Ende Juli wurde erstmals berichtet, dass mehrere Geschäfte auf der Karl-Liebknecht-Straße ihre »Leuchtwerbeanlagen« entfernen müssten, da diese nicht genehmigt seien und gegen Bestimmungen des Denkmalschutzes verstießen. Doch der Denkmalschutz, den die zuständige Behörde nun anscheinend offensiver durchsetzen möchte, betrifft längst nicht nur alles, was leuchtet, und könnte in naher Zukunft das vertraute Bild der Karli nachhaltig verändern. Zurück in die Zwanziger also?
»Nicht dezent genug, vor allem die Schrift«, fasst Filialleiter Matthias Linke die Kritik an der Folienbeklebung des Optikers guggsdugud zusammen. Im Frühjahr erhielt er erstmals Post vom Amt für Bauordnung und Denkmalschutz wegen nicht genehmigter Werbeanlagen. Dass er die Genehmigungspflicht vor knapp zehn Jahren schlichtweg nicht bedacht hatte, gibt Linke unumwunden zu. Eine nachträgliche Genehmigung verhindert nun der Denkmalschutz – und die seitdem gestiegene Attraktivität der Straße.
Auch Öffnungszeiten an der Tür sind Teil des Bauantrags
»Bei einem Ortstermin war das Bauordnungsamt sehr freundlich, aber man hat schon ziemlich deutlich den Eindruck bekommen, dass sie es schöner finden würden, wenn hier jetzt alles im Stil der zwanziger Jahre gehalten wäre. Am liebsten wäre denen wohl Glasmalerei«, berichtet Linke. Dabei geht es ihm zufolge nicht nur um offensiv sichtbare Werbeflächen, sondern letztendlich um ein historisch einheitliches Gesamtbild: »Selbst die Beklebung mit unseren Öffnungszeiten an der Tür müssen wir dem neuen Look anpassen und im Bauantrag anfügen.«
Diese Schilderung möchte Kathrin Rödiger, Leiterin des Amts für Bauordnung und Denkmalschutz, mit dem Verweis auf den Datenschutz nicht vollumfänglich bestätigen, führt aber aus, dass tatsächlich ab einer Ansichtsfläche von einem Quadratmeter »auch Schaufensterbeklebungen Werbeanlagen im Sinne des Paragrafen 10 Absatz 1 der Sächsischen Bauordnung« sind und somit der Baugenehmigungspflicht unterliegen. Sowohl bei denkmalgeschützten Gebäuden wie auch bei Gebäuden in deren unmittelbarer Umgebung ist ihr zufolge zudem »das gestalterische Einfügen der Werbeanlage(n) in die denkmalgeschützte Umgebung zu berücksichtigen«.
»Die Karli hat doch eh schon genug Charme eingebüßt«
Für den Optiker geht es dabei um deutlich mehr als den bloßen Werbeaspekt oder Kosten für das neue Design. »Das Schlimmste ist eigentlich, dass wir damit unser traditionelles Logo aufgeben. Da hängt ja auch ein Stück weit Identität dran.« Auch in der Werbeagentur, die mit dem neuen Entwurf betraut wurde, herrscht Kopfschütteln angesichts der Umstände. »Für uns war das ein ziemlich absurder Auftrag: Jemandem ein neues Corporate Design entwerfen, der eigentlich gar kein neues will«, kommentiert Ines Dietrich von ro:stoff media, die auch in der Stadtteil-Initiative KARLiebe aktiv ist. »Mit der Hochglanzoptik seit der Neugestaltung hat die Karli doch eh schon genug von ihrem ursprünglichen Charme eingebüßt«, kritisiert sie die aktuellen Entwicklungen auf Leipzigs bekanntester Straße.
Behörden möchten den historischen Straßenzug als solchen »erlebbar« machen
Tatsächlich ist die umfassende Sanierung von Fahrbahn, Gehwegen und Gebäuden der letzten Jahre ein entscheidender Aspekt für die neu entdeckte Gründlichkeit der Behörden. So gehe es, laut Amtsleiterin Rödiger, darum, »dass der historische Straßenzug, dessen Gestaltung bzw. Erscheinungsbild in den letzten Jahren erheblich aufgewertet wurde und auf dem mittlerweile viele Denkmale saniert und denkmalgeschützte Freiflächen rekonstruiert wurden, auch als solcher erlebbar ist«. Eine Erklärung, die Brillenbauer Linke in ihrer Konsequenz alles andere als positiv auffasst: »Als wir hier angefangen haben, sah es um uns herum teilweise noch ziemlich wild aus. Jetzt ist das alles neu gemacht und wir passen anscheinend nicht mehr ins Bild. Das hinterlässt ein ziemlich blödes Gefühl.«
Da nun also offenkundig nicht nur große Leuchtschilder das aufgewertete Erscheinungsbild stören, ist damit zu rechnen, dass auch weitere Geschäfte sich in naher Zukunft mit der Thematik denkmalgerechter Schaufenstergestaltung auseinandersetzen müssen. Ob das Bauordnungsamt bereits in weiteren Fällen wegen Schaufensterbeschriftungen aktiv geworden ist, möchte Amtsleiterin Rödiger nicht kommentieren. Für die Zukunft ist dies jedoch keineswegs ausgeschlossen: »Sofern Geschäfte Werbeanlagen ohne erforderliche Baugenehmigung angebracht haben, besteht die Möglichkeit, dass auch diese angeschrieben werden.« Ob dort dann ebenfalls Anpassungen nötig sind, damit sie ins historische Gesamtensemble Karl-Liebknecht-Straße passen, müsse dann im Einzelfall geprüft werden.