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Stadtleben

Graffitientfernung inklusive

Wer lebt im Luxus-Studentenwohnheim – und wenn ja, wie viele?

  Graffitientfernung inklusive | Wer lebt im Luxus-Studentenwohnheim – und wenn ja, wie viele?

Vor knapp einem Jahr hat das »Luxus-Studentenwohnheim« StayToo im Leipziger Süden eröffnet. Seitdem wurde es zwei Mal von Autonomen angegriffen. Erst vor wenigen Wochen warfen Vermummte zahlreiche Scheiben ein und besprühten Fassade und Fenster. Für sie scheint das Gebäude Sinnbild der Gentrifizierung zu sein. Wer dort wohne, mache den Kiez kaputt. Aber wer wohnt dort eigentlich? Der Versuch einer Kontaktaufnahme.

»Als es hier das erste Mal geknallt hat, war das echt heftig. Da stand ich mitten in der Nacht senkrecht im Bett und auch die nächsten Tage hatte ich auf der Straße ein mulmiges Gefühl. Mittlerweile seh ich das entspannter und beziehe das nicht auf mich als Person«, erzählt Erik, während sein Blick auf die faustgroßen Löcher in der Eingangstür fällt. Er studiert seit einem Jahr in Leipzig und war einer der Ersten, die zum Wintersemester 2017/18 das neu eröffnete Gebäude bezogen. Den Namen Connewitz hatte er vorher nicht gehört und auch die Verortung im »pulsierenden Szeneviertel Südvorstadt«, mit der sein Vermieter wirbt, war für ihn eher nebensächlich. »Für mich war es einfach die bequemste Lösung, um mir von Berlin aus etwas zu suchen. Ich wusste, das ist dann sicher«, begründet der 18-Jährige seine Entscheidung. In Kürze endet sein einjähriger Mietvertrag, dann wird er in eine eigene Wohnung ziehen. So sieht es laut ihm auch das Konzept des Betreibers vor: »Nach dem ersten Jahr müsste ich mehr bezahlen, wenn ich weiter hier wohnen würde.«

Regelmäßig die Wände vollgesprüht

449 Euro zahlt er monatlich für seine vormöblierten 18 Quadratmeter im Souterrain des kastenförmigen Gebäudes, eine von nur fünf Wohneinheiten der günstigsten Kategorie. Dass er ziemlich genau doppelt so viel investieren muss wie in einem der Wohnheime des Studentenwerks Leipzig oder rund 200 Euro mehr als für ein durchschnittliches WG-Zimmer, findet er angemessen: »Da ist dann halt auch alles inklusive. Also Internet, Strom, Hausmeister – und auch Grafittientfernung. Hier sind ja regelmäßig alle Wände komplett vollgesprüht.« Dabei geht sein Blick die Straße runter Richtung Süden. »Wobei es da ja noch viel schlimmer aussieht.«

Zwei Drittel stehen leer

So prangt auch aktuell gesprühte Kritik direkt neben dem Eingang und harrt ihrer Entfernung. Bis dahin kann Erik sich täglich neu überlegen, ob er sich von »Yuppies raus!« oder »Fickfressen« angesprochen fühlen soll. »Ich habe anfangs gar nicht verstanden, was das immer soll. Im Internet habe ich dann recherchiert, dass es darum geht, wir würden hier die Mieten in der Gegend rauftreiben. Den Vorwurf kann ich aber nicht nachvollziehen. Schließlich steht das Gebäude hier ja nahezu leer. In den oberen Stockwerken wohnt fast niemand.« In der Tat, reger Betrieb sieht auf den ersten Blick anders aus. Auch der Hamburger Betreiber MCP Micro Living Services GmbH bestätigt, dass aktuell weniger als ein Drittel der 111 Apartments bewohnt werde, größtenteils von Studierenden aus dem Ausland. »Könnte natürlich besser sein«, heißt es dort auf kreuzer-Anfrage. Ob es sich bei der Filiale in Leipzig um ein Minusgeschäft handelt, bleibt offen.

Die Karte endet am Rewe

Ein Blick in den Eingangsbereich des Gebäudes gibt immerhin Hinweise auf die Bewertung der eigenen Standortwahl durch den Betreiber. Auf einer großformatigen Wandkarte wird den Bewohnern Orientierung in der neuen Heimat gegeben und auf Freizeitmöglichkeiten hingewiesen. Richtung Norden erstreckt sich die Karte bis weit hinter den Hauptbahnhof (Entfernung ca. 3,8 Kilometer). Orientiert man sich in den Süden, so scheint jenseits des Rewe am Connewitzer Kreuz (Entfernung ca. 0,1 Kilometer) die Welt zu enden. Weder Werk 2 noch UT Connewitz, Conne Island oder eine der zahlreichen Kneipen ist verzeichnet. Die Karte beachtet aber laut Erik kaum jemand. Er selbst war natürlich auch schon einmal in der Wolfgang-Heinze-Straße was trinken, orientiert sich aber lieber Richtung Innenstadt: »Ich habe ja hier die Haltestelle direkt vor der Tür. Das gehört für mich auch zu der guten Lage.«


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