Der Vorstand der Leipziger Jahresausstellung (LIA) sagt die diesjährige Ausstellung nach Protesten zur Künstlerauswahl ab. Er vergibt damit eine große Chance. Die Schau hätte zum Lehrstück werden können, wie in der heutigen Zeit mit Rechten und deren Netzwerk im Kunst- und Kulturfeld umzugehen ist.
Am Donnerstag sollte die 26. Ausgabe der Leipziger Jahresausstellung mit dem Titel »!« in der Werkschauhalle auf dem Spinnerei-Gelände eröffnet werden. Die Vereinsmitglieder stellen die auszustellenden Kunstschaffenden vor und eine Jury sucht daraus die für sie interessanten Positionen aus. Mitte April veröffentlichte der Verein die Liste der fast 40 Künstler ganz unterschiedlicher Generationen: von Christl Maria Göthner, Otto Berndt Steffen, Hartmut Piniek oder Johannes Rochhausen, Moritz Frei, Maria Schumacher, Björn Siebert. Ein Name irritierte allerdings: Axel Krause.
Warum?
Bis August 2018 wurde Axel Krause von der Galerie Kleindienst vertreten. Krauses öffentlich vorgetragene politische Meinung, die eine Haltung gegen ein demokratisches Miteinander erkennen ließ, führte zum Bruch. Wer heute auf die Facebook-Seite der Galerie geht, liest sowohl anerkennende Worte über den konsequenten Schritt als auch Vorwürfe der Gesinnungsdiktatur von Pegida-Seiten.
Zuvor hätte dem Verein vielleicht bewusst werden können, dass erstens die Wahl von Krause und die Stiftung des diesjährigen Preises für Louise Otto-Peters, der Begründerin der bürgerlichen Frauenbewegung und Demokratin, keine ideale Kombination darstellen. Und Zweitens hätte man sich bewusst sein müssen, dass Krause aktiv im rechten Kunst- und Kulturfeld agiert und somit auch die LIA darin positioniert.
»Aus aktuellem Anlass«
»Die Ereignisse der letzten Tage haben zu dieser Entscheidung geführt«, resümiert der Vorstand in der Pressemitteilung zur Absage der Ausstellung am Samstagnachmittag. Den »Vereinsmitgliedern, ausstellenden Künstlern, Förderern und Besuchern ist die insbesondere in den letzten beiden Tagen stark politisierte und aufgeheizte Situation nicht zuzumuten.«Keine 24 Stunden vor der Absage hatte der Vorstand erklärt, dass Axel Krause nicht an der Ausstellung teilnehmen wird. Seine öffentlichen Äußerungen widersprechen den ethischen Grundsätzen des Vereins. »Wir können an dieser Stelle nicht mehr die Kunst vom Künstler trennen. Die Ereignisse der letzten Tage haben uns die politischen Dimensionen der Auswahl der Bilder Axel Krauses vor Augen geführt.«
Willkommen im rechten Kunstfeld
Es sei die Zeit der »Politisierung des Zeitgeistes«, es herrsche »geistiger Bürgerkrieg«, solche Parolen sind zeitnah zum Bruch der Galerie Kleindienst mit Krause im Sommer 2018 auf der Homepage des »ersten patriotischen Kulturmagazins« Anbruch zu lesen. Die treibende Kraft dahinter ist Tano Gerke, der auch stimmungsvolle Berichte über Sommerakademien (»Die Akademien fühlen sich immer ein bisschen wie Urlaub an«) in Schnellroda um Götz Kubitschek bei der »rechtsintellektuellen Zeitschrift« Sezession verfasst.
Von »existenzgefährdeten Hexenjagden« ist ebenso zu lesen wie »das Gros der Kunstschaffenden in unserer sanften Meinungsdiktatur hat weder Rückgrat noch Mut, ist käuflich, manipulierbar – und korrumpierbar.«, der Künstler Krause besäße »Mut« und geht »erhobenen Hauptes« voran.
Die eigene Bedeutung wird gleich mitgeschrieben, denn Anbruch versteht sich als »Plattform für junge und wirklich alternative Künstler«. Nur als Randbemerkung: Axel Krause, geboren 1958 in Halle, lernte Facharbeiter für Reprotechnik, diente in der NVA und studierte von 1981 bis 1986 Malerei bei Arno Rink an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst.
Krause wurde nicht nur als »voranschreitender, alternativer Künstler« gelabelt, sondern er agiert im rechten Kunst- und Kulturfeld. So ist er Mitglied des Kuratoriums der »jüngsten politischen Stiftung« – der Desiderius-Erasmus-Stiftung, die der AfD »ideell nahe« steht. Die Vorsitzende Erika Steinbach besuchte im Frühjahr seine erste Einzelausstellung in seiner neuen Galerie in Frankfurt/ Main – Thomas Punzmann Contemporary. Punzmann gehört wie Krause zu den wenigen Kuratoriumsmitgliedern der Stiftung ohne akademischen Titel.
Es geht also nicht um privat formulierte antidemokratische Positionen, die ein Maler im Internet verbreitet und der ansonsten »nur« malt, fernab von der gegenwärtigen gesellschaftlichen Entwicklung. Nein, der Künstler nimmt aktiv Teil an einer von rechtem Gedankengut beherrschten Bewegung. Eine klare Haltung gegen diese Form der rechten Vereinnahmung findet sich beim Maler nicht.
Ein mögliches Lehrstück
Der LIA-Vorstand hätte sich diesem rechten Netzwerk bei der Auswahl im April bewusst sein müssen. Wollen sie, dass ihr Verein in rechten Presseorganen auftaucht, im Schulterschluss mit deren rechter Ideologie? Es hätten im April aber auch schon die Förderer (Sparkasse Leipzig, Kulturamt) oder Leipzigs Oberbürgermeister, der Schirmherr der Ausstellung, Protest anmelden können – oder gar müssen.
Der Ausschluss von Krause hätte schon viel eher erfolgen können, im Verbund mit einer Debatte zur Rolle der Kunst in der Gegenwart. Der Vorstand hätte ein Gespräch führen können mit den anderen Kunstschaffenden – bevor einige von ihnen ihre Teilnahme zurückzogen – und den Protesten im Vorfeld mehr Aufmerksamkeit schenken sollen. Es gibt kein unpolitisches Ausstellen, jede Auswahl bedeutet eine Setzung sowohl formal als auch inhaltlich. Das hätte der Vorstand der LIA wissen müssen.
Nun alle Kunstschaffende um eine Ausstellungsmöglichkeit zu bringen, ist mehr als schade, denn die Auseinandersetzungen müssen geführt werden. Ansonsten landen wir im Eiapoeia auf dem Ponyhof – fernab von realpolitischen Situationen, weil die Anderen immer schuld sind. Daher gibt es auch keine »Unzumutbarkeit« beim Demokratietraining, sondern nur immer höhere Hindernisse.
Update:
Fünf Tage nach der Absage der Leipziger Jahresausstellung lädt der Verein nun doch zur Schau. Sie öffnet am Mittwoch, den 12. Juni. Axel Krause bleibt ausgeschlossen. Künstler wie Moritz Frei, die im Vorfeld wegen Krause ihre Zusage zurückzogen, wurden nicht noch einmal gefragt, ob sie unter den neuen Bedingungen ausstellen würden.
Am Dienstagabend findet im Museum der bildenden Künste um 19 Uhr ein Podiumsgespräch anlässlich der Diskussion um die 26. Leipziger Jahresausstellung statt. Auf Initiative des Museums sitzen Künstler Axel Krause, Galeristin Arne Linde, LIA-Vorstand Rainer Schade und Journalist Jens Kassner auf dem Podium.