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Kultur

Mediziner und Geologen mit Pauken und Trompeten

Die Hobbymusiker des Universitätsorchesters spielen anspruchsvolle Stücke

  Mediziner und Geologen mit Pauken und Trompeten | Die Hobbymusiker des Universitätsorchesters spielen anspruchsvolle Stücke

Am Sonntag ist es wieder so weit: Zum Abschluss des Sommersemesters 2018 spielt das Universitätsorchester Leipzig sein Konzert im Gewandhaus. Der kreuzer traf sich mit Julian Schwarze vom Orchestervorstand und dem derzeitigen Dirigenten Frédéric Tschumi.

»Unser Publikum ist natürlich extrem jung und rechnet mit dem akademischen Viertel. Das heißt, kurz vor Konzertbeginn wird es wieder so aussehen, als hätten wir nur zwanzig Karten verkauft«, sagt Julian Schwarze, Vorstand des Universitätsorchesters Leipzig. »Innerhalb von zehn Minuten kommen dann aber Hunderte Leute, wir beginnen daher immer etwas später.« Der Student im zehnten Semester Jura freut sich schon auf das bevorstehende Konzert. »Die meisten Karten verkaufen wir in der Woche vor dem Konzert in der Mensa, wenn wir dort Kammermusik spielen.«

Das Uni-Orchester feiert im nächsten Jahr sein 15-jähriges Bestehen und ist damit noch erstaunlich jung. »Vorher gab es das Akademische Orchester, dessen Mitspieler immer älter wurden, weil die Leute da nicht rauswollten, was ja auch verständlich ist«, erklärt Schwarze den Hintergrund. »Junge Studenten fühlten sich da nicht mehr ganz aufgehoben. Irgendwann ist ein großer Schwung ausgetreten, hat ein neues Orchester gegründet und Aufnahme in der Uni gefunden. Bei uns spielen jetzt bis zu 90 Prozent Uni-Studenten aller Fachbereiche mit.«

Jeden Montagabend probt die bunte Mischung aus Medizinstudenten, angehenden Lehrern, Geologen, Juristen und anderen gemeinsam am aktuellen Programm. Unterstützung bekommen die Studierenden vom professionellen Paten, dem MDR-Sinfonieorchester, dessen Sendesaal sie zum Proben regelmäßig nutzen dürfen. Fast alle spielen ihr Instrument schon seit der Kindheit und bringen bereits Orchestererfahrung mit. Für den Einstieg ins Uni-Orchester muss dann nur noch ein kleines Probespiel absolviert werden.

An musikalische Grenzen stoßen? Nein, das sei für das Laien-Sinfonieorchester kaum ein Thema, im Gegenteil. »Von Perfektion lebt Musik nur bedingt, die Begeisterung und Offenheit sind wichtig«, meint Schwarze. Dirigent Frédéric Tschumi stimmt ein: »Eigentlich mache ich keine Kompromisse, ich bin sehr glücklich mit diesem Orchester. Die Leute sind unglaublich motiviert und brennen für ihre Sache. Die Holzbläser machen auch mal zwei Stunden eine Extraprobe, dafür bekommen sie nicht etwa einen Impuls von mir. Die Gruppen haben wirklich den Anspruch, ihre Sache gut zu machen, das sind die besten Bedingungen. Das Orchester ist für mich wie eine frische Quelle.«

Vor diesem Hintergrund werden anspruchsvolle Werke wie Schostakowitsch-Sinfonien oder aktuell die »Symphonie fantastique« von Berlioz auf das Programm gesetzt. Die Repertoirevorschläge kommen aus dem Orchester und über die letztendliche Programmauswahl wird basisdemokratisch entschieden. Auch ihren Dirigenten wählen die Studierenden selbst, normalerweise für zwei Jahre. Der gebürtige Schweizer und Wahlleipziger Tschumi ist allerdings schon in seiner zweiten Amtszeit. »Das ist keine Selbstverständlichkeit«, betont Schwarze. »Die Neugierde ist bei uns sehr groß.« Über 60 Bewerber aus ganz Deutschland hatten sich für den Job gemeldet. »Frédéric lebt in Leipzig, das ist ein großer Vorteil. Er ist auch bei unseren Kammermusikabenden da und wenn es sein muss auch mal zeitlich flexibel«, sagt Schwarze. »Es muss menschlich stimmen, denn Musik ist unser Hobby und die gute Stimmung im Orchester gehört dazu. All das passt und wir haben unser gemeinsames musikalisches Pozential noch nicht ausgeschöpft, deshalb wurde Frédéric als Dirigent wiedergewählt.«

Bevor am Sonntag das Konzert mit Berlioz, Griegs Klavierkonzert und einer Filmmusik von Schnittke startet, kann man sich im Gewandhaus-Foyer auf überraschende Weise noch beim »Tune in« auf das Konzert einstimmen


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