Auch in Leipzig wird in diesem Jahr wieder vom 13. bis zum 21. Juli in Straßen und Kneipen die Regenbogenfahne gehisst und gegen Rassismus, Sexismus, Homo-, Trans*- und Interfeindlichkeit demonstriert. Auch die Kinos mischen mit einem bunten Programm mit. So wird beispielsweise am 15. Juli im UT die Situation von jungen Schwulen in der DDR beleuchtet anhand des Films »Coming Out«, der am 9. November 1989 in Berlin Premiere feierte. Die Cinémathèque in der Nato zeigt anlässlich des CSD gleich drei Filme und setzt dabei einen besonderen Schwerpunkt auf die Situation queerer Flüchtlinge.
Von Syrien nach Schweden geht es am 20. Juli in einer Preview in der Kinobar. Geschlechterrollen und dem Spiel mit Erwartungen nimmt sich die Frauenkultur an und stellt den 17. Juli unter das Motto »A night of D.R.A.G.«. Mehr zum Filmprogramm findet ihr unten und auch im aktuellen kreuzer.»Christopher Street Day«: 13.–21.7., Cinémathèque in der Nato, Frauenkultur, Kinobar Prager Frühling, UT Connewitz
Film der Woche: Es bedarf nicht vieler Worte, um den Figuren den Boden unter den Füßen weg- und uns in die Geschichte hineinzuziehen. Eine Türklingel, zwei Soldaten, eine Frau, die in Ohnmacht fällt. Wieder ist der Sohn einer Familie an der Front gestorben. Irgendwo im Niemandsland am Rande des Gaza-Streifens. Was folgt, ist die seelenlose Routine des Militärapparats. Dann bricht die Handlung auf und schildert die absurde Situation an dem entlegenen Grenzposten, wo der Sohn stationiert ist. Schließlich kehrt der Film in die Wohnung zurück und springt erneut in der Zeit. Die Indizien dafür muss man sich selbst zusammensuchen. Doch die Aufmerksamkeit wird belohnt. Die kunstvollen Bilder halten den Blick ebenso gefesselt wie die Leistung von Lior Ashkenazi (»7 Tage in Entebbe«). Nach seinem preisgekrönten Spielfilmdebüt »Lebanon« verarbeitete Samuel Maoz erneut meisterhaft die schmerzhafte Sinnlosigkeit des Krieges. Ausführliche Kritik im aktuellen kreuzer.
»Foxtrot«: ab 12.6., Passage Kinos
Ingmar Bergman – der große Humanist unter den Filmemachern. Der, auf den sich alle einigen können. Die Zahl seiner Verehrer ist zahlreich und auch Margarethe von Trotta zählt zu ihnen. Deshalb zögerte sie nicht, als man sie fragte, ob sie ein Porträt des Meisters der Analyse menschlicher Verhaltensweisen drehen wolle. So begibt sie sich anlässlich des 100. Geburtstags der Regielegende auf Spurensuche nach Ingmar Bergman. Und diese Spuren liegen auf der Insel Fårö. Dort liegt der Strand, auf dem Max von Sydow in »Das siebente Siegel« erwachte, dort liegt Bergmanns wundervolles Haus voller Bücher und Geschichten. Die fängt die deutsche Regisseurin leider nur nebenbei ein. Sie spricht mit Wegbegleitern wie seiner Muse Liv Ullmann, verstoßenen Söhnen und unerklärlicherweise auch immer wieder mit Filmemachern, die ihre Liebe zum Werk des Großmeisters ausdrücken, sonst aber nicht allzuviel Erhellendes beizutragen haben. Zudem rückt von Trotta einige Male zu oft ihre eigene Biografie in den Mittelpunkt, was deplaziert wirkt. Was bleibt, sind viele Filmausschnitte, die Lust darauf machen, tief in das Werk eines der wichtigsten Filmemacher des zwanzigsten Jahrhunderts einzutauchen.
»Auf der Suche nach Ingmar Bergman«: ab 12.7., Passage Kinos
Auf Tahiti lernen sich Anfang der 1980er Jahre die junge Aussteigerin Tami und der erfahrene Segler Richard kennen. Die beiden sind sich schnell sympathisch und merken direkt, dass sie auf der gleichen Wellenlänge liegen. Als ein älteres befreundetes Ehepaar Richard bittet, ihr Segelboot nach San Diego zu überführen, nimmt er den gut bezahlten Auftrag zusammen mit Tami gerne an. Der ist es zwar zunächst nicht recht, schon die Heimreise nach Kalifornien anzutreten, sie willigt aus Liebe zu Richard aber dennoch ein. Doch unterwegs gerät der Einmaster in einen schweren Sturm, der das Boot schwer beschädigt und Richard über Bord spült. Nun muss Tami beweisen, was alles in ihr steckt. Baltasar Kormákur (»Everest«) beginnt seinen Film direkt mit diesem Unglück, setzt mit der Handlung ein, als Tami aus der Bewusstlosigkeit erwacht und sich im Chaos eines leck geschlagenen Bootes zurechtfinden muss. In Rückblenden erfährt der Zuschauer erst nach und nach, wie sich die beiden Protagonisten kennen- und liebengelernt haben, bis sie schließlich auf die schicksalsträchtige Fahrt aufbrechen. Shailene Woodley liefert hier eine wahre schauspielerische Tour de Force ab, und zusätzlich sieht man »Die Farbe des Horizonts« auch sehr deutlich an, dass etliche Szenen tatsächlich auf hoher See gedreht wurden, wodurch der Authentizitätgrad und die Spannung gehörig angekurbelt werden. Ausführliche Kritik von Frank Brenner im aktuellen kreuzer.
»Die Farbe des Horizonts«: ab 12.7., Passage Kinos
Ende des 18. Jahrhunderts hofft der Kolonialbeamte Don Diego de Zama auf eine Botschaft des Königs, die seine in Aussicht gestellte Versetzung endlich anordnet. Zama will dem Nichtstun, der drögen Einöde entkommen und mit seiner Familie in Buenos Aires zusammenleben. In der Zeit des Wartens ist er vor allem gehorsam – den Anweisungen der Gouverneure, aber auch seiner Lust gegenüber. Dabei ist Zama weniger sympathischer Frauenheld oder rechtschaffener Ordnungshüter als vielmehr einer, der badende indigene Frauen bespannt und ohrfeigt, wenn sie ihn zur Rede stellen. Eine missbrauchte spanische Beamtengattin bittet Zama nach einer Liebesnacht darum, ihre Ehre wiederherzustellen. Vergebens. Sein verzerrter und lange Zeit unsichtbarer Doppelgänger ist der legendäre Outlaw Vicuña Porto. Nach Jahren des sinnlosen Ausharrens schließt er sich einer Söldnertruppe an, die versucht, Porto zu finden. Lucrecia Martel legt nach fast einer Dekade wieder einen Spielfilm vor, der weniger ein Beitrag zur Dekolonisation als ein wunderbarer Hybrid aus Western, Abenteuerfilm und existenzialistischer Parabel ist. Ausführliche Kritik von Sebastian Gebeler im aktuellen kreuzer.
»Zama«: ab 12.7., Luru Kino in der Spinnerei, ab 26.7., Cineding
Weitere Filmtermine der Woche
Deckname JennyJennys Bande will nicht mehr zuschauen: Flüchtlinge an den Zäunen Europas, eingesperrt in Lagern. Doch als Jennys Vater deren militante Ambitionen zufällig herausfindet, muss er sich seiner eigenen Vergangenheit stellen. Der Deckname Jenny und dessen klare Zuordnung verschwimmt plötzlich umso mehr, je gefährlicher es für alle Beteiligten wird. - anschl. Diskussion mit dem Filmteam und der Regisseurin Samira Fansa13.7., 20 Uhr, Ost-Passage Theater
Filme mit FreundenOpen-Air-Kino im Pöge-Haus-Garten, bei schlechtem Wetter im Haus13.7., 20 Uhr, Pöge-Haus
Große GefühleBest-of des Clermont-Ferrand Short Film Festivals.13.7., 20 Uhr, Cineplex
Ich seh, ich sehAls ihre Mutter von einer Schönheitsoperation zurückkehrt, erkennen ihre zwei Söhne sie nicht wieder. Sie sind sich sicher, dass jemand anderes unter der Gesichtsmaske steckt. Heftiger Horror aus Österreich. – mit Vorfilm13., 19.7., 21.30 Uhr, 2cl – Sommerkino auf Conne Island
KolymaKolyma, die 2.000 Kilometer lange Straße im nordöstlichen Russland, die einst die russischen Gulags miteinander verband. Der Dokumentarfilm erzählt ihre Geschichte, lässt Zeitzeugen zu Wort kommen und zeigt, wie die Realität an der Route heute aussieht. Regisseur Stanislaw Mucha kommt am 13. Juli in die Cinémathèque, um seinen Film, der beim DOK Leipzig im vergangenen Jahr seine Premiere feierte, persönlich vorzustellen. – Dok-Nachlese & Preview, anschl. Gespräch mit dem Regisseur Stanislaw Mucha, Moderation: Rainer Mende, im Rahmen der 26. Tagung Junger Osteuropa-Experten13.7., 20 Uhr, Cinémathèque in der Nato
Filme im Rahmen des Christopher Street Day:The Pearl of AfricaDokumentarfilm über die LGBT-Bewegung in Uganda. – im Rahmen des Christopher Street Day15.7., 20.30 Uhr, Cinémathèque in der Nato
Coming OutDer einfühlsam erzählte Film über die Konflikte eines jungen Lehrers, der sich mit seiner verdrängten Homosexualität konfrontiert sieht, feierte in der Nacht Premiere, in der die Mauer fiel. Heiner Carow, Regisseur des DDR-Kultklassikers »Die Legende von Paul und Paula«, inszenierte die DEFA-Produktion. Im Anschluss spricht Falk Springer über die Wirkung von »Coming Out« auf junge Schwule in der DDR. – Rahmenprogramm des Christopher Street Day15.7., 18 Uhr, UT Connewitz
Call me KuchuDer Film dokumentiert den Widerstandskampf des ersten öffentlich schwulen Aktivisten Ugandas, David Kato, gegen die »Anti-Homosexuality Bill«. – Rahmenprogramm des Christopher Street Day16.7., 19 Uhr, Kaya
11 Men OutÓttar, der Stürmerstar des isländischen Fußball-Erstligisten KR, verkündet öffentlich sein Schwulsein – und stürzt damit den isländischen Fußball und seine eigene Familie ins Chaos. – Rahmenprogramm zum Christopher Street Day17.7., 18 Uhr, Jedermanns
A night of D.R.A.G.Input und Filmabend mit »Man for a day« (GB/FIN/D 2012, Dok), und »Venus Boyz« (D 2002, Dok), im Rahmen des Christopher Street Day17.7., 19 Uhr, Frauenkultur
Mr. Gay SyriaHusein und Mahmoud, zwei schwule Männer aus Syrien, suchen in der Türkei Zuflucht. Dort stellen sie aber schnell fest, dass sie erneut in einer Gesellschaft gelandet sind, die sie wegen ihrer sexuellen Orientierung ausgrenzt. Im Anschluss an den Film wird es ein Gespräch mit Sabrina Latz vom Queer Refugees Network Leipzig und einem vom Projekt betreuten Geflüchteten aus Syrien geben. – im Rahmen des Christopher Street Day18.7., 19.30 Uhr, Cinémathèque in der Nato
120 BPMParis in den Neunzigern: Eine Organisation junger Leute will mit radikalen Aktionen auf die Missstände im Kampf gegen AIDS aufmerksam machen. Ausgezeichnet mit dem Grand Prix in Cannes. – anschl. Gesprächsrunde mit Gästen, im Rahmen des Christopher Street Day19.7., 19.30 Uhr, Cinémathèque in der Nato (OmU)
SilvanaEin persönlicher Blick auf die schwedische Hiphop-Feministin Silvana Imam, die mit ihrer Musik gegen Rassismus und für die Gleichberechtigung aller eintritt. Im Rahmen des Christopher Street Day.20.7., 21 Uhr, Kinobar Prager Frühling
Hamburger GitterDer Film zieht ein Jahr nach G20 Bilanz und stellt Polizei und Justiz in den Mittelpunkt. Ein Jahr geprägt durch öffentlichen Druck, Fahndungen und Ausnahmezustand.18.7., 21 Uhr, Ost-Passage Theater
Surf Film Nachtmit »The Endless Winter – Surfing Europe« (GB 2017, Dok)Leere Strände und Wellen, die in der Surferszene zum Mythos werden sollten – die Dokumentation fokussiert sich auf die Anfänge des Surfens an den spanischen Küsten in den 70er Jahren. Selbstgebaute Bretter, wilde Wellen, wildes Leben.18.7., 21.30 Uhr, Sommerkino auf der Feinkost
Lady BirdEröffnung Sommerkino ScheibenholzDie 17-jährige »Lady Bird« auf der Suche nach ihrem Platz in der Welt. Ein kluger, charmanter und einfach unwiderstehlicher Film über das Leben in all seinen Facetten, in dem viel von Woody Allen steckt, dessen Filme Greta Gerwig verehrt. Aber mehr noch steckt von ihr selbst in diesem entwaffnend ehrlichen Regiedebüt der Ausnahmekünstlerin.19.7., 21.30 Uhr, Sommerkino im Scheibenholz