Platzt in Leipzig bald eine Immobilienblase? Oder hat die Immobilienbranche vorübergehenden Leerstand einkalkuliert? Fest steht: Wenn trotz Wohnungsnot Wohnungen leer stehen, läuft eindeutig etwas schief – ein Kommentar.
»Wir haben in Leipzig Wohnungsnot« erklärte Baubürgermeisterin Dorothee Dubrau vor einem knappen Jahr in der Leipziger Volkszeitung. In diesem Atemzug wies sie zugleich die Kritik der Industriegewerkschaft Bau zurück, in Leipzig würden zu wenig Baugenehmigungen erteilt. Dass es an bezahlbarem Wohnraum mangelt, aber nicht an Baustellen, zeigt sich derzeit auf kleinstem Raum im Leipziger Süden.
Anfang August verkündete ein Bauträger allen Anwohnern rund um den Connewitzer Leopoldpark, er freue sich, mitteilen zu dürfen, dass in ihrer Nachbarschaft mehr als 100 neue, exklusive und hochwertige Wohnungen entstehen werden. Anderthalb Jahre nachdem der Park trotz Protesten abgeholzt wurde, ist jetzt tatsächlich der Bagger angerückt.
Nur wenige Meter entfernt, auf der anderen Seite der Wolfgang-Heinze-Straße, wird bereits seit einigen Wochen lautstark gebaut – hier mussten der Freisitz der Kneipe Black Label und ein Gemeinschaftsgarten weichen. Laut dem verantwortlichen Projektentwickler entsteht dort ein »neu gebautes Wohnensemble, welches sich harmonisch in die architektonisch anspruchsvolle Umgebung perfekt einpasst und zugleich in der unmittelbaren Nachbarschaft einen emotionalen Mehrwert schafft«. Geplant sind 40 hochwertige Eigentumswohnungen, die auf zahlungskräftige Käufer warten. Das Interesse an diesem »Immobilieninvestment, das im Immobilienmarkt der Metropole Maßstäbe setzt und in seinem Wesen die aufstrebende Stadt verkörpert«, ist bislang noch verhalten. Laut Website des Projektentwicklers ist derzeit lediglich eine Wohnung reserviert.Kaum anders sieht es beim dritten Bauprojekt in einem Umkreis von 150 Metern aus. Im Herbst 2020 soll das exklusive »Parkquartier Mühlholzgasse« fertig werden. Der größte Teil der bis zu 600.000 Euro teuren Wohnungen in Sichtweite des Conne Island ist noch zu haben.
Da drängt sich die Frage auf, wer all den exklusiven Wohnraum beziehen soll, der gerade im Süden Leipzigs entsteht. Für Leipziger Durchschnittsverdiener sind Kaltmieten von mehr als zehn Euro pro Quadratmeter kaum zu bezahlen – zumindest aktuell. Doch der vorübergehende Leerstand von Wohnraum scheint mittlerweile einkalkuliert. Von den 220 Wohnungen der »Thalysia Höfe« unweit des Connewitzer Kreuzes steht noch immer ein großer Teil leer. Auch das Luxus-Studentenwohnheim »Staytoo« reizt seine Kapazitäten keineswegs aus. »Könnte besser sein«, sagte der Betreiber im Sommer 2018 noch. Dies hält einen Konkurrenten nicht davon ab, derzeit nur wenige hundert Meter entfernt am Wiedebachplatz ein ähnliches, nur noch größeres Mikroapartmenthaus zu bauen. In der angrenzenden Südvorstadt sieht es nicht anders aus. Auf der Kurt-Eisner-Straße wirken mehrere große Neubauten regelrecht verwaist.
Manch einer sieht erste Zeichen, dass in Leipzig bald eine Immobilienblase platzt, andere sind überzeugt, dass die Immobilienbranche auch vorübergehenden Leerstand einkalkuliert hat und überleben wird. Was davon stimmt, wird die Zukunft zeigen. Doch für die Gegenwart ist klar: Wenn an allen Ecken gebaut wird und danach niemand einzieht, sollte das Fragen aufwerfen. Und wenn trotz Wohnungsnot Wohnungen leer stehen, läuft eindeutig etwas schief.