An ausgewählten Kreuzungen dürfen Radfahrer in Leipzig zukünftig über rote Ampeln fahren. Kritische Stimmen warnen vor Unfällen und befürchten »Anarchie auf den Straßen«. Stimmt das?
Werden Leipzigs Straßen fortan im Chaos versinken? Immerhin dürfen Radfahrer an ausgewählten Kreuzungen zukünftig auch bei rotem Ampellicht rechts abbiegen. Untersuchungen im Rahmen eines bundesweiten Pilotversuchs der Bundesanstalt für Straßenwesen sollen zeigen, ob so der Verkehrsfluss erhöht werden kann, ohne die Sicherheit zu beeinträchtigen. In einer kurzfristigen Umfrage der LVZ erklärten mehr als 3.600 Leser diese Idee für »Quatsch«, in sozialen Medien wird bereits spekuliert, wieviele Verletzte die Neuregelung zur Folge haben werde. Demnach seien »noch mehr Chaos und Unfälle« abzusehen.
Setzt sich hier wirklich die Anarchie auf den Radwegen der Stadt durch? Und muss man nun überall in der Stadt damit rechnen, von Horden ungebremster Radfahrer über den Haufen gefahren zu werden? Auch wenn die Meldung über die neuen Schilder bundesweit Schlagzeilen machte, reden wir in Leipzig von gerade einmal drei Kreuzungen, an denen die Regelung zukünftig gelten soll. An zweien dieser Kreuzungen in der Südvorstadt – Karl-Liebknecht-Straße/Shakespearestraße und Karl-Liebknecht-Straße/Riemannstraße – finden sich aktuell bereits grüne Pfeile für alle Verkehrsteilnehmer; anscheinend wurde die Verkehrslage dort in der Vergangenheit bereits als entsprechend entspannt eingeschätzt, um dies zu rechtfertigen. Am dritten Versuchsort, der Einmündung einer rund 100 Meter langen Nebenstraße, müssen Radler erst seit der Renovierung der Wurzner Straße überhaupt auf eine Ampel achten – bevor sie nach rechts auf den neu angelegten Radstreifen abbiegen können.
Was auf den ersten Blick für so manchen Skeptiker anmutet, als würden in der gesamten Stadt fortan Verkehrsregeln für Radfahrer ausgesetzt, ist genauer betrachtet das Gegenteil von Anarchie. Schließlich wird durch das neue Zusatzschild gewissermaßen Rechtssicherheit für alle Radfahrenden geschaffen, die schon vorher kein Risiko darin sahen, unter solchen Bedingungen ungeachtet von Ampelzeichen rechts abzubiegen.
Auch wenn aktuell noch keines der neuen Schilder montiert ist, könnte es also einen Hauch von Sorglosigkeit und Pariser Leichtigkeit mit sich bringen, der fortan an ganzen drei Kreuzungen der Stadt zu spüren sein wird. In der französischen Hauptstadt wurde die Regelung übrigens bereits vor knapp sieben Jahren getestet, 2015 wurden dann alle geeigneten Ampeln der Stadt mit entsprechenden Schildern ausgestattet. In einigen Fällen ist es Radlern dort auch erlaubt, trotz roter Ampel weiter geradeaus zu fahren.