Der sehr gut besuchte Kunstrundgang auf der Spinnerei huldigte der Malerei. Gute Laune gab es allerdings vor allem beim Anblick von Gedrucktem
Wer auf dem Weg zum Winterrundgang mit dem Rad zur Spinnerei fuhr, dem fielen vielleicht einige Jugendliche auf, die zur musikalischen Untermalung von »Pump up the Jam« farbenfroh die Wände verzierten. Bei Sonnenschein betrachtet, ergab das einen sehr vitalen Eindruck. Wer mit der Straßen- oder S-Bahn zur Spinnerei fuhr, der musste sich von der Haltestelle in Richtung Kunstmeile in einen Menschenstrom einsortieren, der an Zeiten erinnerte, in denen auf dem Gelände der Baumwollspinnerei noch im Dreischichtbetrieb geschuftet wurde. An diesem Wochenende strömten die Massen jedoch in Richtung Kunst und vor allem zu zahlreichen Leinwänden in den Galerieräumen.
»Ding Dong«
Oliver Kossack, einst Mitglied des ersten Kunstraums B2 auf dem Spinnereigelände und seit längerer Zeit Professor für künstlerische Lehre in den künstlerischen Druckwerkstätten der HGB und in der Galerie Jochen Hempel ansässig, zeigte Malerei in gewohnter und bekannter Kossackscher Manier. Mit Sprachwitz und verweigerter Gegenständlichkeit arbeitet er sich an der Realität ab. Daraus ergeben sich Rätselbilder, die sowohl Bildtext als auch Bildstruktur betreffen und sich nicht so ernst nehmen sollten. Das gelingt zumindest der Arbeit »Ding Dong« ganz gut – vor allem, wenn man sie umringt von einer Traube Kunstinteressierter betrachten kann.
Nebenan in der Galerie Kleindienst präsentierte Rosa Loy Gemälde und Keramik unter dem leicht esoterisch klingenden Titel »Substanzen«. Hier gibt es in den Gemälden wieder zwei Frauen zu sehen, die sich in ihrer eigenen Welt verstricken. Das mag für manche mystisch sein, für andere eine große Blase, die die Realität vermeidet.
Der stellt sich wiederum bei She Bam! die Künstlerinnengruppe Guerrilla Girls, die sich seit ihrer Gründung 1985 auf provokante Installationen und Aktionen versteht. Legten die Künstlerinnen zu Beginn vor allem den Fokus auf Quoten und Blickverhältnisse, so zeigen die hier an den Wänden zu lesenden Zitate, dass trotz akademischer Genderwissenschaften und von der Politik angeschobenen Quoten von Gleichberechtigung im Kunstfeld nicht auszugehen ist. Dabei ist ein gut geschulter Blick außerhalb von weiblichen Heilsimaginationen sehr hilfreich, um die Mackerpose und -denke hinter dem öffentlich vorgetragenen Genderdenken zu erkennen.
Spuren
Aspn präsentiert Malerei des Düsseldorfers Jochen Mühlenbrink unter dem Titel »Dawn«. Der Künstler scheint offensichtlich eine Vorliebe für die Verwirrung des Publikums zu besitzen, denn die Leinwände halten Zwischenzustände fest – wie Verpackungen oder Fingerzeichnungen auf mit Wasserdampf versehenen Glasscheiben. Spielerisch wirkt das.
Im Besucherzentrum der Halle 14 sind bis Anfang April Skulpturen von André Tempel zu sehen. Er war im vergangenen Jahr Heimspiel-Stipendiat der Kulturstiftung des Freistaats Sachsen. Das heißt, er konnte auf Kosten des Freistaats einige Woche ein Atelier über der Halle 14 beziehen und seine übliche Wirkstätte Dresden verlassen. Tempel hat nun Therapiebälle in strenger Anordnung in den Weg zur Ausstellungshalle angeordnet. Sie versprechen Bewegung – aber das Korsett erlaubt sie nicht.
Im Untergeschoss der Halle 14 hat She Bam! bis zum 26. Januar noch ein zusätzliches Quartier bezogen. Hier ist die Einzelausstellung »Diane« von Theresa Möller zu sehen. Sie studierte Malerei an der HGB bei Annette Schröter. Ihre Landschaftsansichten versperren auf den ersten Blick die Einsicht in den Hintergrund, den man sich erst langsam erarbeiten muss.
Bei der Galerie B2 schauen Menschen von den Wänden, die sich ihrer Langweile sehr bewusst sein sollten. Anna M. Kempe studierte ebenfalls Malerei bei Annette Schröter und ihre allein von der Farbhaltung getragenen phlegmatischen Darstellungen verstören ein wenig und passen so zum Titel »Warten Gehen Bleiben«.
Kontraste
Ein Kontrastprogramm liefert dagegen Thaler Originalgrafik mit der Schau »The Cat and the Canary« von Christoph Ruckhäberle. Den Wandraum unterteilte er in unterschiedliche Motive der Gestaltung, auf denen wiederum collagierte Linolschnitte im Siebdruck zu sehen sind. Mut zur Farbe und Abstraktion für die Augen und erfreut das Gemüt über so eine große Herausforderung.
Als sich am späten Samstagnachmittag das Sonnenlicht verabschiedete, waren unzählige Smartphones zu sehen, die gen Westen in die Luft gehalten das Abendrot einfingen. Atemnot war zu spüren. Letztlich reicht auch etwas Naturerhabenes, um das Bildverlangen zu stillen.
Wer sich die Kunst in Ruhe anschauen möchte, den sind die nächsten Woche empfohlen, wenn die Kunst auch wirklich zu sehen ist und sich die Menschen nicht mühsam durch die einzelnen Räume schlängeln müssen.Im Frühjahr dauert der Rundgang dann wieder zwei Tage vom 1. und 2. Mai und überrascht hoffentlich mit mehr Experimenten und weniger Leinwänden.