Einen singenden Stasi-Spitzel, der selbst ausspioniert wurde, zeigt Andreas Dresen in seinem neuen Film »Gundermann«. Von einem afroamerikanischen Cop, der in den Siebzigern in geheimer Mission dem Ku-Klux-Klan beitritt, erzählt Spike Lee nach einer wahren Geschichte. Und die nervöse Anspannung einer Familie nach der Scheidung – das alles in den Filmstarts der Woche.
Film der Woche: Den »singenden Baggerfahrer aus der Lausitz« nannte man ihn. Gerhard Gundermann – umstrittener Liedermacher in der DDR, der das Talent hatte, große Gefühle in ostdeutschen Alltagsbeschreibungen auszudrücken. Und das Talent, andere zu nerven. Ein Sympath war Gundermann nicht. Das zeigt auch Andreas Dresens Film, der schon damit beginnt, dass Gundermann mit der sehr dicken Stasi-Akte eines alten Freundes konfrontiert wird. Teile dieser Akte hat Gundermann selbst geschrieben als IM Grigori. Es ist eines der großen Themen des Films: Wieso landet einer wie Gundermann bei der Stasi und wie geht er im Nachhinein damit um? Beide Fragen werden nicht restlos aufgeklärt. Doch das ist eine große Stärke dieses Biopics: Es zeigt das Ringen von Gundermann mit der eigenen Vergangenheit, die Ratlosigkeit darüber, ob und wie man sich dafür überhaupt entschuldigen kann. Und das Kämpfen mit einem Land, an das er glaubt, das ihn aber immer wieder enttäuscht – und selbst bespitzelt. Alexander Scheer spielt den Liedermacher sowohl in den Siebzigern als auch in den Neunzigern so grandios, dass es nicht nur an der Brille, der dünnen Pferdeschwanz-Frisur und an den ostigen Klamotten liegt, dass man ihm diesen komplizierten Charakter die ganze Zeit abkauft. Und natürlich geht es um Gundermanns Lieder. Scheer holt aus ihnen all die Gefühle heraus, wieso Gundermann geliebt wurde. Den Zweifel, die Freude am Schmutz, die Liebe – halt die Gefühle eines Baggerfahrers. Ausführliche Kritik von Juliane Streich im aktuellen kreuzer.
»Gundermann«: ab 23.8., Passage Kinos, CineStar
Die frühen 1970er Jahre, eine Zeit großer gesellschaftlicher Umbrüche: Der junge Polizist Ron Stallworth (John David Washington) tritt als erster Afroamerikaner seinen Posten als Kriminalbeamter im Colorado Springs Police Department an. Entschlossen, sich einen Namen zu machen, startet der unerschrockene Cop eine aberwitzige und gefährliche Mission: den Ku-Klux-Klan zu infiltrieren und bloßzustellen. Stallworth gibt vor, ein eingefleischter Extremist zu sein und nimmt telefonisch Kontakt zur lokalen Gruppe der Rassistenvereinigung auf. Es gelingt ihm tatsächlich, schnell in den inneren Kreis vorzudringen. Er imitiert die Sprache der hasserfüllten Rassisten so überzeugend, dass er sogar das Vertrauen des Klanführers David Duke (Topher Grace) gewinnt. Als die Undercover-Mission zunehmend komplexer wird, übernimmt Stallworths Kollege Flip Zimmerman (Adam Driver) Rons Rolle in den persönlichen Treffen. Dort erlangt er Insiderwissen über einen tödlichen Plan. Gemeinsam machen sich Stallworth und Zimmerman daran, die Organisation zu Fall zu bringen. Die besten Geschichten kann man nicht erfinden. Spike Lee macht aus dem wahren Fall einen höchst unterhaltsamen Blaxploitation-Movie mit klarer Botschaft: Der Rassismus der Siebziger ist heute stärker denn je.
»Blackkklansman«: ab 23.8., Kinobar Prager Frühling, Passage Kinos, Schauburg, auch OmU
Die Kollegen beschreiben ihn als ausgeglichen und ruhig, er hat ein geregeltes Einkommen und eine neue Wohnung mit Kinderzimmer sucht er sich auch: Antoine scheint ein ganz normaler Vater zu sein. Doch die fast volljährige Tochter beschuldigt ihn, sie an der Hand schwer verletzt zu haben, der 11-jährige Sohn sagt aus, dass er seinen Vater nicht sehen möchte – aus Angst. Doch während seine Schwester Joséphine sich dem Einfluss des Vaters auf eigenen Wunsch entziehen kann, darf Julien nach der Scheidung der Eltern nicht selbst wählen, wer das Sorgerecht für ihn bekommen soll. Eine Richterin übernimmt die Aufgabe und verteilt das Sorgerecht gleichmäßig auf beide Elternteile. Die Mutter, arbeitslos und vorübergehend bei ihren Eltern lebend, kann nichts dagegen unternehmen. So steigt Julien am Wochenende widerwillig in das Auto seines Vaters, während sich seine Mutter hinter der Haustür versteckt, damit ihr Ex-Mann sie nicht sieht. Antoine hingegen verzweifelt daran, dass niemand mehr mit ihm reden möchte. Joséphine geht ihm aus dem Weg, und sein Sohn verbringt auch nur noch durch richterlichen Zwang Zeit mit ihm. In ruhigen, ausgedehnten Szenen beschreibt Regisseur Xavier Legrand den Alltag der Familie nach der Scheidung der Eltern. Der Film kommt dabei ohne viele Schnitte und gänzlich ohne Hintergrundmusik aus. So überträgt sich die nervöse Anspannungaller Beteiligten auch auf den Zuschauer und lässt nur wenig Anhaltspunkte, was als Nächstes passieren könnte. Der brachiale Schluss geht leider einen Schritt zu weit – auch, wenn er hervorragend inszeniert und gespielt ist. Ausführliche Kritik von Hanne Biermann im aktuellen kreuzer.
»Nach dem Urteil«: ab 23.8., Passage Kinos
Weitere Filmtermine der Woche
Die Schlacht um ChileDreiteilige Dokumentation über die Endphase der Regierungszeit von Salvador Allende im Chile der 1970er. – GlobaLeTeil 1 »Aufstand der Bourgeoisie« am 22.8., Teil 2 »Der Putsch« am 23.8., Teil 3 »Die Macht des Volkes« am 24.8. Teil 2: 23.8., 20 Uhr, Teil 3: 24.8., 20 Uhr, Richard-Wagner-Hain
Mein Name ist Somebody – Zwei Fäuste kehren zurückAussteiger Tom fährt auf einer Harley durch Spaniens Einöden. Eine junge Frau namens Lucia, die er vor zwei Verbrechern rettet, bringt Schwung in sein Leben. Terence Hill will's noch mal wissen und inszeniert sich selbst in einem Roadmovie.23.8., 20 Uhr, Cinestar, Cineplex
Surf Film NachtDiesmal mit »Biarritz Surf Gang« (F 2017; OF) und Kurzfilm »Nausicaa« (I 2018; OF)23., 25.8., 21 Uhr, Sommerkino auf der Feinkost
Zabriskie PointMichelangelo Antonionis (»Liebe 1962«, »Blow up«) filmische Bearbeitung des 68er-Stoffes ist eigenwillig und sicher kein Popcorn-Kino. Umso mehr können sich Cinephile an meisterhaften Bildern (Kamera: Alfio Contini) und exzellentem Autorenkino ohne erklärenden Zeigefinger erfreuen, wenn sich Daria und Mark im Death Valley begegnen.23.8., 20.45 Uhr, Open-Air-Kino in der Spinnerei
Adams ÄpfelIvan ist ein guter Mensch. Ein sehr guter. Fast schon zu gut für diese Welt. Deshalb nimmt sich der Dorfpfarrer in seiner abgelegenen Kirche verlorener Seelen an: kleptomanische Triebtäter, verantwortungslose Alkoholikerinnen, schießwütige Tankstellenräuber ... Sie alle danken Ivan seinen unerschütterlichen Glauben an das Gute im Menschen auf ihre eigene Weise. Das Spiel funktioniert prächtig – bis Adam auftaucht, ein tumber Skinhead, der sich fest vorgenommen hat, dem Heiligenschein Satanshörner aufzusetzen.24.8., 20.45 Uhr, Open-Air-Kino in der Spinnerei
Der Doktor aus IndienDoku über den Werdegang der traditionellen indischen Ayurveda-Heilkunde in der westlichen Welt. – Am 24.8. ist die Heilpraktikerin und Ayurveda-Expertin Theresia Mitterer zu Gast.24.8., 20 Uhr, Passage Kinos
Hellbound – Hellraiser 2Nach den grausamen Vorfällen im Haus ihrer Eltern kommt die einzige Überlebende Kirsty in ein Sanatorium. Gelungene Fortsetzung der Hellraiser-Reihe von Clive Barker.24.8., 21 Uhr, Luru-Kino in der Spinnerei
OstPunk! / too much futureDoku im Rahmen der Ausstellungseröffnung »Punk in der DDR«.24.8., 20 Uhr, KOMM-Haus
Filmriss FilmquizDas Filmriss Filmquiz an jedem vierten Freitag im Monat im StuK. Die gewohnt unterhaltsame Rateshow rund um Filme. André Thätz und Lars Tunçay quizzen sich durch die Filmgeschichte mit allerlei Hintergrundwissen und feinen Preisen.24.8., 20.30 Uhr, Studentenkeller StuK
Sie nannten ihn SpencerOlympiaschwimmer, Wasserballeuropameister, Jurist, Erfinder, Fluglinienbetreiber, Musiker, Autor, Produzent und natürlich Schauspieler: Carlo Pedersoli, besser bekannt als Bud Spencer, in einer äußerst liebevoll inszenierten Roadmovie-Hommage durch Europa.26.8., 19.40 Uhr, Cinestar
Black Butler: Book of the AtlanticCiel Phantomhive ist auf einem Luxus-Liner auf der Spur von lebenden Toten. – Preview beim Anime-Special28.8., 20 Uhr, Cineplex, Cinestar
DonbassDistanziertes Bürgerkriegsdrama über die zugespitzte Situation im seit 2014 umkämpften Donezbecken in der Ostukraine. – Am 28.8. Vorpremiere in Anwesenheit des Regisseurs.28.8., 20 Uhr, Passage Kinos
IuventaDoku über die Berliner Hilfsinitiative »Jugend rettet«, die mit einer Crowdfunding-Kampagne 2015 einen alten Fischkutter kaufte und damit 14.000 Flüchtlingen im Mittelmeer das Leben rettete, bis das Schiff in Italien beschlagnahmt wurde.29.8., 20 Uhr, Richard-Wagner-Hain
Jahr des TigersBerlin-Thriller um einen jungen Mann, der Obsessionen für das schlafende Opfer eines seiner Einbrüche und einen mysteriösen Motorradfahrer entwickelt.29.8., 20 Uhr, Passage Kinos
The CleanersWer kontrolliert die Kontrolleure? Die Doku geht der Zensur in sozialen Netzwerken auf den Grund und fördert Erschreckendes zutage. – GlobaLe30.8., 20 Uhr, Richard-Wagner-Hain
VesselDoku über die Organisation »Women on Waves«, die mit einem Schiff auf internationalen Gewässern Frauen hilft, die ungewollt schwanger wurden, aus Ländern, in denen Abtreibungen verboten sind. – GlobaLe31.8., 20 Uhr, Offener Garten Querbeet