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Filmkritik

Frauengeschichten

Die Kinostarts im Überblick und was sonst Filmisches in der Stadt geschieht

  Frauengeschichten | Die Kinostarts im Überblick und was sonst Filmisches in der Stadt geschieht

Erfreulich oft werden in dieser Woche Geschichten von und über Frauen erzählt: In »Augenblicke« reist die gerade 90 Jahre alt gewordene Regielegende Agnès Varda durchs Land und sammelt Geschichten von Menschen, denen niemand mehr zuhört. Im Berlinale-Wettbewerbsbeitrag »Figlia Mia – Meine Tochter« und auch in »Tully« von Jason Reitman und Diablo Cody geht es um die Frage, was es bedeutet, Mutter zu sein. Auch zwei deutsche Indiefilme bieten weibliche Perspektiven: In »Back for Good« (Luru Kino in der Spinnerei) ist ein Reality-Sternchen auf der Suche nach Orientierung und »Zwei im falschen Film« schließlich beleuchtet Beziehungsprobleme auf erfrischend andere Art.

Film der Woche: Jeannine ist die Letzte. Die alte französische Dame steht hinter ihrem Fenster und erzählt von damals. Als auch in den anderen Häusern noch Menschen lebten. Und unter Tage die Kohle abgebaut wurde. Heute zeugen nur noch die leeren Fassaden von jener Zeit. Menschen wie Jeannine und die Orte, an denen sie leben, bilden das Herzstück von Agnès Vardas und JRs Dokumentation über Frankreich. Die 89-jährige Regielegende und der 33-jährige Streetart-Künstler sind ein herrliches Team. Voller Witz und Spielfreude führen sie durch ihren Film, der nicht unähnlich dem ist, was Godard, ein alter Weggefährte Vardas, nach seinen ersten Erfolgsfilmen machte: ein Spiel mit den Formen und Themen. Fotografie, Landschaften, Menschen und ihre Gesichter, Erinnerungen, Gräber von alten Freunden. Vieles findet in dieser Dokumentation seinen Platz. Wieder und wieder bereisten Agnès Varda und JR dafür mit einem Fotomobil, das Frankreich der arbeitenden Menschen in der Provinz. Und druckten dann überlebensgroße Porträts, die sie auf Scheunen, Containern oder einem umgestürzten Bunker anbrachten. Porträts wie das von Jeannine, aber auch solche aus der Vergangenheit der beiden Protagonistinnen. Eine warmherzige Dokumentation, der es auf berührende Weise gelingt, über vieles zu reflektieren, ohne dabei je den Faden zu verlieren. Ausführliche Kritik von Josef Braun im aktuellen kreuzer.

»Augenblicke – Gesichter einer Reise«: ab 31.5., Passage Kinos

Mit »Juno« porträtierten Drehbuchautorin Diablo Cody und Regisseur Jason Reitman vor zehn Jahren eine junge Frau auf der Schwelle zum Erwachsenwerden. »Young Adult« handelte drei Jahre später von einer Frau, die nicht erwachsen werden wollte. Für Marjo, die Protagonistin ihrer dritten Zusammenarbeit, gibt es keinen Ausweg mehr. Ein Reihenhaus, zwei Kinder, eins auf dem Weg – man sieht der Mittvierzigerin an, dass sie sich von einem glamouröseren Lebensentwurf längst verabschiedet hat. Marjo ist konstant übermüdet, gestresst und latent frustriert. Trotzdem jongliert sie die Kinder und den Haushalt, stellt sich der Direktorin der Schule, wenn der Jüngste mal wieder einen seiner Anfälle hat, und versackt abends bei Reality-Shows, während ihr liebenswerter, aber weitgehend unbeteiligter Mann oben Ego-Shooter zockt. Als das Kind zur Welt kommt, wird ihr schließlich alles zu viel. Marjo nimmt widerwillig das Angebot ihres wohlhabenden Bruders an. Sie stellt eine Night-Nanny an, die sich über Nacht um das Baby kümmert. Hauptdarstellerin Charlize Theron gibt sich keine Blöße. Die Folgen von Mutterschaft und Schlafentzug sind ihr in die tiefen Augenringe geschrieben. Aber auch die psychologischen Folgen behandelt »Tully« überzeugend. Ausführliche Kritik im aktuellen kreuzer.

»Tully«: ab 31.5., Passage Kinos, CineStar

Beziehungsfilme gibt es wie Sand am Meer, und gerade Beziehungskomödien bevölkern hierzulande zuhauf die Leinwände. Da fällt es zunehmend schwer, dem Sujet mit Originalität zu begegnen und das Publikum mit seinen Ideen zu überraschen. Laura Lackmann gelingt genau das mit ihrem neuen Film »Zwei im falschen Film«. Die Autorenfilmerin beginnt mit einer Szene im Kino, in der sich ihre beiden Protagonisten Laura alias »Heinz« und Hans gemeinsam einen Film anschauen, der ihnen allerdings nicht so recht gefällt. Zu realitätsfremd, zu konstruiert wirkt die Liebesgeschichte auf das Paar, das sich bei anderen stets als »super-glücklich« beschreibt. In Wirklichkeit kriselt es gerade ganz gewaltig in der achtjährigen Partnerschaft, die sich nur noch auf Arbeit und gemeinsame Playstation-Abende zu beschränken scheint. Gemeinsam versuchen die beiden, ihre Beziehung wieder auf Vordermann zu bringen. Es liegt nicht zuletzt an den beiden sympathischen und weitgehend unverbrauchten Hauptdarstellern Laura Tonke und Marc Hosemann, dass man hier seinen Spaß hat. Die beiden schlittern von einer peinlichen Situation in die nächste, während sich die Absurditäten die Klinke in die Hand geben. Das ist so kurzweilig und unterhaltsam, weil auch die Dialoge richtig witzig und frisch sind, weil man als Zuschauer nie ahnt, was als nächstes kommt, und weil man trotz der ganzen Überzeichnungen und satirischen Zuspitzungen so manche der gezeigten Situationen nur allzu genau kennen dürfte. Ausführliche Kritik von Frank Brenner im aktuellen kreuzer.

»Zwei im falschen Film«: ab 31.5., Schauburg, 31.5., 1./2.6., 6.6., Schaubühne Lindenfels

Captain Joseph Blocker (Christian Bale) hat aufgehört zu zählen, wie viele Indianer er abgeschlachtet hat. Seine Waffenbrüder, die er im Kampf verloren hat, kann er noch alle aufzählen. Kurz vor dem Ruhestand erhält er einen letzten Auftrag: Er soll den gealterten Cheyenne-Häuptling Yellow Hawk (Wes Studi) auf seiner Reise zurück in die Heimat begleiten. Die Zeiten haben sich geändert, doch für Joe wird der Chief auf ewig ein Feind sein. Mühevoll und langsam ist die Reise der Rivalen und auf dem Weg werden einige ihrer Weggefährten ins Gras beißen – die meisten davon ziemlich sinnlos. Die Kraft von Scott Coopers (»Crazy Heart«) Abgesang auf das Westerngenre liegt neben den schauspielerischen Leistungen, in der Atmosphäre, die Kameramann Masanobu Takayanagi (»The Grey«) aufbaut und Max Richter mit seinem unheilvollen Score unterstreicht.

»Feinde – Hostiles«: ab 31.5., Schauburg, Regina Palast

Die neunjährige Vittoria (Sara Casu) wächst unbeschwert in der weitläufigen Landschaft Sardiniens auf. Ihr Mutter Tina (Valeria Golino) kümmert sich liebevoll um die Heranwachsende. Doch da ist auch noch Angelica (Alba Rohrwacher), von der Vittorias Eltern immer nur hinter vorgehaltener Hand reden. Als das Mädchen auf Angelica trifft, ist da ein Band, das sie unbewusst zueinander führt. Für den Zuschauer ist bald klar, Angelica ist Vittorias leibliche Mutter. Die exzentrische junge Frau führt ein verantwortungsloses Leben, das sie bald von ihrem Hof vertreiben wird, da sie die Rechnungen an den Pferdehändler Bruno (Udo Kier) nicht mehr bezahlen kann. Tina bietet Vittoria Halt und ein geordnetes Elternhaus. Doch reicht das, um gegen die Verwandtschaft des Blutes anzukommen? Die beiden Frauen bilden die gegensätzlichen Pole in diesem Drama der italienischen Regisseurin Laura Bispuri. Valeria Golino („Hot Shots“) und Alba Rohrwacher („Die Einsamkeit der Primzahlen“) geben den beiden Frauen Konturen. Kameramann Vladan Radovic („Die Überglücklichen“) fängt die Szenerie mit kindlichem Blick ein. Eine leidenschaftliche Auseinandersetzung mit der Liebe einer Mutter zu ihrem Kind.

»Meine Tochter – Figlia Mia«: ab 31.5., Passage Kinos

Weitere Filmtermine der Woche

Filme mit FreundenOpen-Air-Kino im Pöge-Haus-Garten1.6., 20 Uhr, Pöge-Haus

Ich bin dann mal wegHape Kerkelings autobiografisch gefärbter Roman über seine Erfahrungen auf dem Jakobsweg war vor rund zehn Jahren ein riesiger Bucherfolg. 2015 folgte die Filmversion, in der Devid Striesow in der Rolle des erschöpften Entertainers zu sehen ist, der den Pilgerpfad durch Spanien beschreitet und dabei interessanten bis skurrilen Menschen begegnet. – Kino in der Kirche1.6., 20.30 Uhr, Kirche Liebertwolkwitz

Persona non grataDiplomat Chiune Sugihara rettete während des Zweiten Weltkriegs in Litauen über 6.000 Juden das Leben und geriet dadurch in Konflikt mit seiner eigenen Regierung. Historisches Porträt des »japanischen Oskar Schindler«. – Asia-Night1.6., 22 Uhr, Cineplex 1.6., 22.45 Uhr, Cinestar

Phantasm – Das BöseSeit fast 40 Jahren beglückt Don Coscarelli eine eingeschworene »Phantasm«-Fangemeinde mit der Suche nach dem Tall Man. Cineplex und Cinestar zeigen im Juni Teil eins (1.6.) und Teil zwei (29.6.) der Horror-Reihe. – Horror-Special1.6., 22.30 Uhr, Cineplex 1.6., 22.45 Uhr, Cinestar

ShortbusEin schwules Pärchen mit Beziehungsproblemen, eine Therapeutin die noch nie einen Orgasmus hatte und eine Domina die sich eigentlich nach einer festen Beziheung sehnt - diese unterschiedlichen Personen treffen im New Yorker Szene-Club Shortbus aufeinander. Hier wird offene Liebe praktiziert und jeder Einzelne von ihnen erhofft sich in dieser Atmosphäre für eine gewisse Zeit ihren Problemen davonzulaufen.1.6., 21 Uhr, Luru-Kino in der Spinnerei

Veere Di WeddingIn der indischen Buddy-Komödie besuchen vier Freundinnen eine Hochzeitsfeier. – Indisches Kino2.6., 15 Uhr, 3.6., 11 Uhr, Cineplex

Canaletto und die Kunst von VenedigDer italienische Maler Giovanni Antonio Canal, besser bekannt unter dem Künstlernamen Canaletto, ist vor allem für zahlreiche Bilder von seiner Heimatstadt Venedig bekannt, deren Kanäle und Gassen er mit Vorliebe einfing, wobei er die Realität jedoch gerne etwas zurechtbog und schon mal Gebäude versetzte oder komplett neue Architektur erdachte. – Kunst frisst Film, mit Einführung von Kristin Klemann3.6., 15 Uhr, Passage Kinos

Russisches KinoIm Fantasy-Sci-Fi-Abenteuer »Chernovik – The Draft« wird das frühere Leben eines Game-Designers ausradiert, als er zum Weltengänger, also zum Wächter über mehrere Parallelwelten wird. Nach der Romanvorlage »Weltengänger« von Sergey Lukyanenko, der zuvor bereits die Vorlage zu den Wächter-der-Nacht-Filmen geschaffen hatte. Russisches Kino im Original ohne Untertitel - diesmal mit: »Chernovik« (R 2018; OF) im Cineplex, Cinestar und Regina Palast.3.6., 17.30 Uhr, Cineplex, 17 Uhr, Cinestar, Regina Palast

SandmädchenVeronika ist 23, lebt in der Nähe von Augsburg und ist körperlich schwer behindert. Sie kann nicht sprechen, nicht laufen und leidet am Asperger-Syndrom, einer Form von Autismus. Aber Veronika schreibt. Ein poetischer Dokumentarfilm. – anschließend Gespräch mit dem Regisseur Mark Michel3.6., 16 Uhr, Budde-Haus

Sportsfreund Lötzsch»Sportsfreund Lötzsch« ist ein deutscher Dokumentarfilm über den Chemnitzer Radsportler Wolfgang Lötzsch.4.6., 19 Uhr, Zeitgeschichtliches Forum

Der Fremde am SeeHochsommer in Frankreich. Sonne, Wind, das Rauschen der Bäume, ein idyllisch abgelegener türkisgrüner See mit angrenzendem Waldstück, beliebter Cruising-Spot für Schwule. Franck trifft Michel. Obwohl er weiß, dass der gut aussehende Fremde ein dunkles Geheimnis hat, verfällt er ihm. Spannend und sinnlich inszeniertes Vexierspiel.5./6.6., 22 Uhr, Cinémathèque in der Nato (OmU)

Der sechste KontinentEin Haus in den italienischen Alpen wird zum Zufluchtsort für die Gestrandeten der Gesellschaft. Eindrucksvolles dokumentarisches Plädoyer für Menschlichkeit. Premiere am 5.6. in Anwesenheit des Regisseurs und der Produzentin.5.6., 19 Uhr, Kinobar Prager Frühling

Anzahl der FreiheitsgradeKatrin Büchel, Filmkünstlerin aus Berlin, musste in ihrer Jugend mehrere Einrichtungen der DDR-Jugendhilfe, u. a. den Geschlossenen Jugendwerkhof Torgau, durchlaufen. In ihrem Kurzfilm mit 3-D-Animation verfremdet sie künstlerisch diese traumatischen Erfahrungen von Eingesperrtsein, Willkür und Zwang. Anschließend Podiumsgespräch in Kooperation mit der Gedenkstätte Geschlossener Jugendwerkhof (GJWH) Torgau und dem Archiv Bürgerbewegung Leipzig, Moderation: Juliane Thieme (Archiv Bürgerbewegung Leipzig).6.6., 19 Uhr, Kinobar Prager Frühling

No Game, No Life: ZeroDer Untergang der Menschheit steht bevor, das Land wird verwüstet und sogar Himmel und Sterne werden zerstört, als ein junger Mann namens Riku auftaucht und die Menschheit in eine rettende Zukunft führt. – Anime-Highlight7.6., 20 Uhr, Cineplex

Treppenkino Open AirBei freiem Eintritt flimmert die Schaubühne immer donnerstags bis samstags kunstvolle Filme zu unterschiedlichen Themen auf der Veranda. Die Eröffnung der Treppenkino-Saison wird mit einem Wochenende zur Tänzerin und Kabarettistin Valeska Gert gefeiert.7.6., 21.30 Uhr, Schaubühne Lindenfels

Vergessen im Harz IIIEin weiterer Teil der erfolgreichen »Lost Places«-Dokumentarfilmreihe von Enno Seifried, in Anwesenheit des Regisseurs an allen drei Tagen.7./8.6., 20 Uhr, UT Connewitz


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