Geprellte Käufer, genervte Nachbarn und ein schwer auffindbarer Bauherr samt dubiosem Firmengeflecht: Die Geschichte einer Bauruine im Waldstraßenviertel.
Das Angebot klingt verlockend: »Urbanes Leben – mitten in Leipzig«. Mit diesem Motto wirbt ein Projektentwickler unter www.frege23.de für ein luxuriös anmutendes Bauprojekt im Waldstraßenviertel. Angesichts der attraktiven Lage und des nach wie vor renditeträchtigen Leipziger Immobilienmarkts wirkt es wie eine erfolgversprechende und vor allem sichere Investition. »Erfolgreich platziert und im Bau«, heißt es auf der Seite zum entsprechenden Objekt. Dreizehn der sechzehn Wohnungen sollen bereits verkauft sein. Ausführlich werden die Vorzüge des Bauwerkes aufgelistet: familiengerecht, hochwertige Ausstattung, großzügige Grundrisse. Allein der letzte Punkt lässt einen stutzen: »Fertigstellung Herbst/Winter 2014«. Denn knapp fünf Jahre nach dem genannten Termin ist nicht viel passiert, zumindest was den Baufortschritt angeht.
Das Bauprojekt in der Fregestraße 23 erzählt vor allem eine Geschichte des Scheiterns und der Frustration – und wirft zahlreiche Fragen auf. »Es ist wirtschaftlich unverständlich, dass ein Projekt dieser Art im Waldstraßenviertel in 2016 mit einer Bauruine endet«, führt Anwalt Andreas Meschkat aus, der auf Wirtschaftsrecht und Insolvenzrecht spezialisiert ist. Er berichtet dem kreuzer von Wohnungskäufern, die sechsstellige Summen angezahlt haben sollen. Doch ihre neuen Wohnungen werden sie wohl noch längere Zeit nicht beziehen können. Fotos auf der Werbeseite dokumentieren den Baufortschritt. Herbst 2013 ist der erste Bagger vor Ort. Im April 2014 wird die Tiefgarage fertiggestellt. Anderthalb Jahre später ist das Erdgeschoss noch im Bau. Aktuellere Bilder gibt es dort nicht. Fährt man heute in die Fregestraße, bietet sich dort ein trauriges Bild. Schon auf den ersten Blick ist klar: Gebaut wurde an diesem Rohbau seit Jahren nicht mehr. Auf dem Hinterhof verrosten zurückgelassene Materialien. Weil Teile der Balkone sich bereits bedrohlich neigen, ist die Straße vor dem Gebäude weiträumig abgesperrt.
Nachbar Christian Horn ist genervt. Wegen des gesperrten Gehwegs und der Gefahr durch die Bauruine hat er sich bereits mehrfach an die Stadt gewandt – bisher ohne Erfolg. Der Sachverhalt sei den Behörden bekannt, teilt man ihm 2017 mit. Man habe den Bauherrn deshalb zu einem ämterübergreifenden Gespräch geladen. Weil der Antwort-Mail an ihn wohl versehentlich auch die interne Kommunikation der Ämter anhängt, ist klar: Christian Horn ist keineswegs der Erste, der sich bei der Stadt gemeldet hat, intern wird auch zukünftig mit weiteren Beschwerden gerechnet.
Wer steckt hinter dem Bauprojekt?
Bauträger ist die Cityfond Leipzig 1 Projekt GmbH und Co. KG, die wiederum durch die Syninvest GmbH vertreten wird. Geschäftsführer ist jeweils der Frankfurter Björn Kukula, auch die Firmenanschrift ist in beiden Fällen identisch. Begibt man sich auf die Suche, stößt man auf mehrere Gesellschaften mit nahezu identischen Namen wie Syninvest, SI Holdings oder SI 1. Ein Netzwerk aus mindestens sechs verschiedenen Firmen. Alle eint die Beschreibung ihres Geschäftsmodells: »Investitionen in Projektentwicklungen«. In allen Fällen ist Kukula alleiniger Geschäftsführer und auch die Frankfurter Firmenadresse ist jedes Mal dieselbe.
Viel über die verschiedenen Projekte der Firmen findet sich jedoch nicht. 2017, als in der Fregestraße die Bauarbeiten bereits eingestellt waren, übernahm die Syninvest eine Ofenkachelfabrik im Leipziger Umland. »Investor aus Frankfurt sprang ein«, schrieb die Leipziger Volkszeitung und sprach von Hoffnungen auf einen Neustart. Im März 2018 meldete der Betrieb mit rund 50 Mitarbeitern erneut Insolvenz an. Noch im Mai 2013 warb die Syninvest im Leipziger Amtsblatt für das damals bereits verzögerte Projekt im Waldstraßenviertel. Rückblickend und angesichts der Verluste für die privaten Investoren wirken Sätze wie »Kurz vor Baubeginn haben sich bereits erste Käufer für einen nachhaltigen Umgang mit ihren zeitlichen und finanziellen Ressourcen entschieden« regelrecht zynisch. 2014 warnte ein Finanzexperte auf einer Bewertungsseite vor Investitionen in die Projekte von Kukula, verwies auf die Bilanzen der Syninvest und sprach von »Totalverlustrisiko«. Bei den Menschen, die für eine Wohnung in der Fregestraße anzahlten, ist diese Warnung offenbar nicht angekommen.
»Offensichtlich überschuldet«
Rechtsanwalt Andreas Meschkat vertritt die Eigentümergemeinschaft des Nachbarhauses. Denn nicht nur der versperrte Gehweg stört die Nachbarn. Durch die Bauarbeiten wurde das angrenzende Haus in Mitleidenschaft gezogen, 2017 kam es dort zu einem Wasserschaden. Mittlerweile hat sich das gesamte Nachbargebäude leicht gesenkt, in der Fassade sind Risse entstanden. Eine Schadensregulierung durch den Bauherrn gab es bis heute nicht.
Im Dezember 2017 stellte Meschkat Strafanzeige gegen den Geschäftsführer der Syninvest wegen des Verdachts der Insolvenzverschleppung und des Verdachts des Bankrotts. Die Bauruine bezeichnet er in dem Schreiben als »Schandfleck in einer der besten Wohnlagen in Leipzig«. Bereits vier Wochen später stellte die Frankfurter Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. »Es besteht kein begründeter Tatverdacht mehr«, heißt es in dem Einstellungsbescheid. Meschkat nennt dies ein »fachliches Armutszeugnis«, weil »fehlende Bilanzierung überhaupt nicht bearbeitet wurde«. Tatsächlich haben seit mehreren Jahren weder Syninvest noch Cityfond Leipzig einen Geschäftsbericht veröffentlicht, obwohl sie gesetzlich dazu verpflichtet sind. Die aktuellsten Zahlen sind mittlerweile fünf Jahre alt und beziehen sich auf das Geschäftsjahr 2012. Daraus ergibt sich, dass die Cityfond Leipzig am 31. Dezember 2012, also kurz vor Baubeginn, über keinerlei Eigenkapital verfügte, aber Verbindlichkeiten von über 500.000 Euro hatte. »Die Gesellschaft ist offensichtlich überschuldet und insolvent«, folgert Meschkat.
Im Frühjahr 2014, als das gesamte Projekt in der Fregestraße bereits massiv in Verzug geraten war, wird die Objektgesellschaft Dresden Nürnberger Platz GmbH & Co. KG gegründet. Ihr Ziel: »Erwerb und Entwicklung des Grundstücks Dresden, Nürnberger Straße 40«, alleiniger Geschäftsführer Björn Kukula, Sitz der Firma ist auch in diesem Fall die bekannte Frankfurter Adresse.
»Keinerlei Reaktion«
In seinem Schreiben an die Staatsanwaltschaft moniert Anwalt Meschkat, der Bauherr zeige »keinerlei Reaktion«. Auch Mails des kreuzer an Björn Kukula bleiben unbeantwortet. Die angegebene Rufnummer auf der Website der Syninvest führt ins Leere: »Nicht vergeben«. Unter einem noch immer abrufbaren Inserat für Wohnungen in der Fregestraße findet sich eine andere Kontaktnummer für potenzielle Investoren. Der Anruf wird mehrmals automatisch weitergeleitet, bis sich eine Frauenstimme meldet: »Syninvest, Guten Tag«. Auskunft zu den Geschäften kann die Dame nicht geben, auch bei potenziellem Kaufinteresse an den inserierten Wohnungen. Unter welcher Rufnummer man sie in diesem Moment erreicht hat, könne sie ebenfalls nicht sagen. Sie leite alles »an die Zentrale« weiter, eine Rückmeldung gibt es nicht. Unter der offiziellen Geschäftsadresse von Syninvest bietet ein bundesweiter Immobiliendienstleister flexible Bürolösungen für alle, die Wert »auf Ruhe und Diskretion« legen. Inklusive Empfangsservice: Anrufer landen an der Rezeption, die sich mit jeweils passendem Firmennamen meldet.
Auch geschädigte Käufer erreicht der kreuzer trotz Vermittlungsversuchen nicht. Keine Antwort. »Offenbar sind die Käufer der Wohnungen, die bisher jeweils sechsstellig in Vorlage getreten sind, uneins über die weitere Vorgehensweise«, erklärt Anwalt Meschkat, der zumindest zeitweise mit den Käufern in Kontakt stand, wie er sagt. Sollte ein Insolvenzverfahren gegen Kukula und die Syninvest eröffnet werden, drohe ihnen ein Totalverlust. »Man ist wohl bemüht, einen neuen Projektentwickler zu finden. Gleichzeitig wird es schwierig, den bisherigen loszuwerden«, schließt Meschkat.
Deutlich positiver fällt hingegen die Prognose der Stadt Leipzig aus. Im Februar teilte das Bauamt schriftlich mit, man habe den Bauherrn nunmehr aufgefordert, die einsturzgefährdeten Balkonbrüstungen an der Straßenseite zurückzubauen, damit zumindest der Fußweg der Fregestraße in absehbarer Zeit wieder genutzt werden kann. »Bis das Bauvorhaben wieder aufgenommen wird«, schließt das Schreiben hoffnungsfroh.
Dieser Text erschien zuerst im kreuzer 05/19.