Unzählige Bücher überfluten den Markt. Linn Penelope Micklitz und Josef Braun helfen einmal wöchentlich auf »kreuzer online« bei der Auswahl. Diesmal schreibt Familienredakteur Josef Braun über »Bösemann« von Gro Dahle und Svein Nyhus.
»Ist Papa leise? Ist Papa fröhlich? Ist Papa ruhig?«, so heißt es gleich zu Beginn. Der kleine Boj macht sich Sorgen. Mit Stift und Papier sitzt er auf dem Boden und blickt hoch zu der riesenhaften Gestalt mit geröteten Fingerknöcheln und massigen Schultern. Noch lächelt sein Vater, doch bald wendet er sich ab. Ein paar Seiten darauf bricht er in Zorn aus. »Das ist nur Papa. Doch im Keller hinter Papas Stimme, da erhebt sich jemand«. Aus diesem Keller im Inneren, so stellt Boj sich das vor, steigt Bösemann. Ein Monster, das sich im Vater verbirgt. Das ihn wachsen lässt und die Welt des Kindes in Flammen setzt.
Gro Dahle ist eigentlich Lyrikerin. Gemeinsam mit ihrem Gatten dem Kinderbuchillustrator und -autor Svein Nyhus nimmt sie sich in »Bösemann« dem Thema häusliche Gewalt an. Eine schwere Aufgabe, die das Duo überzeugend löst. Boj lebt in ständiger Furcht. Aus seinen Verstecken heraus beobachtet er den Vater, versucht ihn sogar zu beschwichtigen. Doch natürlich ist er am Ende machtlos. So flüchtet er sich in Fantasiewelten und wartet darauf, dass es aufhört; dass wieder Stille einkehrt und seine Mutter den Satz sagt, der es so schwer macht, die Gewaltspirale zu durchbrechen: »Das ist geheim und uns geht es doch so gut«. Boj soll über das was er zuhause erlebt nicht mit anderen Menschen sprechen. Also erzählt er den Bäumen davon.
Ungewisse Zukunft
Dahle arbeitet viel mit Wiederholungen, Metaphern und einzelnen Lauten. Die Bilder erinnern an eingefärbte Kohlezeichnungen und sind eher schlicht gehalten. In den Dimensionen zeigen sich jedoch die Unterschiede zwischen dem ausgewachsenen Mann, der zierlichen Frau und dem kleinen Jungen. Die letzte Seite ist im Futur gehalten. Ob das dort angedeutete versöhnliche Ende wirklich möglich ist, bleibt ungewiss. »Bösemann« ist ein ernstes Buch. Eines, das Eltern sich vielleicht erst selbst anschauen sollten, ehe sie sich hinsetzen und es ihren Kindern vorlesen.