines norwegischen Waldkindergartens ist es endlich soweit: Sie gehören zu den Großen, streunen durch den Wald und schnitzen ihre eigenen Steckenpferde. Es ist eine aufregende Zeit, die Margreth Olin mit ihrer Kamera für ein Jahr begleitet hat. Große, leuchtende Kinderaugen staunen über alles um sie herum: Den Wald, den Himmel, die Tiere. Spielen ist die einzige Aufgabe der Kinder in dieser märchenhaften Umgebung. Keine Smartphones, niemanden interessiert, was gestern im Fernsehen lief. Alles ist harmonisch, naturverbunden, wohlig und geborgen – eine große Idylle, wie sie sich Astrid Lindgren kaum bezaubernder hätte ausmalen können. Auch die Kinder sind allesamt entzückend und es ist eine Freude, sie beim uneingeschränkten Entdecken ihrer Umwelt zu beobachten.Und doch ist es dann alles etwas zu idyllisch – »Kindheit« zeigt eine Märchenblase, die sich irgendwann wie ein zu lang geratener Werbefilm für den Waldkindergarten anfühlt. Am Ende natürlich mit dankbaren Eltern und glücklichen Kindern. Einziger Bruch des Films ist die böse Schule, die nun auf die Kinder wartet und das Leben voller Wunder vermutlich beendet. Aber vielleicht ist es auch ganz gut, einen Film wie diesen im Programm zu haben. Einer, der mit seiner Bullerbü-Idylle im Gegensatz zu all den Kriegsszenarien und mehr oder minder gescheiterten Existenzen beinahe utopisch wirkt und eine lebensbejahende kleine Oase der Ruhe darstellt.
»Kindheit«: 24./25., 28., 30.5., Cinémathèque in der Nato
Weitere Filmtermine der Woche
Café Ta'amon, King-George-Street, JerusalemIm Jahre 1938 in Jerusalem von deutsch- jüdischen Emigranten eröffnet, ist das Café Ta'amon zehn Jahre älter als der Staat Israel. - mit Filmeinführung durch Lutz Fiedler und anschließendem Filmgespräch, 70 Jahre Israel24.5., 19 Uhr, Kinobar Prager Frühling
Surf Film NachtAlena Ehrenbold ist Schweizerin, surft gerne große Wellen und hat nun ihren zweiten Surffilm produziert. »Blue Road« erzählt von drei Surferinnen, die alle Entscheidungen getroffen haben, die ihr Leben verändern. Mit Vorfilm.24.5., 21Uhr, Sommerkino auf der Feinkost
Das große HeftDie dreizehnjährige Zwillingsbrüder werden inmitten des Zweiten Weltkriegs von ihrer Mutter aufs Land zu ihrer Großmutter gebracht. Die bösartige Frau lässt die Zwillinge hart für sich arbeiten. - Off Europa: Open Hungary25.5., 18 Uhr, Kinobar Prager Frühling
Jean Painlevé – Wissenschaft und AvantgardeKurzdokumentationen von einem der Pioniere des populärwissenschaflichen Kinos. Von den zwanziger- bis in die achtziger Jahre drehte der französische Filmemacher über 200 Filme, in denen er sich vornehmlich mit der Fauna der Unterwasserwelt beschäftigte: »La Pieuvre« (»Der Achtfuß«, 1928), »L'Hippocampe« (»Das Seepferd«, 1934), »Le Vampire« (»Der Vampir«, 1945), »Oursins« (»Seeigel«, 1958), »Les Amours de la Pieuvre« (»Die Liebe der Kraken«, 1967), »Acera« (»Akera-Kugelschnecken«, 1972) - alle OmU> Wir haben 3x2 Freikarten, Email an film@kreuzer-leipzig.de25.5., 20 Uhr, UT Connewitz
Komunia – KommunionDie 14-jährige Ola kümmert sich um ihren jüngeren, autistischen Bruder Nikodem, der bald zum ersten Mal die heilige Kommunion empfangen soll. Preisgekrönter Dokumentarfilm zum Dok Day, Einführung von Rainer Mende (Polnisches Institut), anschl. Diskussion, Moderation: Birgit Ehret (Lindenauer Kirchencafé) und Rainer Mende25.5., 19.30 Uhr, Liebfrauenkirche Plagwitz
The CleanersWer kontrolliert die Kontrolleure? Moritz Riesewieck und Hans Block gehen der Zensur in sozialen Netzwerken auf den Grund und fördern Erschreckendes zutage. – anschl. Filmgespräch mit Regisseur Hans Block25.5., 19 Uhr, Schaubühne Lindenfels
Marx & The RevolutionShorts Attack anlässlich Karl Marx' 200. Geburtstag26.5., 21 Uhr, UT Connewitz
Die TräumerIm revolutionären Paris 1968 entwickelt sich eine enge Freundschaft zwischen dem Amerikaner Matthew und dem Zwillingspaar Isabelle und Theo. Die Geschwister quartieren Matthew bei sich ein, während die Eltern auf Reisen sind. Die drei jungen Leute genügen sich zunehmend selbst, bald verlassen sie das großzüge Appartement gar nicht mehr. Bei Wein, Sex und lebhaften Diskussionen gehen sie der Welt immer mehr verloren - ehe diese wortwörtlich den Kokon des Trios aufbricht. Vom italienischen Meisterregisseur Bernardo Bertolucci (»Der letzte Tango von Paris«.) – The revolution will be televised: Filmreihe und Ausstellung zur 68er Bewegung27.5., 19 Uhr, Schaubühne Lindenfels
Der FeuerwehrballIn einer tschechischen Kleinstadt soll ein Feuerwehrball stattfinden. Am Abend der Feier überlegt sich der Vorstand spontan, auch eine Miss-Wahl abzuhalten. Als schließlich der Höhepunkt des Abends in Form der Wahl der »Miss Feuerwehrball« bevorsteht, geraten die Feierlichkeiten außer Kontrolle, als sich die Kandidatinnen in der Toilette einschließen und neue Mädchen gefunden werden müssen; notfalls mit Gewalt. Der kürzlich verstorbene Regisseur Milos Forman (»Einer flog über das Kuckucksnest«) erlangte mit »Der Feuerwehrball« internationale Bekanntheit, nachdem der Film in der Tschecheslowakei verboten worden war. Die Zensoren glaubten, in der satirischen Handlung eine politische Allegorie auf das sozialistische System zu erkennen. Womit sie nicht ganz Unrecht hatten. – The revolution will be televised: Filmreihe und Ausstellung zur 68er Bewegung30.5., 21 Uhr, Schaubühne Lindenfels
68 on 3550 Jahre 1968: Das Luru widmet dem Jahr des Umbruchs eine Filmreihe. Diesmal gibt es ein Doppel mit der Gesellschaftssatire »Themroc« (F 1973) und Paul Verhoevens »Türkische Früchte« (NL 1973).30.5., 20 Uhr, Luru-Kino in der Spinnerei
Schauwert-SonntagAkira Kurosawas »Uzala, der Kirgise - Dersu Uzala« bietet eine Menge optischen Schauwert ob der Schönheit der sibirischen Wildnis. Aber auch zwischenmenschlich ist sein Spätwerk großes Kino.27.5., 12 Uhr, Luru-Kino in der Spinnerei
Slemani – Inside Iraqi KurdistanDie kurdische Stadt Slemani ist das kulturelle Zentrum der kurdischen Gesellschaft im Nordirak. Die Bewohner der Stadt erzählen von ihrer Wahrnehmung der vergangenen und gegenwärtigen Situation. – vorab Kurzfilm30.5., 20 Uhr, Neues Schauspiel Leipzig
Stummfilmtage mit dem WanderkinoThe Sportsman (USA 1921), Seifenkistenrennen in Venice (USA 1914), Seven Chances (USA 1925)30.5., 21.30 Uhr, Neustädter Markt