… und was sonst so Filmisches in der Stadt passiert.
»Lasst uns reden!« – Über Film reden und über das Medium Film ins Gespräch kommen kann und sollte man wieder vom 7. bis 12. Mai beim Neiße Filmfestival im Dreiländereck Deutschland, Tschechien, Polen. Über die Grenzen hinaus diskutieren über Themen, die uns alle betreffen. Gesprächsstoff liefert etwa der polnische Wettbewerbsbeitrag »Wilkolak« (»Werwolf«), eine abgründige Geschichte um acht jüdische Kinder, die im Wald Zuflucht vor den Nazis suchen. Identität und Anpassung sind Gesprächsthemen in der polnisch-tschechischen Koproduktion »Fuga« (»Flucht«), in dem eine Frau nach dem Gedächtnisverlust mit ihrer Vergangenheit konfrontiert wird. Auch »Das melancholische Mädchen« aus Leipzig und »Orangentage« sind zu Gast an der Neiße. Es gibt Dokumentar- und Kurzfilme aus der Grenzregion und das Festival setzt sich im Themenschwerpunkt mit dem »Homos Politicus« auseinander. Viele Gelegenheiten zum Gespräch am grünen Rand von Sachsen.
»16. Neiße Filmfestival«: 7.–12.5., Görlitz, Zitta, Großhennersdorf uvm.www.neissefilmfestival.de
Film der Woche: »Das ist nicht mein Kind!« Schleichend kommt der frisch getrennten Sarah die verstörende Erkenntnis. Der kleine Chris sieht aus wie immer. Aber etwas ist anders, seitdem er, vermutet die junge Mutter, alleine in den dunklen Wäldern herumspaziert ist, die das neue Haus umgeben. Die Veränderungen sind subtil: Ein kalt musternder Blick hier, ein böses Wort da, das Schmatzen und Schlürfen am Tisch – nichts, das man nicht mit dem kürzlichen Verlust des Vaters erklären könnte. Oder? Hin- und hergerissen zwischen zunehmendem Befremden und verzweifelten Versuchen, das Unbehagen zu verdrängen und dem Kleinen eine gute Mutter zu sein, schlittert Sarah in den Alptraum. Und dann ist da noch das riesige Erdloch im Wald … Aus der psychologisch perfiden Grundsituation generiert Lee Cronin in seinem Regiedebüt ein nervenzehrendes Spannungslevel, das sich in den unheimlichen Nadelwäldern des irischen Hinterlands prächtig entfaltet. Ausführliche Kritik von Karin Jirsak im aktuellen kreuzer.
»The Hole In The Ground«: Regina Palast, CineStar, Cineplex
Eine herzzerreißende und fleischzerfetzende Szene eröffnet den irren Ritt, auf den uns Regisseur Shin'ichirô Ueda mit »One Cut of the Dead« einlädt. Ein Untoter bedroht ein kreischendes Schulmädchen und schlurft in Zeitlupe auf sie zu. Als er zubeißt, ruft jemand »Cut«, und wir stellen fest, dass wir uns am Filmset eines Trash-Horror-Streifens befinden. Director Higurashi (Takayuki Hamatsu) hat für den Dreh seines Zombiefilms eine stillgelegte japanische Fabrik aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden. Nur dumm, dass dort Experimente zur Reanimierung von Leichen durchgeführt wurden und die Toten wirklich zum Leben erwachen. Aus dem Film im Film machen Ueda und sein enthusiastisches Team einen irren Horrortrip – gedreht in einem irrwitzigen 37-minütigen Take. »Kamera wo tomeru na!« (»Hört ja nicht auf zu drehen!«): Das Motto des Originaltitels zieht »One Cut of the Dead« konsequent durch. Dabei ist es schier unglaublich, wie viele Ideen in der Low Budget-Produktion stecken, die tatsächlich das Abschlusswerk eines achttägigen Filmworkshops ist. Das minimale Budget kompensieren alle Beteiligten mit Hingabe und Einfallsreichtum und sehr sehr viel Kunstblut. Heraus kam einer der überraschendsten Genrefilme der letzten Jahre. Wenn in der zweiten Hälfte das inszenierte Making Of des Films im Film beginnt und schließlich zum Abspann das echte Making Of des Making Ofs ist der Knoten im Hirn komplett und der Spaß auf Anschlag. »One Cut of the Dead« ist ebenso Horrorkomödie mit zahlreichen Anspielungen auf die Klassiker des Genres, wie ein Film über das Filmemachen, eine wahre Motivationsspritze für Nachwuchsregisseur – und noch dazu ein Kinohit im Heimatland: In Japan spielte der gerade mal 3 Millionen Yen (etwa 26.000 Euro) »teure« Film mehr als das 250-fache seiner Produktionskosten ein. Ausführliche Kritik im aktuellen kreuzer.
»One Cut of the Dead«: ab 2.5. Luru Kino in der Spinnerei, ab 16.5., Cineding
Als Clara Darling (Catherine Deneuve) eines frühen Morgens erwacht, weiß sie, dass dies ihr letzter Tag sein wird. Von einem inneren Drang angetrieben, beschließt sie, ihr feudales Anwesen zu räumen. All die lieb gewonnenen Sammlerstücke landen auf dem Rasen vor dem Haus. Der Flohmarkt zieht die Menschen an, zumal die alte Frau offensichtlich verwirrt zu sein scheint und alles zum Spottpreis abstößt. Nur die Antiquitätenhändlerin Martine (Laure Calamy) macht sich Sorgen und alarmiert Claires Tochter Marie (Chiara Mastroianni). Doch die beiden gingen einst im Streit auseinander und vieles blieb jahrelang unausgesprochen. In Julie Bertuccellis (»The Tree«) Adaption von Lynda Rutledges Roman verschwimmen die Zeitebenen in der Erinnerung ihrer Figuren. Das passiert fast unmerklich und gibt dem Film einen Fluss, der den Zuschauer mitreißt. Hinzu kommt eine überbordende Ausstattung, die man durch das Auge der Kamera von Irina Lubtchansky nur zu gern entdecken will.
»Der Flohmarkt von Madame Claire«: ab 2.5., Passage Kinos, Schauburg
Die Parallelen fallen gleich ins Auge: Der deutsche Verleihtitel und das Poster von »Im Netz der Versuchung« deuten auf einen Erotik-Thriller im Stile von »Eine verhängnisvolle Affäre« hin. Auch der Plot legt zunächst diese Fährte: Der abgehalfterte Fischer Baker Dill (Matthew McConaughey) jagt seit er aus dem Irak-Krieg zurückkehrte vergeblich seinem Dämon in Form eines riesigen Thunfischs hinterher. Um ihn zu fangen, stößt er auch die zahlende Kundschaft vor den Kopf. Zurück auf der Insel ertränkt er seinen Frust in Rum, bis seine Exfrau Karen (Anne Hathaway) auftaucht und ihm ein unmoralisches Angebot macht: Baker soll ihren Mann um die Ecke bringen, um ihren gemeinsam Sohn zu retten. Regisseur Steven Knight (»No Turning Back«) wechselt im zweiten Akt abrupt den Kurs und baut ein selbstreferenzielles Storykonstrukt, das kaum überzeugt. Seine Figuren sind überzeichnet, die Handlung ist lächerlich, der Versuch von Genrekonventionen abzuweichen geht nicht auf.
»Im Netz der Versuchung«: ab 2.5., UCI Nova Eventis
Der charmante, humorvolle und absolut entscheidungsunfähige Lenz aus Berlin-Kreuzberg verliebt sich in die eigensinnige und lebenslustige Ira, mit der er einen unbeschwerten Sommer verbringt. Doch dann prallen ihre unterschiedlichen Ansichten einer gemeinsamen Zukunft aufeinander. Am Samstag 04.05., um 19:30 Uhr in Anwesenheit der Regisseure Emma Rosa Simon und Robert Bohrer.
»Liebesfilm«: ab 2.5., Passage Kinos
Weitere Filmtermine der Woche
La Nuit américaine - Die amerikanische NachtIn den Studios von Nizza wird ein Film gedreht. Die kleinen und großen Begebenheiten am Rande der Produktion bilden den Hintergrund für die persönliche, heiter-wehmütige Liebeserklärung des Regisseurs an das Kino. – Filme mit Freunden3.5., 20 Uhr, Pöge-Haus (OmU)
Richard WagnerFilmbiografie aus dem Jahr 1913 von Carl Froelich, anlässlich des damals 100. Geburtstags des Komponisten Richard Wagner. – mit Klavierbegleitung von Olav Kröger anlässlich der Richard-Wagner-Festtage 20193.5., 20.30 Uhr, Passage Kinos
AlbatrossDokumentarfilm über die Vögel von Midway Island, deren Bäuche gefüllt sind mit Plastik. Mit Ein- und Ausführung von Luca Kunz (Surfrider Foundation).4.5., 21 Uhr, Kinobar Prager Frühling
Bauhausfilme (1921-1923)Bauhausfilme von László Moholy-Nagy, Richard Paulick, Hans Richter, Ella Bergmann-Michel und Larry Janiak.5.5., 18 Uhr, Grassi-Museum für Angewandte Kunst
Im Land dazwischenDokumentarfilm über die drei Flüchtlinge Blade Cyrille aus Kamerun, Sekou aus Mali und Babu aus Indien, die alle nach Europa wollen. – anschließend Gespräch mit der Regisseurin Melanie Gärtner5.5., 16 Uhr, Budde-Haus
SandmädchenVeronika ist 23, lebt in der Nähe von Augsburg und ist körperlich schwer behindert. Sie kann nicht sprechen, nicht laufen und leidet am Asperger Syndrom, einer Form von Autismus. Aber Veronika schreibt. Ein poetischer Dokumentarfilm. Am 5.5. mit anschl. Filmgespräch mit Regisseur Mark Michel – anlässlich der Aktionswoche zum Europäischen Protesttag für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung5.5., 17 Uhr, Kinobar Prager Frühling, 9.5., 20 Uhr, Cineding
In meinem Kopf ein UniversumEin Mann, der in seinem eigenen Körper gefangen ist: Das polnische Drama erzählt die bewegende Geschichte von Mateus, den die Menschen draußen als Gemüse bezeichnen. Verzweifelt sucht er nach einem Weg in die Außenwelt. Ein mitreißender Triumph für das Recht zu leben. Insbesondere die Leistung des gesunden Hauptdarstellers ist überwältigend und wurde auf zahlreichen Festivals ausgezeichnet. – mit Filmeinführung von Marika Günther – anlässlich der Aktionswoche zum Europäischen Protesttag für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung6.5., 17 Uhr, Kinobar Prager Frühling
Once Again - Eine Liebe in MumbaiSensibel erzählte, stark gespielte Liebesgeschichte in Mumbai zwischen einem Filmstar und einer Köchin. Premiere am 6.5. in Anwesenheit des Leipziger Regisseurs Kanwal Seth und Produzent Holm Taddiken. Ausführliches zum Film und seiner Entstehungsgeschichte im Aprilkreuzer.6.5., 20 Uhr, Passage Kinos
Vom Bauen der Zukunft - 100 Jahre BauhausDie Geschichte der Kunst- und Architekturschule Bauhaus und die Einflüsse der Schule auf die heutige Architektur und Raumplanung. – in der Reihe »100 Jahre Bauhaus«6.5., 19 Uhr, Zeitgeschichtliches Forum
Das Ende der WahrheitSpannender Thriller um Korruption und Rüstungsexporte. Am 7.5. in Anwesenheit von Regisseur Phliipp Leinemann und Hauptdarsteller Ronald Zehrfeld.7.5., 20 Uhr, Passage Kinos (ab 9.5.)
Glücklich wie LazzaroDie außergewöhnliche, magische Geschichte des gutherzigen Lazzaro, der in einer Bauernkolonie in einem entlegenen Dorf lebt, das von der despotischen Marchesa und ihrem Sohn kontrolliert wird. – im Rahmen der Veranstaltungsreihe »Donna e Cinema« des Instituts für Romanistik, CiCi/CGR, Universität Leipzig, mit Filmeinführung auf Deutsch und Englisch7.5., 20 Uhr, Schaubühne Lindenfels
Abortion democracy: Poland/South AfricaDer Dokumentarfilm beobachtet Entwicklungen im Abtreibungsgesetz in Südafrika und Polen.8.5., 21 Uhr, Ost-Passage Theater
Deutscher Filmpreistag 2019Wird es »Gundermann« oder der Publikumsliebling »Der Junge muss an die frische Luft«? Der oscarnominierte »Of Fathers And Sons« oder der umstrittene »Elternschule«? »Rocca« oder »Jim Knopf«? Den besten Kinderfilm gibt es heute um 16 Uhr in den Passage Kinos zu sehen. Um 18 Uhr gibt es den besten Spielfilm und den Dokumentarfilmgewinner um 20.30 Uhr.8.5., 16, 18, 20.30 Uhr, Passage Kinos
In den Tiefen des InfernosFür seine Doku wagte sich Regisseur Werner Herzog mit der Unterstützung des bekannten Vulkanologen Clive Oppenheimer ganz nah an die Hitze der Lava, um die heißen Giganten nicht nur wissenschaftlich zu untersuchen, sondern auch ihrem Mythos auf die Spur zu kommen. Ihre Reise führt sie dabei rund um den Globus mit Stopps in Nordkorea, Indonesien, Italien und Hawaii. – Bibo goes Doku8.5., 18 Uhr, Bibliothek Südvorstadt
Inglourious BasterdsEine Spezialeinheit von amerikanischen Juden räumt im naziinfizierten Frankreich auf. Glänzend besetztes Remake mit typischem Tarantino-Touch. – anlässlich der Kapitulation der Wehrmacht und des Endes des Zweiten Weltkrieges in Europa am 8. Mai 19448.5., 20 Uhr, Kinobar Prager Frühling (OmU)
Stiller KameradTraumatisierte Soldaten der Deutschen Bundeswehr werden in einer Pferdetherapie behandelt. – In Anwesenheit des Regisseurs Leonhard Hollmann8.5., 19.30 Uhr, Cineplex