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Kultur

Rauch rundet

Heute feiert der Leipziger Maler Neo Rauch seinen 60. Geburtstag. Zeit einen Blick auf die Geschichtsschreibung um seine Person zu nehmen

  Rauch rundet | Heute feiert der Leipziger Maler Neo Rauch seinen 60. Geburtstag. Zeit einen Blick auf die Geschichtsschreibung um seine Person zu nehmen

Der ehemalige Direktor des Museums der bildenden Künste, Alfred Weidinger, hatte einen Plan: Wenn Neo Rauch seinen 60. Geburtstag feiert, dann sollte im Museum der bildenden Künste die Ausstellung »Jahr eins« zu sehen sein. Gemeint war damit das Jahr 1993. Aber eigentlich ging es Weidinger um noch frühere Arbeiten des Leipziger Malers.

Aus dem Plan wurde nichts. Im Dezember diktierte Rauch der LVZ: »Im Grunde handelt es sich um eine Verschiebung und nicht um eine Absage der Ausstellung, die sich mit meiner Arbeit um das Jahr 1993 herum befassen soll. Ich hatte von vornherein – je näher der Termin rückte, umso dringlicher – das Gefühl, dass mir meine Vergangenheit noch sehr im Nacken sitzt, als dass ich mich ihr nun schon - mit erst 60 Jahren - mit der gebotenen Altersmilde und Gelassenheit zuwenden könnte.«

Verwunderlich war die Begründung der Absage, wurde doch die Geschichtsschreibung schnell deutlich: Allein der Titel der geplanten Ausstellung orientierte sich eher an der Zusammenarbeit mit der Galerie Eigen+Art als an seiner Biografie. 1993 war dort Rauchs erste Einzelausstellung zu sehen. Für die Galerie macht es deshalb auch Sinn, die Biografie des Künstlers auf ihrer Homepage eng mit dem eigenen Tun zu verbinden.

Das Ringen auf der Leinwand

Fraglich ist die Jahreszahl allein schon aus Rauchs Biografie heraus. 1960 in Leipzig geboren, studierte er von 1981 bis 1986 Malerei an der Hochschule für Grafik und Buchkunst bei Arno Rink. Sein anschließendes Meisterschülerstudium bei Bernhard Heisig schloss er 1990 ab. Darauf folgte zwischen 1993 und 1998 die Arbeit als Assistent an der Hochschule für Gestaltung und Buchkunst. Ab 2005 wurde er dort zunächst Professor für Malerei und von 2009 bis 2014 Honorarprofessor. Soweit die nackten Zahlen.

Zur Jahrtausendwende fand dann Rauchs erste Einzelausstellung in der Galerie für Zeitgenössische Kunst statt. »Randgebiet« hieß sie und im Katalog wird auch der Zeit vor 1993 bedacht. Im Kapitel »Archiv« findet sich beispielsweise ein Text des Leipziger Kunsthistorikers Peter Guth zu Rauchs erster Einzelschau Anfang 1989 in der Galerie am Thomaskirchhof. Darin vergleicht er die ausgestellten Arbeiten auch mit Rauchs Malerei auf der letzten DDR-Kunstausstellung 1987 in Dresden. Guth kam zu dem Schluss: »Neo Rauch erweist sich als ein Künstler, der ganz ernsthaft um malerische Werte ringt und sich jetzt noch jeder Festlegung entzieht. Künstlerische Anreger werden ebenso auf die Brauchbarkeit für die eigene Arbeit überprüft wie moderne Effekte und Farbigkeit.« Lange vor dem »Jahr eins« und dem gesellschaftlichen Umbruch 1989 fand also ein Ringen auf der Leinwand statt. Dass es sich nicht im Untergrund vollzog, sondern repräsentativ für junge, offizielle DDR-Kunst stand, hat Rauch mit einigen anderen Malern der damaligen Zeit gemein.

Im GfZK-Katalog kommt auch Peter Lang zu Wort. Er gründete im März 1990 die Galerie am Kraftwerk in der damaligen Erich-Weinert-Straße 8 mit. Vertreten waren dort unter anderem Wolfgang Henne, Roland Borchers, Olaf Martens, Steffen Mück und Neo Rauch. Aus dieser Zeit geblieben ist die 1991 erschienene Publikation »Harz: ein deutsches Gebirge: die Reise danach«. An der Wanderung durch die ehemalige Grenzregion nahmen Roland Borchers, Wolfgang Henne, Michael Kunert, Peter Lang und Neo Rauch teil. Es handelte sich dabei nicht nur um ein Abwandern von ehemals gesperrten Landschaften, sondern um eine Suche nach dem was bleibt und was wird. Nicht anders sind Langs abschließende Worte im Katalog zu verstehen: »so ist dieses harzprojekt ein schritt auf einer fortgeschrittenen reise zu sich selbst, ein diskurs über die eigene kulturelle herkunft und identität, damit teil einer neuen wertung der kulturellen gegenwart, um zukunft weiterhin vorstellbar werden zu lassen.«

Die Reise führte Neo Rauch zur Galerie Eigen+Art und zum sogenannten »Jahr eins«. Auf den Leinwänden fanden sich immer mehr fragmentierte Industrielandschaften und scheinbar aus der Vergangenheit stammende Personen ein. Klaus Werner, der Gründungsdirektor der GfZK und Kurator der Ausstellung »Randgebiet« gab dem Künstler zur Eröffnung vor zwanzig Jahren mit auf dem Weg: »Vor Neo Rauch steht eine große Zukunft, wenn die Umstände der umtriebigen jüngeren Kunstgeschichte diese Tor lange genug offen lassen und der Künstler die kritische Distanz zu sich aufrechterhalten kann.«

Die Rauch-Kritiker

Auch eine kritische Distanz zu Rauchs Arbeiten stellte sich schnell ein. Sie entwickelte sich einerseits aus der figurativen Darstellungsweise, die sehr oft mit Zitaten aus der Vergangenheit spielte. Andererseits aus dem Umgang mit der eigenen Biografie wie es etwa die Kunstschaffenden Alice Creischer und Andreas Siekmann 2002 in Texte zur Kunst unter der Überschrift »Zu Rauch und seinem Antimodernismus: Wo haben Sie gedient?« formulierten. Auch fünf Jahre später betonte Siekmann in einem Interview mit Die Welt: »Die Malerei der Leipziger Schule verteidigt einen traditionellen europäischen Kunstbegriff. Der amerikanische Markt hat das schnell begriffen und betrachtet die Leipziger als letzte weiße konservative Malereibastion: weiße Mittelstandskunst nenne ich das.«

Als Uwe Tellkamp 2010 Neo Rauchs Einzelausstellung »Begleiter« im Museum der bildenden Künste eröffnete, knüpfte er sich die Rauch-Kritiker vor. Anstelle von Lobesworten, der Herleitung von Inhalten auf den Leinwänden oder der Einordnung der Arbeiten in die Geschichte und Gegenwart, begann Tellkamp mit den Worten: »Ich möchte über einige Vorurteile nachdenken, die mir, wenn es um Neo Rauch geht, am häufigsten begegnen.« An erste Stelle nannte er Rauchs Einordnung als »Der Reaktionär«. Natürlich gibt er dazu keine genauen Quellen an und bleibt selbst mehr als vage, was für genaue Angriffsflächen Rauch bietet.

Das war Tellkamp noch nicht genug: »Der Verdacht lautet, dass einer, der sogenannte – angeblich – „deutsche“ Topoi gestaltet, heimlich ein Nazi sein muss.« Auch hier geht dem Dresdner Schriftsteller nicht um die Analyse von Bildwerken, sondern um das Abstempeln der Rauch-Kritiker als Undemokraten. Auf dem Kunstmarkt herrsche Dünkel, Neid und so könnte Rauch leicht als Konkurrent kalt gestellt werden. Für Tellkamp jedoch ist klar: »der Rang dieses Malers ist deutlich.«

Eindeutig bedarf es nicht nur »Altersmilde«, sondern einer kritischen Aufarbeitung der Geschichtsschreibung, die immer noch aussteht. Der MDR gratuliert unter anderem am Sonntag mit einem Gespräch im Kulturradio »Der Galerist Judy Lybke über Neo Rauch und Unsterblichkeit«. So kann ganz gemütlich am Mythos weiter gestrickt werden.


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