Heuer nähert sich wieder der 8. März, sprich: der oberste feministische Kampftag. Radio Blau will es dabei nicht belassen, sondern erklärt den Monat kurzerhand zum »Fem*März«. Wie es dazu kam und was das eigentlich bedeutet, das erklären Projektkoordinatorin Anja Thümmler und Mrs. Pepstein, feministische Radioveteranin.
kreuzer: Was wird die Hörerinnen und Hörer im Fem*März erwarten?
Anja Thümmler: Der Fem*März ist das Motto für das gesamte Radioprogramm im März bei Radio Blau. Die meisten der vielen verschiedenen Sendungsmacherinnen haben sich bereit erklärt, in diesem Monat explizit darauf zu achten, Musik von FLINT*-Personen zu spielen und sie als Studiogäste einzuladen. Wie genau die Sendungsmacherinnen das ausgestalten, wissen wir noch nicht. Als freies Radio sind die Leute, die hier Sendungen machen, natürlich selbstständig. Aber es gibt den Beschluss der Vollversammlung, das umzusetzen.
kreuzer: FLINT*, was bedeutet das?
Mrs. Pepstein: F steht für Female, I für Intergeschlechtliche, N für Nichtbinäre, T für Transmenschen. L steht für Lesben, was ein bisschen rausfällt, weil es eine sexuelle Orientierung ist und keine Geschlechtsidentität.
kreuzer: Wie kam es zu der Idee?
Thümmler: Die Idee kam unter anderem von Untersuchungen, die ergeben haben, dass Experten, die in Interviews sprechen, zu 80 Prozent Männer sind – egal, um was für Themen es geht, weil sie viel eher als Spezialisten gehandelt werden. In der Musik wird es ja schon länger diskutiert, dass Festival-Line-ups teilweise zu 90 Prozent männlich sind.
Mrs. Pepstein: Eine Anekdote, die ich erzählen kann: Als ich bei Radio Blau angefangen habe, bin ich zur Vollversammlung. Dort saßen nur männliche Personen, bis auf die damalige Geschäftsführerin vom Verein. Die haben gesagt: »Ah, du willst eine Sendung machen, cool, es ist gerade eine Frau weggegangen, gut, dass du kommst.« Man kann darüber reden, warum so wenige Frauen Radio machen. Wenn ich im Radio mehr Frauen höre, ist das für mich ansprechender im Hinblick darauf, selbst aktiv zu werden. Wir sind ein zugangsoffener Verein und wollen anderen Leuten ermöglichen, Radio zu machen. Wir sind keine journalistische Ausbildungsstätte, hier geht es darum, dass man Themen ins Radio bringt, die man gerne reinbringen will.
Es gibt so grob 50/50 Männer und Frauen auf der Welt, das bildet sich im Programm aber nicht ab. Du kannst dir Morning Shows anhören, die immer noch nach dem Prinzip funktionieren, dass ein Typ einen Witz macht über die ungeschminkte Assistentin, obwohl das im Radio scheißegal ist, interessiert keinen. Wegen so was ist es ein Anliegen zu sagen: Wir probieren das mal einen Monat anders.
Thümmler: Freies Radio hat den Anspruch, im Gegensatz zu anderen Sendern die Stimmen zu repräsentieren, die in anderen Medien nicht so oft gehört werden. Diesen Anspruch haben wir seit 25 Jahren, trotzdem läuft bei uns wahrscheinlich zu 70 Prozent Musik von Männern. Ich fand es total cool, dass 90 von 120 gesagt haben: »Ja, wir stellen uns dieser Challenge« – eben nicht nur weibliche, sondern auch sehr viele männliche Sendungsmacher, die Bock auf das Thema hatten.
kreuzer: Wie sahen die internen Bedenken aus, von denen Sie in Ihrer Pressemitteilung zum Fem*März sprechen?
Mrs. Pepstein: »Da finde ich keine im Doom Metal«, »In dem und dem Bereich gibt es niemand Weibliches«, das war die eine Sache. Das andere ist das Bevormunden – genau das, was bei uns nicht passieren soll. Wenn einzelne Frauen sagen: »Jetzt sensibilisiert euch mal«, natürlich kann man das vielleicht so auffassen, dass das aufgedrückt wird.
Thümmler: Wir sind zwei von 120 Sendungsmacherinnen und können nicht voraussehen, wie die 120 Leute ihr jeweiliges Programm gestalten werden. Wir als basisdemokratischer Verein haben das Thema jetzt mal gesetzt und schauen, was passiert.
kreuzer: Das berührt ja auch eine Frage: Quote ja oder nein?
Thümmler: Das war gerade von einigen Sendungsmacherinnen die Sorge, dass sie dadurch in eine Position gebracht werden, in der Frauen nur deswegen in der Sendung laufen, weil sie Frauen sind. In einem freien Radio, in dem jeder selbst entscheiden kann, was er macht, ist eine Quote unpraktisch.
Mrs. Pepstein: Quote ist kein Instrument für einen basisdemokratisch organisierten Verein. Wer überprüft das dann? Das ist Quatsch. Bei so Positionsgeschichten, in Aufsichtsräten, Parteien, würde ich eine Quote immer befürworten. Ich halte auch nicht so viel von diesem Argument von wegen »positive Diskriminierung«. Wenn jetzt mal eine Frau einen Vorteil davon hat, so what? Es gibt ständig Typen, die einen Vorteil dadurch haben, dass sie mit den richtigen Typen in der richtigen Bar gesoffen haben.
kreuzer: Ist Musik von Frauen zwangsläufig feministisch?
Mrs. Pepstein: Nö. Es gibt auch gänzlich unfeministische Musik von Frauen. Es gibt ja auch Frauen, die sagen: Ey, Feminismus, brauch ich nicht. Das fand ich eine Weile schlimm, wieso maßen die sich an, zu sagen, dass sie das nicht brauchen? Aber Feminismus hat ganz viel mit Selbsterfahrung zu tun. Den Weg muss jede für sich selbst entscheiden und gehen.
Thümmler: Wenn jetzt FLINT*-Personen den Artikel lesen und interessiert sind: Gerne, kommt zu uns, wir wollen unsere Sendezeit in Zukunft auf 24 Stunden am Tag erweitern. Wir müssen empowern und ermutigen, sich einzubringen. Muss ja auch nichts Feministisches sein. Es kann auch eine Frau über Skispringen berichten.
kreuzer: Etwas Obskures für die Zeit um vier Uhr morgens fehlt sowieso noch im Radio Blau.
Mrs. Pepstein: Wenn du dann von der Party nach Hause kommst und im Radio eine Frau über Skispringen reden hörst, haben wir doch schon etwas erreicht.