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Proaktiv konspirativ

Wie Verfassungsschutz und Universitäten in Sachsen zusammenarbeiten

  Proaktiv konspirativ | Wie Verfassungsschutz und Universitäten in Sachsen zusammenarbeiten

Der sächsische Verfassungsschutz kooperiert mit Universitäten. Zuletzt hatte die Nachricht darüber, dass es auch an der Uni Leipzig einen Termin des Rektorats mit dem VS gab, für Wirbel gesorgt. Nun wurde bestätigt, dass das mitunter zu Entlassung von Uni-Mitarbeitern führt. Zwischen 2006 und 2018 sind insgesamt 20 Fälle benannt, in denen der Geheimdienst Informationen an Bildungsstätten weitergab. Nur selten werden die Fälle öffentlich gemacht.

Ob dies demokratisch sinnvoll ist, beantwortet Stange mit einem klaren »Nein«. Anders sieht es Martin Döring. Der Sprecher des sächsischen Verfassungsschutzes verweist im Gespräch mit dem kreuzer darauf, dass es der gesetzliche Auftrag der Behörde sei, gegen extremistische Bestrebungen vorzugehen. Genauso wie die Behörde Kleingartenvereine vorwarnen müsse, wenn Rechtsextremisten sich bei ihnen treffen, um Aktionen zu planen, würde man Universitäten warnen, wenn sich dort Linksextremisten treffen. Wie etwa im Falle der Kritischen Einführungswochen an der Universität Leipzig. Dort seien zwei Gruppen an den Veranstaltungen beteiligt gewesen, die unter den gesetzlichen Beobachtungsauftrag des Verfassungsschutzes fallen. »Wenn wir Informationen darüber haben, dass Extremisten, zumal gewaltaffine, versuchen, in diese öffentlichen Räume einzudringen, müssen wir natürlich handeln und unserer behördlichen Frühwarnfunktion gerecht werden«, sagt Döring. Das gelte für jede Form von Extremismus: »Würden wir zum Beispiel Kenntnis darüber erlangen, dass in Universitätsräumen nationale kritische Einführungswochen unter Beteiligung von Rechtsextremisten stattfinden sollen, würden wir die Universität ja auch darüber in Kenntnis setzen«. In dem Leipziger Fall sei der Verfassungsschutz auf die Universität zugegangen, meist sei es aber anders herum: »Oft fragen die Universitäten bei uns an. Und wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, dass wir dem Anfragenden Informationen zukommen lassen, dann machen wir das«, sagt der Behördensprecher. Die Anschuldigungen, der Verfassungsschutz würde damit in die Freiheit der Hochschulen eingreifen, hält Döring für schlichtweg absurd: »Entgegen dem verschwörungstheoretischen Geraune haben wir ja gar keine Möglichkeit, Druck auszuüben oder exekutiv zu handeln. Was die Universitäten mit unseren Informationen anfangen, bleibt ihnen überlassen«.

Das Leipziger Rektorat hätte also durchaus anders handeln können, zuerst den Dialog mit den Studierenden suchen können. Wie Hajo Funke. Als Professor am Otto-Suhr-Institut der FU Berlin hat er Bekanntschaft mit verfassungsfeindlichen Bestrebungen an den Universitäten gemacht, wie er dem kreuzer erzählt: »Meine Erfahrung war immer, dass es am besten ist, die Dinge mit den Betroffenen selber zu regeln.« Er empfiehlt den Universitäten, einen eigenen Kurs zu fahren und eigene Maßstäbe darüber zu entwickeln, was ein freier Diskurs ist, aber auch eine Grenze zu ziehen dort, wo Hass und Rechtsextremismus anfangen. Der Politikwissenschaftler hat mehrere Bücher über den Inlandsgeheimdienst geschrieben. Ein proaktives Eingreifen durch den Verfassungsschutz »passt nicht zum Klima einer freien Geistesrepublik«, sagt der emeritierte Professor. Er kritisiert: »Der Verfassungsschutz ist für die Frühaufklärung zuständig, er soll nicht exekutiv eingreifen. Es fehlt eine funktionierende Kontrolle. Die Instanzen, die wir zur Kontrolle haben, sind das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben sind«.

Parlamentarier fordern derweil in vier kleinen Anfragen Auskunft über die Art des Austausches zwischen Verfassungsschutz und den sächsischen Hochschulen. René Jalaß, Hochschulpolitischer Sprecher der Linken in Sachsen, hat die Anfrage eingereicht. Er hofft zu erfahren, inwieweit das »Landesamt für Verfassungsschutz Menschen und Gruppen an den sächsischen Hochschulen beobachtet, welchen Austausch es mit den Hochschulleitungen darüber gibt und in welchem Umfang das passiert«, sagt er gegenüber dem kreuzer.

Während der Vorfall also inzwischen auch die sächsische Staatsregierung beschäftigt, beginnt die finale Phase der Planungen für die nächste Kritische Einführungswoche. Die Studierenden wollen sich ab April kritisch mit der Gesellschaft und ihren Bildungsinstitutionen auseinandersetzen, wie Frank Aurich erzählt. Ein besonderer Fokus soll dabei auf den Landtagswahlen in Sachsen liegen, bei denen ein weiterer Stimmzuwachs der AfD droht.


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