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Kultur

Das Bauhaus in Grün-Weiß

Das Grassimuseum eröffnet die Ausstellung »Bauhaus Sachsen«

  Das Bauhaus in Grün-Weiß | Das Grassimuseum eröffnet die Ausstellung »Bauhaus Sachsen«

Das Grassimuseum für Angewandte Kunst zeigt die Verbindung vom Freistaat und der Ausbildungsstätte des Staatlichen Bauhaus. Was eng begann, versandete nach 1933 und wurde spärlich nach 2000 belebt.

Anfang Januar 1933 eröffnete im Museum der bildenden Künste die Ausstellung »Wandglasbilder« von Josef Albers. Er hatte am Bauhaus studiert und lehrte dort seit 1925. Im Bildermuseum waren seine Experimente aus Glasstreifen, Papier und Zelluloid zu sehen. Die bürgerlich-konservative Presse urteilte: »Im Übrigen schmeckt es sehr nach extravaganter Spielerei mit inkommensurablen Dingen«, wie der Kunstkritiker Egbert Delpy in den Leipziger Neuesten Nachrichten beschrieb. Max Schwimmer, Kritiker der sozialdemokratischen LVZ, wirkte auch eher bestürzt und nahm »einen nicht geringen Schock für sein Auge« wahr. Es schien ihm als wäre er »plötzlich in den Maschinenraum geraten«. Beiden Herren kann eine gewisse Offenheit gegenüber künstlerischen Experimenten nicht unterstellt werden. Und trotzdem lagen das Bauhaus und die Messestadt nicht so weit auseinander.

Als das Staatliche Bauhaus 1919 in Weimar seinen Lehrbetrieb startete, zählte Max Klinger zu den Ehrenmitgliedern. In den zwanziger Jahren stellten einige Bauhäusler bereits in Leipzig aus. 1932 gab es gar kurzen Kontakt zwischen Dessau und Leipzig, ob die Messestadt nicht möglicherweise als neuer Standort in Frage käme. Daraus wurde bekanntermaßen nichts.

»Bauhaus Sachsen« verbindet die Ausbildungsstätte, den Freistaat und Leipzig

In der Ausstellung »Bauhaus Sachsen«, die am Mittwochabend im Grassimuseum für Angewandte Kunst eröffnet und bis Ende September zu sehen ist, zeigt sich die Vielzahl an Verbindungen zwischen der Ausbildungsstätte, dem Freistaat und auch Leipzig. Da sind die Leute, die sich das Bauhaus als Ausbildungsstätte ausgewählt hatten, oder nach dem Bauhaus in Leipzig aktiv waren. Da sind Firmen – wie Körting & Mathiesen in Leutzsch – die im Bauhaus entwickelte Formen industriell herstellten. Und da sind Institutionen wie das Grassimuseum, das zur Grassimesse einlud oder zur Präsentation der Bauhaus-»Volkswohnung«, die eine klare Formsprache im Rahmen des Existenzminimums präsentierte.

Die Ausstellung zeigt die vielen Ansätze, Verbindungen und sehr viele schöne Objekte. Es zeigt Design-Klassiker, die sich in der Sammlung befinden, aber auch beispielsweise einen Brief aus dem Jahr 1925 vom Dessauer Bauhaus an den Leipziger Typografen Jan Tschichold. Er hatte zuvor eine Bestellung für den Schreibtisch aus dem Weimarer Haus Am Horn abgeschickt. Auf Lager war der Kirschholz-Tisch nicht, aber innerhalb von vier Wochen für 400 Mark selbst abzuholen.

Sanft-brutale, moderne Ordnung

Am Anfang der Ausstellung steht eine überdimensionale Holzfigur. Sie wirkt wie ein Mischwesen aus Mensch, Tier und Maschine und bildet eine weitere Ebene der Ausstellung – die Übersetzung von Bauhaus-Ideen und -Wirkungen in der zeitgenössischen Kunst. Entworfen vom Leipziger Künstler Thomas Moecker ist sie seine Übersetzung eines Bühnenobjekts von Erich Mende (geboren 1905 in Leipzig, studierte von 1927 bis 1931 am Bauhaus). Ein kleines schwarz-weißes Foto zeigt die Figur bei der Aufführung des in Leipzig angesiedelten sozialdemokratischen Arbeiter-Bildungs-Instituts »Kreuzzug der Maschine«. Moecker interpretierte sie und schuf aus schwarz und weiß nun ein buntes Objekt. Alexej Meschtschanow beispielsweise präsentiert in seiner Installation »Bopparder Kanapee« Sitzmöbel unterschiedlicher Zeit- und Geschmacksepochen. Die Gemeinschaft steckt in einer überdimensionalen Halterung und das Einzelne wurde zudem mit einer metallenen Klammerung fixiert. So sanft-brutal wirken moderne Ordnungen.

Neben Möbeln, Textilien, Porzellan, Keramik und Glas sind in der Schau eine Vielzahl an Fotografien ebenso wie Bücher und Zeitschriften zu entdecken. Am Beispiel einer Reihe von Titelbildern des im Leipziger / Berliner Verlags Otto Beyer erschienen Lifestyle-Magazin Neue Linie, die unter anderem Herbert Bayer entwarf, bildet sich die Zeitgeschichte und deren Auswirkungen auf gesellschaftliche Bilder deutlich ab. Waren Ende der zwanziger Jahre sehr selbstbewusste, sportliche Frauen auf den Titeln zu sehen, wandelten sich die Frauen erst zu Mütterchen und dann zunehmend zu schmachtenden Antlitzen ohne Körper, Masken voller Ebenmaß und Projektionsflächen par exellence.

Bauhaus: kapitalistische Warenproduktion und amerikanischer Kosmopolitismus

Fast 600 Seiten umfasst der Katalog und liefert eine Karte von 22 sächsischen Bauhausorten – von Bischofswerda bis Zwickau – mit vielen Erklärungen zu Geburtsorten, Firmen und Ausstellungen im Freistaat. Leipzig nimmt darin viel Platz ein. Es werden zuerst Akteure und die Zeitachse von 1919 bis zur Gegenwart gelistet. Besonders auffällig dabei ist die Zeit nach 1945. Museen hielten sich an den nach dem Krieg offiziell verkündeten Formalismusvorwurf. Bauhaus stand für kapitalistische Warenproduktion oder wie es 1951 im Neuen Deutschland nachzulesen war: Der Bauhausstil sei ein waschechtes Kind des amerikanischen Kosmopolitismus und dessen Überwindung stelle die unerlässliche Voraussetzung für die Entwicklung einer neuen nationalen deutschen Baukunst dar.

Die Entdeckung des Bauhauses fand ab Mitte der siebziger Jahre statt. Die Galerie am Sachsenplatz stellte 1976 erstmals Bauhauskünstler aus – darunter Marianne Brandt, Franz Ehrlich oder Hajo Rose. Sowohl das Grassimuseum als auch das Museum der Bildenden Künste erwarben jeweils Arbeiten für ihren Bestand. Der Galerist Schulz initiiert damals öffentliche Gesprächsveranstaltungen mit Zeitzeugen, um die Erinnerungen einem breiteren Publikum vorzustellen.

Erst 2002/2003 ist die Ausstellung zu den Kandemleuchten aus Leutzsch im Grassimuseum zu sehen. Zehn Jahre später wird der sogenannte Bauhausblock in der Dauerausstellung eröffnet. 2015 gab es eine Paul Klee-Ausstellung im Museum der bildenden Künste zu sehen – aber das ist dann doch schon etwas weit hergeholt.

Dass das Bauhaus mehr ist als Freischwinger und Wagenfeld-Lampe und der 100. Geburtstag vielerorts auf die immer noch blinden Flecke der Lehranstalt verweist, ist das Schöne an dem Jubeljahr.


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